Das Streben der Kleinen

Datum
28. März 2021
Autor*in
Carolin Brockhausen
Redaktion
politikorange
Themen
#LandtagswahlBW21 #Gen Z
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Foto: adil janbyrbayev / unsplash

Mit 24 in den Landtag – so wollte Jung­po­li­tiker Moritz Klug (Volt) die Inter­essen von Jugend­li­chen im Parla­ment vertreten. Für ein Mandat hat es zwar nicht gereicht, die Moti­va­tion, sich weiterhin poli­tisch zu enga­gieren, bleibt aber. Warum?

Carolin - Moritz Klug - (Moritz Klug-privat)

Moritz Klug (24) engagiert sich für die paneuropäische Partei Volt.

Wie waren die letzten Wochen für dich? 

Super anstren­gend! Bei allen Klein­par­teien ist das Enga­ge­ment und der Wahl­kampf ehren­amt­lich parallel zum Beruf oder zum Studium. Wenn ich in den letzten Wochen mal mehr als fünf Stunden Schlaf bekommen habe, war das schon viel! Der Wahl­kampf war defi­nitiv ein Full­time-Job über die letzten 1,5 Monate. Es hat sich aber dahin­ge­hend gelohnt, dass wir Volt bekannt gemacht haben, viele neue Mitglieder gewonnen haben, vor allem viele Frauen – was uns sehr froh macht. Auch das Ergebnis für mich persön­lich ist zufrie­den­stel­lend. Zwar haben wir uns für Baden-Würt­tem­berg etwas mehr erhofft, aller­dings hat es uns das Wahl­system und die Tatsache, dass wir dadurch nur in wenigen Wahl­kreisen antreten konnten, sehr schwer gemacht. Die Krone wäre es auf jeden Fall gewesen, die 1% zu knacken und damit Gelder aus der Partei­en­fi­nan­zie­rung zu bekommen. 

Welche Rolle spielen junge Menschen und ihre Inter­essen in der Landes­po­litik Baden-Würt­tem­bergs?

Über­ra­schend wenig. Wenn man sich anguckt, welche Themen behan­delt werden und vor allem, wer im Landtag sitzt, dann sehe ich die Jugend total unter­re­prä­sen­tiert. Bei der Wahl haben jetzt auch ein paar junge Kandi­daten, z.B. von der FDP, ein Mandat bekommen, aber es ist auf jeden Fall so, dass vor allem die ältere Gene­ra­tion im Landtag vertreten ist. Beson­ders bei den wich­tigen Themen, wie z.B. Klima­schutz, haben wir in Baden-Würt­tem­berg riesige Defi­zite. Es wird zwar viel drüber geredet, aber im Vergleich zu anderen Bundes­län­dern ist in den vergan­genen Jahren viel zu wenig in diesem Bereich getan worden. Ich bin gespannt, ob sich das mit der neuen Landes­re­gie­rung ändert. 

Wenn sich mehr junge Menschen für Themen, die ihnen am Herzen liegen, poli­tisch einsetzen, dann würden Themen wie Klima­schutz und soziale Gerech­tig­keit höher auf der Agenda stehen, als es aktuell der Fall ist. 

Wie poli­ti­siert ist unsere Gene­ra­tion?

Ich persön­lich sehe eine enorme Spal­tung zwischen sehr hoch poli­ti­siert” und total egal”. Der Anteil, der sich allge­mein für Politik inter­es­siert, ist defi­nitiv in den vergan­genen Jahren gestiegen, was aber nicht heißt, dass sich die junge Gesell­schaft per se für Politik inter­es­siert. Wenn sich junge Menschen aber für Politik inter­es­sieren, sind sie wirk­lich oft sehr aktiv und haben eine starke Meinung. Auch in meinem persön­li­chen Freun­des­kreis fällt mir immer wieder auf, dass jeder seine Themen hat, die ihm wichtig sind, aber das breite poli­ti­sche Verständnis und Inter­esse oft fehlt. Vielen ist nicht klar, was welche Partei vertritt, was sie wirk­lich umge­setzt haben. Diese Wissens­lü­cken will ich niemandem vorwerfen, da man wirk­lich sehr viel Zeit braucht, um sich tief in das Thema einzu­finden.

Was muss sich ändern, damit sich junge Menschen in der Landes­po­litik besser reprä­sen­tiert fühlen?

