Feind­bild Antifa

Datum
28. Oktober 2020
Autor*in
Joel Joshua Feil
Redaktion
politikorange
Themen
#politischkritischjung 2020 #Politik
Antifa1Teaser_Joel_Robert Anasch_unsplash.com

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Foto: Robert Anasch / unsplash.com

Links­extre­mismus und Anti­fa­schismus – zwei Begriffe, die Konser­va­tive häufig synonym verwenden. poli­ti­ko­range-Redak­teur Joel Feil spricht sich für eine über­legte und ausge­wo­gene Debat­ten­kultur aus. Ein Kommentar.

Anti­fa­schismus – staats­bür­ger­liche Grund­hal­tung

Wehende Fahnen, in Flammen stehende Autos und verwüs­tete Stra­ßen­züge – die Bilder von den G7-Protesten in Hamburg verbinden viele mit der Anti­fa­schis­ti­schen Aktion, kurz Antifa. Eines muss ich klar­stellen: Anti­fa­schismus ist kein Aufruf zur Gewalt, ganz im Gegen­teil.

Anti­fa­schismus posi­tio­niert sich gegen Rechts­ra­di­ka­lismus – eine Kampf­an­sage an den rechten Mob. Das macht ihn zu einer tragenden Säule in dem Werte­system unseres Staates, insbe­son­dere nach dem zweiten Welt­krieg und der Nazi­dik­tatur. Wer sich nicht klar vom rechten Rand abgrenzt, tole­riert ihn. Was nebenbei bemerkt genau das Problem der AfD ist. Die Partei besteht nicht ausschließ­lich aus Nazis. Aber dieje­nigen, die keine Nazis sind, akzep­tieren sie neben sich in der Partei. Der Anti­fa­schismus als Säule des Werte­sys­tems ist deshalb so wichtig, weil er das Bekenntnis ist zu Nie wieder“, damit Nazi-Deutsch­land nicht noch einmal passiert. Und genau das ist Staats­bür­ger­lich­keit und nichts anderes!

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Was habt ihr aus der Nazi-Diktatur gelernt? Rassismus und Menschenfeindlichkeit bekämpfen! I Foto: Rasande Tyskae / flickr.com

Konser­va­tive bringen der Debatte keinen Mehr­wert

In der allge­meinen poli­ti­schen Debatte werden häufig Begriffe vermischt. Grund dafür ist die Igno­ranz, insbe­son­dere von Union und FDP sowie die mangel­hafte Bereit­schaft, die Begriffe zu sortieren: Die beschrie­bene staats­bür­ger­liche Grund­hal­tung wird hier mit gewalt­be­reitem Links­extre­mismus konse­quent gleich­ge­setzt. Dabei müsste eigent­lich gerade die Union, mit Konrad Adenauer als Bundes­kanzler nach der Nazi­dik­tatur, den Anti­fa­schismus für sich gepachtet haben. Müsste. Statt­dessen liefern Konser­va­tive, wie sie sich heute verstehen, der poli­ti­schen Debatte keinen Mehr­wert. Im Gegen­teil: Sie führen eine rück­wärts­ge­wandte, eintö­nige Debatte. Diese Haltung ist nicht im Sinne des Konser­va­ti­vismus, der durchaus eine Berech­ti­gung hat – nur nicht so, wie die Union ihn betreibt. Und darüber hinaus: Diese Haltung ist nicht im Sinne unserer demo­kra­ti­schen Debatte.

Anti­fa­schismus gehört in die Partei­en­land­schaft

Kevin Kühnert, Bundes­vor­sit­zender der Jusos sagte dazu in einem Inter­view gegen­über repre­sent (Anm. d. Red.: Format von Funk und ZEIT online auf YouTube): Die SPD ist aus ihrer ganzen Geschichte heraus eine anti­fa­schis­ti­sche Partei“. Doch solche Bekennt­nisse sind selten.

Dennoch: Während die Unions­par­teien und die FDP den Fehler begehen, die Begriffe Anti­fa­schismus und Links­extre­mismus synonym zu verwenden, schreiben sich linkere“ Parteien den Begriff offen auf die Fahne. Und soll Politik nicht die Gesell­schaft spie­geln? Wenn Anti­fa­schismus die staats­bür­ger­liche Grund­hal­tung ist, erwarte ich als Bürger von den Parteien, dass sie diese Haltung teilen. Lippen­be­kennt­nisse gegen Rechts reichen nicht aus. Sie sind nicht deut­lich genug. Sie schaden der Gesell­schaft.

Die Antifa“ – Alles gewalt­be­reite Terro­risten?

Einer ist wohl auch unan­ge­fochten, wenn es darum geht, der Gesell­schaft zu schaden: Donald Trump. Er bezeichnet die Antifa als Terro­risten. Im Deut­schen Bundestag wettert alles rechts der SPD gegen die Antifa“. Die Antifa als Orga­ni­sa­tion“ wird dabei schnell als Grup­pie­rung demo­kra­tie­feind­li­cher und gewalt­be­reiter Brandstifter*innen darge­stellt. Die Junge Union fordert von allen Demokrat*innen eine klare Abgren­zung von der Antifa.

Klar ist daran aber nur, dass diese Wortführer*innen vor allem eines tun: Sich mit der Antifa von einer klaren, anti­fa­schis­ti­schen Posi­tion gegen­über Rechts abzu­grenzen. Personen, die die poli­ti­sche Rechte verur­teilen, sollten es auch beim Namen nennen: Anti­fa­schismus.

