Ein wilder Ritt“ durchs Wahl­pro­gramm

Datum
26. Mai 2022
Autor*in
Yasmin Orouji
Redaktion
politikorange
Themen
#LTW_SH22 #Wahlen
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Die Kielerin Johanna Brüg­ge­mann ist seit vielen Jahren Content Crea­torin und bloggt viel über Nach­hal­tig­keit. In einer Partei war sie bisher nicht aktiv. Im Inter­view mit politikorange-Redakteur*in Yasmin Orouji spricht sie darüber, welcher Zufall sie in das Schreib­team zum Wahl­pro­gramm der Grünen und letzt­end­lich auch zur Partei­ar­beit brachte.

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Vor der Landtagswahl 2022 hatte Johanna Brüggemann nie an einem Wahlprogramm mitgeschrieben. Foto: Jugendpresse Deutschland / Thomas Fries

poli­ti­ko­range: Wie bist du denn dazu gekommen, das Wahl­pro­gramm der Grünen zu schreiben?

Johanna Brüg­ge­mann: Das war ganz lustig. Ich habe eine Mail von Steffen Regis, dem Landes­vor­sit­zenden der Grünen in Schleswig-Holstein, bekommen, der mich gefragt hat, ob ich Lust darauf hätte. Ich habe so etwas selbst nie gemacht. Ich schreibe Texte, aber das ist nochmal eine komplett andere Liga. Das kam so ein biss­chen aus dem Nichts. Und dann ging‘s schon los. 

Weißt du, wie Steffen Regis auf dich aufmerksam wurde?

Ich kannte Steffen tatsäch­lich schon. Wir waren zusammen im Hamba­cher Forst in NRW. Ich bin hinge­fahren, um gegen die drohende Abhol­zung zu demons­trieren. Steffen war mein Sitz­nachbar im Bus und wir sind ins Gespräch gekommen. Steffen hat sich an mich erin­nert und dachte sich wohl: Johanna kann man anzapfen. 

Was beein­flusste dich, als du das Wahl­pro­gramm geschrieben hast?

Wirk­lich beein­flusst hat mich nichts. Ich habe ja nicht meine eigenen Ideen rein­ge­schrieben. Der Ansatz der Grünen war, dass die Partei eine unab­hän­gige Person wollte, damit man einen externen Blick einfängt und Dinge nicht ganz so kompli­ziert ausdrückt. Sie wollten vermeiden, dass dieses Wahl­pro­gramm unver­ständ­lich klingt. Deswegen war mein eigener Anspruch, zu versu­chen, eine Einfach­heit in diese komplexen Themen rein­zu­bringen.

Wie verlief der Schreib­pro­zess für dich?

Nicht nur ich war in der Schreib­gruppe. Es waren Steffen Regis, Rasmus Andresen und Hannah Wolf. Außerdem gab es Landes­ar­beits­gruppen, die Text­ent­würfe gemacht haben. Teil­weise waren es formu­lierte Texte, dann wieder Stich­punkte oder Gedan­ken­wolken. Wir haben diese Texte bekommen und mussten daraus einen Fließ­text machen. Das war auf allen Ebenen ein sehr wilder Ritt. Aber es hat Spaß gemacht. 

Das Schöne ist auch, dass wir alles am Ende mit Monika Heinold und Aminata Touré durch­ge­gangen sind. Ich hätte nicht gedacht, dass sich das Spit­zenduo jedes einzelne Wort von einem Wahl­pro­gramm durch­liest. Aber beide sind das komplette Programm durch­ge­gangen und haben ihre Anmer­kungen und Einschät­zungen einge­bracht.

Hat dir deine Arbeit als Blog­gerin geholfen, das Wahl­pro­gramm mitzu­ge­stalten?

Ich habe schon viele Texte geschrieben und auch Inter­views geführt. Deswegen kenne ich mich ein biss­chen mit Politik aus. Ich komme aus dem Lehramt und schaffe es dadurch, komplexe Infos auf den Punkt zu bringen. 

Wie viel freie Hand hattest du beim Schreiben?

Wir haben uns vorher über­legt, in welche Rich­tung es geht, weil es nicht hoch­ge­sto­chenes Deutsch sein sollte. Das Programm soll nahbar sein, die Stim­mung muss nicht düster und ernst sein, sondern hoff­nungs­voll in die Zukunft schauend – wie die Grüne Politik.

