Ein paar Spinner gibt es immer“

Datum
09. September 2017
Autor*in
Marcel Kupfer
Redaktion
politikorange
Thema
#poBTW17
Wolfram Hirt im Interview mit Marcel Kupfer. Foto: Lilith Grull

Wolfram Hirt im Interview mit Marcel Kupfer. Foto: Lilith Grull

Wolfram Hirt im Interview mit Marcel Kupfer. Foto: Lilith Grull

In den kommenden Wochen stellt Marcel Kupfer die Wahl­pro­gramme vor. Zu jedem führt er ein Inter­view mit einem Partei­mit­glied. Diese Woche geht es um die AFD: Er fragt den Bundes­tags­kan­di­daten und Spre­cher des AfD-Kreis­ver­bandes Reut­lingen in Baden-Würt­tem­berg, Wolfram Hirt, zu der Situa­tion der AFD in der Gesell­schaft, den Euro und der Flücht­lings­si­tua­tion.

Wolfram Hirt(AFD) in der Reutlinger Innenstadt. Foto: Lilith Grull

Wolfram Hirt ist seit November 2013 Sprecher des AfD-Kreisverbandes Reutlingen. Er kandidiert für seinen Landkreis für den Bundestag und ist auf Platz 16 der baden-württembergischen Landesliste gewählt worden. Foto: Lilith Grull

Wolfram Hirt beschreibt sich in drei Sätzen: Ich bin ein offener und gesprächs­freu­diger Mensch. Ich habe einen unheim­li­chen Gerech­tig­keits­sinn. Ich bin gelernter Bank­kauf­mann und Fami­li­en­vater.

Die AFD steht immer wieder in Kritik: Sie gilt als homo­phobe, ausländer- und frau­en­feind­liche Partei – sie gilt rechts. Sie spaltet Deutsch­land und wider­spricht mit diesen Vorwürfen den demo­kra­ti­schen Grund­werten unseres Staats. Warum sind sie Bestand­teil dieser Partei? 

Ich war schon immer sehr an Politik inter­es­siert. Als mein Sohn bei der letzten Bundes­tags­wahl Erst­wähler war, haben wir uns mit jeder Partei ausein­an­der­ge­setzt. Schluss­end­lich konnten wir uns am meisten mit der AfD iden­ti­fi­zieren. Und mit einer lesbi­schen Spit­zen­kan­di­datin, die mit einer Frau zusam­men­lebt: Was ist da homo­phob? Außerdem, ein paar Spinner gibt es immer.

Warum braucht Deutsch­land die AFD

Ob das die verkorkste Ener­gie­wende, Flücht­lings­po­litik oder Euro­ret­tung ist, wenn es die anderen Parteien schon richtig gemacht hätten, bräuchte es die AFD nicht. Es gibt immer eine Alter­na­tive, die zeigen wir auf. Und wenn wir unsere Anträge nicht durch­be­kommen aber die anderen Parteien anstoßen, etwas zu ändern, dann ist das schon mal was.

Ihre Partei möchte die Wehr­pflicht wieder­ein­führen. Warum?

Ich persön­lich würde nicht nur die Wehr­pflicht einführen, sondern ein verpflich­tendes soziales Jahr. Somit würde jeder etwas für unser Land beitragen. Ich denke, das tut gut.

Die Mehr­wert­steuer soll um sieben Prozent gesenkt werden. Ist dieses Verspre­chen in der Realität umsetzbar? 

Es ist vor allem wichtig, weil man damit jeden Haus­halt entlastet. Wir haben offi­ziell einen Haus­halt ohne Neuver­schul­dung und die Einspa­rungen der Null­zins­po­litik reichen aus, um auszu­glei­chen. Herr Schäuble hat für die nächsten drei Jahre einen Über­schuss von bis zu 60 Milli­arden Über­schuss errechnet, damit sollte schon ein Groß­teil bezahlt sein.

In Ihrem Regie­rungs­pro­gramm steht, dass die D‑Mark wieder einge­führt werden soll. Kann man auf den Euro nicht stolz sein?

