Forde­rung: Viel­fäl­tiges Enga­ge­ment

Datum
25. September 2022
Autor*in
Alicia Homann
Redaktion
politikorange
Themen
#BuJuKo22 #Politik
BUJUKO22-40

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Foto: Jugendpresse Deutschland / Ella Seeger

Bei der Bundes­Ju­gend­Kon­fe­renz stand das poli­ti­sche Enga­ge­ment von Jugend­li­chen im Schein­wer­fer­licht. Im Zuge der Jugend­stra­tegie der Bundes­re­gie­rung sollen sie mehr mitein­be­zogen werden. Die Jugend­li­chen plädieren für diver­sere Teil­ha­be­formen als die reine Partei­mit­glied­schaft.

Vier Jugendliche sitzen in einer Reihe, drei heben die Hand.

Bei der Einführungsveranstaltung der BundesJugendKonferenz sollten sich alle politisch engagierten Teilnehmer*innen melden. Foto: Jugendpresse Deutschland / Ella-Sophia Seeger

Okay, jetzt hebt jede*r mal die Hand, der*die sich poli­tisch enga­giert.“ Beein­drucktes Raunen geht durch die Reihen: Fast alle Arme der Teilnehmer*innen der Bundes­Ju­gend­Kon­fe­renz (BuJuKo) sind in der Luft. Später spricht Lisa Paus, die Bundes­mi­nis­terin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, von eben diesen enga­gierten Jugend­li­chen: Sie mischen sich ein, sie sind laut, sie wollen gehört werden“. Die BuJuKo soll ihnen die Möglich­keit bieten, zusammen der Bundes­re­gie­rung aufzu­zeigen, was verbes­sert werden muss und Politik aktiv mitzu­be­stimmen.

Enga­ge­ment gleich Partei?

Mit poli­tisch aktiven Menschen asso­zi­iert man wohl zunächst das Mitwirken in einer Partei. Gerade den Jugend­li­chen wird hier durch Jugend­or­ga­ni­sa­tionen das Angebot gemacht, nicht sofort in die große Politik einsteigen zu müssen, sondern zunächst im gemein­schaft­li­chen Umfeld poli­ti­sche Abläufe zu erlernen. Ob man von der Grünen Jugend (GJ), den Jungen Libe­ralen (JULis), der Arbeits­ge­mein­schaft der Jungsozialist*innen in der SPD (Jusos) oder der Links­ju­gend (Solid) spricht, sie alle gelten als progres­siver im Vergleich zu ihrer Mutter­partei.

Für manche ist diese Form von poli­ti­schem Enga­ge­ment jedoch zu viel. So erzählt Malte, Teil­nehmer der BuJuKo, Mitglied bei den Jusos und einer Jugend­gruppe bei Amnesty Inter­na­tional, dass er es als Belas­tung wahr­ge­nommen habe, Partei­mit­glied zu sein. Wenn da Treffen ausge­macht werden, heißt es immer du musst hin‘‚ schau bitte, dass du es schaffst‘. Man wird öfter mal unter Druck gesetzt“, erzählt er auf der BuJuKo.

Franz im Gespräch mit Alicia

Franz fand seinen Einstieg in politisches Engagement in der katholischen Landjugendbewegung Deutschlands. Foto: Jugendpresse Deutschland / Ella-Sophia Seeger

Der Wunsch, poli­tisch mitzu­wirken, ist da. Mit ihm aller­dings auch das Inter­esse, dies nicht zwangs­weise in einer Partei zu tun. Gleich­zeitig ist es dann aber wichtig, dass man auch tatsäch­lich aktiv mitwirken kann. Aller­dings geht das Empfinden vor Ort in eine andere Rich­tung: Aktuell wird Wahl­kampf im Alten­heim betrieben und nicht bei den jungen Menschen“, sagt Franz, UN-Jugend­de­le­gierter im Inter­view. Die Prio­ri­täten der Politik lägen woan­ders. Das Stereotyp, Jugend­liche wären nicht Inter­es­siert an Politik besteht weiter fort. Aron, Vorsit­zender des Dach­ver­bandes der baye­ri­schen Jugend­ver­tre­tungen, sagt zumin­dest, dass Jugend­liche meist abge­schreckt sind, wenn die Parteien die einzige Betei­li­gungs­mög­lich­keit sind: Wenn wir über Jugend­be­tei­li­gung reden, sollten wir nicht sofort in Parteien denken, sondern versu­chen, alle mitzu­nehmen“.