Sind Content Creator*innen wichtig beim Verfassen von Wahl­pro­grammen?

Ich würde nicht sagen, dass Content Creator unbe­dingt wichtig sind. Ich finde es wichtig, dass man sich als Partei einem externen Blick stellt. Im Grunde wird es von Bürgern und Bürge­rinnen gelesen. Ich fand es wirk­lich schön, dass man das Ziel hatte, das Wahl­pro­gramm verständ­lich zu machen. Durch die ganzen Ände­rungs­an­träge ist aber auch viel leichte Sprache raus­ge­flogen und ein paar komple­xere Sachen rein­ge­kommen. 

Wie kann man es schaffen, dass viele Wähler*innen das Programm lesen?

Ich hatte eine Idee, die es tatsäch­lich nicht rein­ge­schafft hat. Wir hatten am Anfang über­legt, ob wir das Wahl­pro­gramm wie ein Sach­buch aufbauen, damit das Ganze mehr Tiefe bekommt. Da wir den Zeit­plan immer weiter nach hinten schieben mussten, ist das leider raus­ge­fallen. Wenn ich in charge“ gewesen wäre, hätte ich geguckt, wie man es kürzer hält. Aber es ist wirk­lich nicht leicht, eine Balance zwischen Inhalt und Kürze zu schaffen. 

Was machen die Grünen in ihrem Wahl­pro­gramm anders als andere Parteien? 

Ich habe tatsäch­lich nicht in die anderen Wahl­pro­gramme rein­ge­guckt. Aber ich finde allein den Anspruch dahinter sehr lobens­wert, dass man alle Verspre­chen auch auf Mach­bar­keit gecheckt hat und sich ambi­tio­nierten Zielen stellt. 

Sind Wahl­pro­gramme wichtig für Erstwähler*innen? 

Für Erstwähler*innen kann ich mir vorstellen, dass man sich in Zukunft über­legt, einen Wahl­pro­gramm-Podcast zu machen und sich jede Woche ein Thema vornimmt. Wer hat schon Lust, sich so einen Batzen durch­zu­lesen. Das machen auch die wenigsten erwach­senen Leute. Die meisten sagen: Ich bin jetzt Mittel­ständler, lese mir das Kapitel Wirt­schaft durch und schaue, was da für mich inter­es­sant ist. Für Erstwähler*innen könnte man das Wahl­pro­gramm in verständ­liche Punkte runter­bre­chen.

Hat dir das Mitwirken beim Wahl­pro­gramm geholfen, Politik hinter den Kulissen besser zu verstehen?

Defi­nitiv. Politik ist auch immer ein Kompro­miss. In der Regel findet man keine Partei, die zu hundert Prozent die eigenen Inter­essen vertritt. 

Ich hatte eher damit gerechnet, dass alle mehr an einem Strang ziehen. Inner­halb der Partei gibt es immer auf unter­schied­li­chen Ebenen diverse Meinungen. Das merkt man auch bei den ganzen Ände­rungs­an­trägen. Es ist span­nend zu sehen, wie sich das Wahl­pro­gramm entwi­ckelt hat und wie am Ende etwas daraus geworden ist, hinter dem alle stehen können. Das ist das Wich­tigste. 

Mitt­ler­weile bist du ja doch Mitglied bei den Grünen. Was hat dich dazu bewogen?

Ich hatte die Idee den Grünen beizu­treten tatsäch­lich schon länger im Kopf. Die Inhalte im Programm haben mich tatsäch­lich einfach über­zeugt und mir hat das Team und die Stim­mung gut gefallen. Das war etwas, was ich gern mit einer Partei­mit­glied­schaft unter­stützen wollte. 

Und in welcher Form geht für dich die Partei­ar­beit in Zukunft weiter?

Das weiß ich tatsäch­lich noch gar nicht so genau. In Kiel ist ja nächstes Jahr dann die Bürger­meis­ter­wahl, da werde ich viel­leicht mal in die Betei­li­gungs­pro­zesse zum Programm hinein­schnup­pern. Ansonsten lasse ich mich treiben und schaue, was passiert.


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