Nein, auf den Euro als Gemein­schafts­wäh­rung kann man nicht stolz sein. Er schadet mehr, als er schützt. Wenn man in die südeu­ro­päi­schen Länder schaut, hat der Euro eine hohe Arbeits­lo­sig­keit beschert. Davor müssen wir uns schützen. Eigent­lich haben wir eine No-Bale-Out-Klausel, mit der Euro­ret­tung wird darüber hinweg­ge­sehen. Der Euro führt auch dazu, dass es keine Zins­er­träge mehr gibt. Ob wir uns von dem Euro verab­schieden müssen, weiß ich nicht. Zwischen gleich starken Ländern kann er weiter bestehen. Aber es sollte für die betrof­fenen Länder wie Grie­chen­land die Möglich­keit geben, auszu­steigen.

Braucht Deutsch­land Euro­päi­sche Union? 

Die Zusam­men­ar­beit in der EU hat einige Vorteile. Es darf nur nicht alles nach Brüssel zentra­li­siert werden. Die Länder müssen die Möglich­keit haben, Sachen selber entscheiden zu können.

Auf Face­book teilen Sie den Slogan Lieber ehrlich im Diesel als abge­hoben in der Luft“. Dieser bezieht sich auf die Hubschrau­ber­nut­zung der Bundes­kanz­lerin währen des Wahl­kampfes. Braucht guter Wahl­kampf diese Stiche­leien oder braucht die AfD diese? 

Wenn es nach mir ginge, bräuchte es dieses nicht. Bei vielen poli­ti­schen Diskus­sionen kommt es kaum zum Austausch von Sach­ar­gu­menten, viel­mehr geht es um Angriff. Diese Leute gibt es in allen Parteien. Bestes Beispiel ist die TV-Show aus dem ZDF dieser Woche, als Alice Weidel den Raum verlassen hat, weil nur ange­griffen wurde, incl. einer partei­ischen Modo­ra­torin. Poli­ti­sche Ziele müssen mit guten Argu­menten voran­ge­bracht werden, ohne Angriffe.

Holger Arppe, Frak­ti­ons­vor­sit­zender der AfD im Landtag von Meck­len­burg-Vorpom­mern, ist zurück­ge­treten. Der Grund sind Chat­ver­läufe, unter­and­erem mit Belei­di­gungen gegen­über Partei­kol­legen. Wie sollen die Wähle­rinnen und Wähler noch Vertrauen in die AfD haben, wenn es inner­halb der Partei auf diese Art kracht? 

Krachen tut es überall. Das Herr Arppe ausge­schieden ist, ist richtig und ich würde mir auch wünschen, dass er sein Mandat ablegt. Menschen die so ein Gedan­kengut haben gehören in keine Partei. So etwas geht gar nicht. Es ist schwierig, dass wir solche Leute in der AFD haben, nicht nur einen. Aber ich hoffe, dass wir uns über kurz oder lang von ihnen trennen werden.

Welchen Einfluss haben diese auf die Wähle­rinnen und Wähler? 

Wenn wir diese Leute nicht hätten, dann hätten wir hier in Baden-Würt­tem­berg mindes­tens fünf Prozent mehr Stimmen.

Wie wird nach ihrer persönlichen Prognose die Bundes­tags­wahl allge­mein und wie für die AfD ausfallen? 

Der Wahl­kampf findet in der Bevöl­ke­rung leider kaum statt, sie kommt oft ledig­lich mit den Wahl­pla­katen in Berüh­rung. Wenn man die aktu­ellen Prognosen betrachtet, werden wir wieder auf eine Große Koali­tion zusteuern. Die CDU mit 35 bis 40 Prozent. Die SPD mit knapp über 20 Prozent. Ich persön­lich sehe die AfD aber als dritt­stärkste Partei. In der Umfrage liegen wir bei neun bis zehn Prozent. Ich denke, dass wir auf 15 kommen können.

Haben Sie das Gefühl, die AFD vertritt die breite Masse der Wähler und Wähle­rinnen? 

Ja.Wenn ich mit den Menschen über unser Programm spreche, dann bekomme ich nur Zustim­mung. Das sind die Punkte, die die Menschen bewegen. Wenn ich rein über das Programm mit den Leuten spre­chen, dann müssten wir die abso­lute Mehr­heit haben.

Die AFD ist eine noch recht junge Partei und hat auch deswegen noch wenig Stamm­wähler und ‑wähle­rinnen. Doch verhält­nis­mäßig viele Protest­wähler. 2016 waren es in Berlin 79 Prozent. Wie gehen Sie damit um? Die breite Masse kann das so nicht sein.