Über den Teller­rand hinaus

Poli­ti­sches Enga­ge­ment ist schon an sich eine Heraus­for­de­rung, der Eintritt in eine Partei bringt aber nochmal eine deut­lich größere Hemm­schwelle mit sich. Es ist etwas, bei dem man sich ganz sicher sein muss, bei dem man sich ganz konkret fest­legt. Als würde es nach dem ersten Schritt bereits kein Zurück mehr geben. Was man jedoch dabei oft nicht wahr­nimmt ist, dass dieser Weg schon früher beginnt. Er fängt an, wenn man Zuhause durch­setzt, dass der Müll doch endlich getrennt werden soll. Und geht weiter, wenn man einer anderen Person erklärt, dass sie Schwul­sein‘ nicht als Schimpf­wort verwenden kann, da es eine Belei­di­gung ist gegen­über einer der vielen unter­schied­li­chen sexu­ellen Orien­tie­rungen, die es in unserer Gesell­schaft gibt. Wenn man dann irgend­wann fest­stellt, dass auf dem Fußball­platz ein Tor fehlt und man mit dem Anliegen, ein Neues zu bekommen, zur*m (Bezirks-)Bürgermeister*in geht, dann ist man bereits in der Kommu­nal­po­litik ange­kommen. Das Schlüs­sel­wort ist hierbei Selbst­be­wusst­sein, ganz wie Franz es sagt: Ich glaube, das Wich­tigste ist, dass alle jungen Menschen ein Bewusst­sein dafür haben, dass ihre Stimme etwas wert ist und dass sie ein Recht auf ein Gespräch auf Augen­höhe haben.“

Das Angebot reicht von Jugend­par­la­menten, in denen Jugend­liche beispiels­weise über die Gestal­tung des Vier­tels debat­tieren, über Jugend­foren, die etwas weniger komplex sind und bei denen Arbeits­gruppen gegründet werden, um sich über ein Thema auszu­tau­schen. Es geht weiter mit Schüler*innenvertretungen, die die Inter­essen ihrer Mitschüler*innen gegen­über der Schul­lei­tung reprä­sen­tieren, beispiels­weise bei einem chro­ni­schen Toilet­ten­pa­pier­mangel in den Schul­klos. Es reicht bis hin zu Jugend­gruppen, die zu verschie­denen Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tionen wie Green­peace oder Amnesty Inter­na­tional gehören. Jedoch fehlt es mancher­orts an den nötigen Struk­turen. So sagt Aletta, aktiv im Poli­tik­re­ferat ihrer Schule: Bei mir gibt es zum Beispiel kein Jugend­par­la­ment, was ich sehr schade finde“. Dazu kommt ein weiterer Punkt, den Malte schil­dert: Ich glaube, dass kaum ein Jugend­li­cher weiß, wo er sich enga­gieren kann, obwohl es einiges gibt“.

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Aletta hält die BuJuKo für eine gute Chance, um Kontakte zu knüpfen. Foto: Jugendpresse Deutschland / Ella-Sophia Seeger

Klare Forde­rungen

Die BuJuKo ist ein erster Ort, um Inspi­ra­tion für weiteres Enga­ge­ment zu sammeln, wie Aletta bestä­tigt: Solche Konfe­renzen sind wirk­lich gut, um andere kennen­zu­lernen“. Aber die Jugend­li­chen äußern auch Kritik. Malte sagt: Es ist schon echt schwer, auf solche Veran­stal­tungen zu kommen, wenn man niemanden kennt oder in irgend­wel­chen WhatsApp-Gruppen ist. Ich finde, da fehlt die Kommu­ni­ka­tion, man kommt nur über Kontakte auf so eine Veran­stal­tung.“ Und Aron ergänzt einen weiteren Punkt: Solche Veran­stal­tungen sind auf eine gewisse Weise elitär, weil du einfach bestimmte Voraus­set­zungen haben musst. Das fängt dabei an, dass sich jemand die Zugfahr­karte nicht leisten kann.“ Eine Mitrei­sende von Aron konnte nur durch finan­zi­elle Unter­stüt­zung ihrer Mitenga­gierten das Geld für die Fahrt­kosten zusammen bekommen und vorstre­cken.

Aktuell bedeutet Enga­ge­ment auch vor allem Eigen­in­itia­tive. Inso­fern, wenn also die Minis­terin Paus sagt: Wir wollen Ihnen zuhören“, dann wird erwartet, dass auch wirk­lich zuge­hört wird und jugend­liche Ideen umge­setzt werden. Dazu gehört u.a. ein zentrales Infor­ma­ti­ons­tool und mehr Struk­turen für Enga­ge­ment. Ein Ort, der alle Möglich­keiten und Events zum Enga­gieren aufzeigt, das wird von den Interviewpartner*innen gefor­dert.

Die Jugend ist poli­ti­scher als je zuvor. Sie wollen Demo­kratie mitge­stalten. Sie wollen, dass ihre Forde­rungen umge­setzt werden. Das würde den Eindruck festigen, dass man mit jugend­li­chem Enga­ge­ment etwas errei­chen kann und das ist genau das, was die Regie­rung errei­chen möchte… Oder?


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