Die Kommu­ni­ka­tion für junge Menschen muss sich ändern. Wenn wir uns angu­cken, wie junge Menschen ihre Infor­ma­tionen bekommen, dann sind das zwar oft immer noch die klas­si­schen Medien, aller­dings trotzdem über eine andere Kommu­ni­ka­ti­ons­weise. In Amerika kann man zum Beispiel gut beob­achten, wie die Sena­toren junge Menschen über Social Media errei­chen. Damit will ich gar nicht sagen, dass sich jeder Poli­tiker in den sozialen Netz­werken darstellen soll, aber die Art des Kommu­ni­zie­rens muss defi­nitiv ange­passt werden. So kann Politik auch besser für junge Menschen verständ­lich gemacht werden und dadurch ein Stück Realität und Nähe aufge­baut werden. 

Mein Vater liest jeden Tag die Zeitung, ich höre lieber Podcasts, um mich zu infor­mieren. 

Am Ende des Tages kann es etliche Bewe­gungen geben, die Entschei­dungen werden aber in den Parla­menten bzw. in den Parteien getroffen.

Was kann jede*r tun, um poli­tisch etwas in Bewe­gung zu setzen?

Da gibt es zwei Möglich­keiten: Zum einen kann man sich einer Bewe­gung anschließen, z.B der Black-Lives-Matter Bewe­gung, einer femi­nis­ti­schen Bewe­gung oder Fridays For Future. So kann Druck auf die Parla­mente aufge­baut werden, was wichtig ist. Ich persön­lich bin eher der Meinung, dass junge Menschen aktiver in Parteien werden sollten. Am Ende des Tages kann es etliche Bewe­gungen geben, die Entschei­dungen werden aber in den Parla­menten bzw. in den Parteien getroffen. Ich sehe oft, dass junge Menschen total frus­triert sind von den Parteien, deshalb nicht eintreten wollen, sich so auch nicht partei­po­li­tisch enga­gieren und nur noch frus­trierter werden. Das finde ich sehr schade. Auch wenn man viel­leicht unter­schied­liche poli­ti­sche Ansichten hat, kann man dennoch die eigenen Inter­essen vertreten und in Austausch treten. Am Ende trifft die Politik die Entschei­dungen und nicht die Menschen auf der Straße. Wenn man Mitglied einer Partei ist, kann man sich aber wirk­lich aktiv einbringen und tatsäch­lich etwas bewegen.

Wie sieht ein modernes Partei­en­system aus?

Basis­de­mo­kra­tisch und so, dass auch in kurzer Zeit viel erreicht werden kann. Wenn ich mit jungen Menschen spreche, bekomme ich oft mit, dass sie sehr frus­triert sind, wenn beispiels­weise in Jugend­or­ga­ni­sa­tionen der Parteien bei zahl­rei­chen Stamm­tisch­ge­sprä­chen Vertrauen aufge­baut werden muss, bevor man in eine verant­wor­tungs­volle Posi­tion gelangt. Bei einer kleinen Partei wie Volt kann man hingegen recht schnell viel errei­chen, beispiels­weise durch die digi­tale Vernet­zung auch mit anderen euro­päi­schen Staaten. So können wir schnell viele rele­vante Themen in unser Wahl­pro­gramm aufnehmen. Da habe ich auch für mich gemerkt, dass Volt Menschen, die etwas machen wollen, eine Möglich­keit gibt, um das umzu­setzen und etwas Neues auf die Beine zu stellen. Bei vielen anderen Parteien vermisse ich es, dass sie jungen Leuten nicht die Perspek­tive geben, schnell etwas zu entscheiden. 

Das Partei­en­system an sich finde ich ganz gut. Ich sehe das Verbes­se­rungs­po­ten­tial vor allem bei der internen Aufga­ben­ver­tei­lung der Parteien.

Welche Rolle spielen Frauen in Kleinst­par­teien?

Allge­mein sind in der Politik viel weniger Frauen aktiv als Männer, was ich sehr schade finde. Wir versu­chen immer, neue Frauen dazu zu moti­vieren, einer Partei beizu­treten. Vor ein paar Monaten haben sich auch bei Volt nur Männer für die Listen­plätze beworben. Zum Teil halte ich es für eine Frage der Selbst­ein­schät­zung, zum Teil haben Frauen viel mit Politik zu tun, aber nicht mit Parteien. In Parteien, die eher als Bewe­gung agieren, z.B. die Klima­liste, ist der Frau­en­an­teil verhält­nis­mäßig hoch. Wenn aber die klas­si­schen Partei­en­ver­hält­nisse mit Hier­ar­chien, viel­leicht auch Macht­spielen, domi­nieren, schreckt das Frauen oft ab, während Männer damit anders umgehen. Dieses egozen­tri­sche Auftreten, was man in der Politik auf jeden Fall braucht, ist aktuell oft sehr testo­ste­ron­ge­trieben. Das Problem liegt eher bei der Politik und nicht bei den Frauen. Gleich­zeitig ist es schwierig, das Problem zu lösen. Es gibt keine einzige Partei mit mehr Frauen als Männern. Da ist es die logi­sche Konse­quenz, dass auch in den Parla­menten weniger Frauen als Männer vertreten sind. Ich bin auf jeden Fall für eine Frau­en­quote, denke aber auch, dass wir nicht über eine Quote spre­chen müssten, wenn allge­mein ein ausge­wo­genes Verhältnis von Frauen und Männern vorliegt. 