Aufrüh­re­risch, verfas­sungs­feind­lich, gewalt­be­reit – Begriffe mit denen die Antifa“ kritisch beschrieben wird. Und doch zeigt die Struktur: Die Antifa“ gibt es nicht.

Die Anti­fa­schis­ti­sche Aktion besitzt keinen Dach­ver­band Antifa Deutsch­land“ oder ähnli­ches. Die Teil­neh­menden sind häufig nur in Orts­gruppen mitein­ander vernetzt, ähnlich der Struktur von Fridays for Future. Trotzdem kommen sie gele­gent­lich zusammen, um größere Aktionen durch­zu­führen. Dabei macht die Antifa vor allem eines: Aufklären. Unge­bil­deten Rechten kann man nur eines entge­gen­setzen: Bildung. Denn rechtes Gedan­kengut, salon­fä­higer Rassismus und menschen­ver­ach­tende Ansichten zeugen vor allem von mangelnder Bildung.

Dennoch besitzt natür­lich auch die Antifa ihre schwarzen Schafe. Immer wieder werden Proteste von Gewalt­be­reiten unter­wan­dert. Aber alle Aktivist*innen direkt als gewalt­be­reite Extremist*innen zu bezeichnen, bringt der Debatte keinen Mehr­wert. Nur weil ein Fußball­verein gewalt­be­reite Anhänger*innen hat, fordern poli­ti­sche Vertreter*innen deshalb nicht, den gesamten Verein als gewalt­be­reite Schläger*innen einzu­stufen.

Diffe­ren­zie­rung macht eine Debatte erst möglich

Anti­fa­schismus ist die staats­bür­ger­liche Grund­hal­tung, die Mitte der Gesell­schaft, die wir alle vertreten müssen. Die meisten von uns tun dies auch. Nur einige scheuen sich, es beim Namen zu nennen. Schwarze Schafe machen es nötig, dass wir zwischen dieser Grund­hal­tung und gewalt­be­reiten Ausschrei­tungen diffe­ren­zieren. Gewalt­be­reite Ausschrei­tungen von Linken sind genauso zu verur­teilen wie die der Rechten. Extre­mismus ist nicht Teil unserer Demo­kratie – Anti­fa­schismus ist ihre Basis.

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Der Bundestag ist das Herz der deutschen Debattenkultur. Nicht nur über diesem drohen graue Wolken. I Foto: Joel Feil

Deshalb müssen wir diffe­ren­zieren. Davon profi­tiert auch die AfD. Sowohl ihre Jugend­or­ga­ni­sa­tion (Junge Alter­na­tive für Deutsch­land) als auch der so genannte Flügel“ der AfD, werden vom Verfas­sungs­schutz wegen (rechts-)extremistischer Ansichten über­wacht. Und dennoch kann im Rechts­staat nicht die gesamte AfD als rassis­tisch, faschis­tisch und unde­mo­kra­tisch bezeichnet werden. Im Gegenzug macht die AfD genau das: Staats­bür­ger­li­chen Akti­vismus mit linkem Extre­mismus über einen Kamm scheren. Und genau das macht die Notwen­dig­keit deut­lich: Der*die durch­schnitt­liche deut­sche Staatsbürger*in sollte sich nicht auf dieses Niveau der Verein­fa­chung herab­be­geben.

Und so werden wir wohl auch weiter eine Partei, die einen Björn Höcke – einen als solchen gebrand­markten Faschisten – als die Mitte der Partei bezeichnet, nicht als gene­rell faschis­tisch einschätzen können. Wir können nur sagen: Die Mitglieder der AfD haben kein Problem damit, in einer Partei mit Faschisten zu sein. Das können wir dann aber mit allem Niveau der poli­ti­schen Debatte.

Was ist Anti­fa­schismus? Faschismus ist nach seiner Defi­ni­tion eine nach dem Führer­prinzip orga­ni­sierte […] rechts­ra­di­kale Bewe­gung [oder] Ideo­logie.“ Die Vorsilbe Anti“ bedeutet dagegen“. Anti­fa­schismus ist deshalb die Abkehr vom Rechts­ra­di­ka­lismus. Nach dem zweiten Welt­krieg vor allem gegen die Nazi­dik­tatur und deren Nach­folger.

Was ist die Antifa? Die Anti­fa­schis­ti­sche Aktion, kurz Antifa, wurde 1932 von der KPD ausge­rufen. Der Zweck war der Kampf gegen die völki­sche Bewe­gung und das Aufstreben der NSDAP. Die Mitglieder der Antifa wurden in der Nazi-Zeit genau wie Kommunist*innen und Sozialdemokrat*innen syste­ma­tisch verfolgt und ermordet. Nach dem Sieg über das Deut­sche Reich bildeten über­le­bende Mitglieder sog. Anti­fa­schis­ti­sche Akti­ons­aus­schüsse. Seitdem streitet die Antifa für eine Befreiung vom Nazismus und das Herbei­führen einer fried­li­chen Welt. In der heutigen Zeit macht die Antifa in Deutsch­land in erster Linie Infor­ma­ti­ons­ar­beit. Aufde­cken von Geld­strömen und Wider­sprüch­lich­keiten in Partei­pro­grammen gehört zu den wich­tigen Arbeiten der Antifa.

Dieser Beitrag ist im Rahmen eines gemein­samen Projekts von sagwas​.net und poli​ti​ko​range​.de entstanden.


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