Meines Wissens haben wir ca. 7 % Stamm­wähler. Das dürfte etwa die Hälfte von unserem aktu­ellen Poten­tial sein. Wenn sich tatsäch­lich 45 % der Wähler noch nicht entschieden haben, dann sieht es bei den anderen Parteien auch nicht anders aus.

Warum will keiner mit der AfD koalieren? 

Weil sie sich nicht mit uns unter­halten und Sach­ar­gu­mente auszu­tau­schen. Viel­leicht haben sie auch Angst, dass eine rich­tige Oppo­si­tion heran­wächst. Es ist das leich­teste, jemand der neu kommt, als Schmud­del­kind zu bezeichnen um ihn klein zu halten. Die Wahl­pro­gramme über­schneiden sich viel von dem der AfD, als immer behauptet wird. Immer mehr von unseren Forde­rungen werden von den anderen Parteien über­nommen.

Ihre Spit­zen­kan­di­datin Alice Weidel ist der Meinung, Frau Merkel müsse vor ein Gericht, unter anderem wegen der Flücht­lings­si­tua­tion. Wie postio­niert sich die Partei? 

Da stehen wir voll und ganz hinter Alice Weidel, weil Frau Merkel Recht gebro­chen hat. Sie hat im Herbst 2015 in einer einsamen Entschei­dung die Grenzen aufge­macht. Sie hat jeden, mit oder ohne Ausweis hier ins Land gelassen.

Finden Sie die Situa­tion nicht mensch­lich? 

Mensch­lich kann ich die Situa­tion viel­leicht noch nach­voll­ziehen. Was aber viel schlimmer ist, ist dass Frau Merkel eine Einla­dung ausge­spro­chen hat und sich somit viel mehr Menschen auf den Weg machen und versu­chen nach Deutsch­land zu kommen. Und zwar mit Schlep­pern, für viel Geld übers Mittel­meer. Hätte Frau Merkel diese Einla­dung nicht ausge­spro­chen, dann wären wohl weniger gestorben. Hier sollen wir jetzt von Mensch­lich­keit reden? Es ist leicht zu sagen kommt alle rein. Von denen die jetzt da sind haben weniger als ein Prozent Asyl­an­spruch. Außerdem soll Anfang 2018 der Fami­li­en­nachzug kommen, was mindes­tens 1,5 Millionen Menschen ins Land bringt.

Auf der Webseite der AFD werden Proble­ma­tiken wie Land­flucht, Ehe- und Kinder­lo­sig­keit ange­spro­chen. Können Flücht­linge die Lösung sein?

Da brau­chen wir keine Flücht­linge, sondern Zuwan­derer. Die kommen nämlich nach ihrer Quali­fi­ka­tion. Wenn jemand ins Ausland möchte, um zu arbeiten, dann bewirbt man sich aus seinem Heimat­land auf eine Stelle.

Das ist ja eine ganz andere Posi­tion der Menschen. Wie sieht es mit denen aus, die aus einer humanen Notlage kommen?

Wenn die Leute ausge­bildet sind. Viele sind Analpha­beten und oder spre­chen kein Deutsch. Das ist ein langer Prozess, viel­leicht zehn Jahre. Mit den Voraus­set­zungen, die die Flücht­linge bringen kann das nicht funk­tio­nieren.

Haben Sie das Gefühl, dass die AFD manchmal zu extrem ist? 

Die AfD nicht, einzelne Personen viel­leicht.

Können Sie für eine Person, die derzeit noch in der Partei ist, ein Beispiel geben?

Sie wollen mir jetzt unbe­dingt den Namen Höcke heraus­lo­cken. Es läuft ein Partei­aus­schuss­ver­fahren gegen Herrn Höcke, da möchte ich mich aber eigent­lich nicht einmi­schen, denn das liegt bei den Schieds­ge­richten. Man muss aber auch sagen, dass diese Leute bei vergangen Wahlen mit über 20 % gewählt wurden. Dieser Wähler­wille muss akzep­tiert werden.

Was sollte sich als Erstes nach der Bundes­tags­wahl am 24. September verän­dern?  

Wenn wir in den Bundestag einziehen, würden wir einen Unter­su­chungs­aus­schuss über die Rechts­brüche von Bundes­kanz­lerin Angela Merkel bean­tragen.


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