Für mich ist es ein großer Moti­vator, Teil von etwas zu sein, das größer ist als man selbst. Ich möchte Teil der Zukunft sein.

Welche Gründe gibt es dafür, sich in einer Kleinst­partei zu enga­gieren, wenn Mandate doch weit entfernt scheinen? 

Ja, Mandate sind weit entfernt, aber sie sind nicht uner­reichbar, was man gut in Hessen gesehen hat. Dort hat Volt teil­weise 6% der Stimmen bekommen. Wenn ich der Meinung wäre, Volt würde nie irgendwo ein Mandat gewinnen können, dann wäre ich nicht hier. Ich bin fest davon über­zeugt, dass Volt in der nahen Zukunft eine große poli­ti­sche Bedeu­tung haben wird. Das ist auch der Gedanke, der uns antreibt und der Grund, weshalb wir so viel Energie und Zeit rein­ste­cken. Da wir unzu­frieden sind, wie andere Parteien Politik betreiben und wie sie beispiels­weise die euro­päi­sche Inte­gra­tion vernach­läs­sigen, wollen wir es besser machen. Wir arbeiten gemeinsam an etwas Größerem als uns selbst. Wir wollen die Euro­päi­sche Union moder­ni­sieren, wir wollen sie voran­bringen und wir wollen sie fit für das 21. Jahr­hun­dert machen. Für mich ist es ein großer Moti­vator, Teil von etwas zu sein, das größer ist als man selbst. Ich möchte Teil der Zukunft sein.

Was bewirken Kleinst­par­teien aktiv, wenn sie es nicht über die 5% Hürde schaffen?

Klein­par­teien können viel über die Bewe­gung errei­chen. Die ÖDP hat in Bayern zum Beispiel ein sehr starkes Volks­be­gehren für den Bienen­schutz auf den Weg gebracht. Volt hat im Rahmen von Europe cares” allein in Stutt­gart zwei LKW-Ladungen voller Hilfs­güter für Moria gesam­melt. So kann man in kurzer Zeit etwas bewirken, auch ohne Mandate. Klein­par­teien agieren oft als Partei und als Bewe­gung. Gleich­zeitig beein­flussen wir auch die Parla­ments­struk­turen, wie Parla­mente aufge­baut sind, welche Themen behan­delt werden. In regio­nalen Wahl­kämpfen fällt es auf, dass teil­weise unsere Sprüche und Themen über­nommen werden, weil andere Parteien durchaus auch in Kleinst­par­teien Konkur­renz sehen. Wir können also Themen setzen und die werden dann von anderen Parteien aufge­griffen und umge­setzt. Natür­lich würden wir sie lieber selbst umsetzen, aber der poli­ti­sche Einfluss ist so auf jeden Fall spürbar.

Wie sieht gute Politik für junge Menschen aus?

Junge Menschen” ist ein sehr weiter Begriff. Grund­sätz­lich spielt Trans­pa­renz aber eine wich­tige Rolle. Oft ist bei Entschei­dungen nicht nach­voll­ziehbar, warum und von wem diese getroffen wurden. Da muss deut­lich trans­pa­renter gear­beitet werden. Viele Entschei­dungen könnten zum Beispiel in Video­form nochmal aufge­ar­beitet werden, um mehr Trans­pa­renz für junge Menschen zu schaffen. Ein aktu­elles Beispiel aus der Union ist das viel disku­tierte Lobby­re­gister: Es muss klar nach­voll­ziehbar sein, welches Unter­nehmen welchen Einfluss auf welches Gesetz genommen hat. 

Was ist deine Zukunfts­vi­sion?

Ein soziales, CO2-freies, vereintes Europa. Das ist meine Zukunfts­vi­sion, die hoffent­lich bald eintritt und das ist auch der Grund, weshalb ich jede Woche 50 Stunden in meine Volt-Arbeit stecke.


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