Werden auch wir einmal unsere Heimat verlassen müssen?

Datum
25. Juli 2016
Autor*in
Johann Stephanowitz
Redaktion
politikorange
Thema
#JMWS16
Dirk Saam

Dirk Saam

Dirk Saam, Koordinator des Bangladesch-Forums in Berlin, Foto: Johann Stephanowitz

Nicht nur aufgrund von Kriegen und Verfol­gung müssen Menschen ihre Heimat verlassen. Auch das Klima, ausblei­bende Regen­fälle, Über­schwem­mungen und Natur­ka­ta­stro­phen zwingen Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen. Und daran sind wir selbst schuld, schluss­fol­gert Johann Stepha­no­witz.

Ein Meter klingt nicht viel – kann aber viel bedeuten. Wenn der Meeres­spiegel um einen Meter steigt, wird ein Viertel der Landes­fläche von Bangla­desch unter­gehen. Schon heute hat das Land in Südasien mit Ernte­aus­fällen durch unre­gel­mä­ßige Regen­zeiten, extreme Wirbel­stürmen und der zuneh­menden Versal­zung des Ganges­delta durch den Anstieg des Meeres­spie­gels zu kämpfen. Ein Groß­teil der Bevöl­ke­rung in Bangla­desch lebt von der Land­wirt­schaft. Und wenn diese Einkom­mens­quelle versiegt, weil die Ernte verloren geht, dann ist das drama­tisch“, sa Dirk Saam, Koor­di­nator des Bangla­desch-Forums in Berlin. Bangla­desch ist ein durch Migra­tion geprägtes Land. Der Klima­wandel verstärkt diese. Immer mehr Menschen müssen in die Slums der Groß­städte ziehen, weil ihre Dörfer wegge­schwemmt werden oder ihre Felder keine Erträge mehr abwerfen.

Klima­mi­gra­tion – Ein globales Phänomen

Nicht nur in Bangla­desch müssen Menschen aufgrund des Klimas ihre Heimat verlassen – klima­be­dingte Migra­tion ist ein globales Phänomen. In west­afri­ka­ni­schen Staaten wie Senegal oder Mali sind die Menschen von Dürren betroffen, und Südsee­staaten wie Tuvalu oder Fitschi werden in wenigen Jahr­zehnten unter der Meeres­ober­fläche verschwunden sein. Doch warum bekommt man davon so wenig mit? Zum einen liegt das daran, dass der Begriff Klima­flücht­ling“ bei vielen Migra­ti­ons­for­schern höchst umstritten ist. Ich wundere mich über die Konjunktur des Begriffs“, meint Carsten Felgen­treff, der am Institut für Geogra­phie der Univer­sität Osna­brück tätig ist. Doch der Zusam­men­hang, dass mehr Klima­wandel mehr Migra­tion bedeutet, scheint vielen unglaub­lich plau­sibel.“ Doch das Thema ist komplexer. Die Zahl der Geflüch­teten ist ein schlechter Mess­faktor für das Fort­schreiten des Klima­wan­dels“, betont auch Benjamin Schraven vom Deut­schen Institut für Entwick­lungs­po­litik. Denn defi­niert man einen Klein­bauern aus dem Senegal, der aufgrund einer Dürre auswan­dert als Klima- oder als Wirt­schafts­mi­grant? Eine einheit­liche Defi­ni­tion exis­tiert bis heute nicht und das macht nicht nur verläss­liche Angaben über die tatsäch­liche Zahl an Klima­flücht­lingen schwierig, sondern auch die Aner­ken­nung dieser Geflüch­teten. Denn als asyl­be­rech­tigt gilt nur, auf wen die Genfer Flücht­lings­kon­ven­tion von 1951 zutrifft. Und diese defi­niert Verfol­gung und mili­tä­ri­sche Konflikte als Flucht­ur­sa­chen.

Wir müssen unser eigenes Konsum­ver­halten ändern

Eine Lösung wäre es, eine eigene Konven­tion zu schaffen, die den Klima­wandel als Flucht­ur­sache aner­kennt. Doch dazu wird es aufgrund der aktu­ellen poli­ti­schen Lage, in der sich die Staaten Europas eher gegen Flücht­linge abschotten, als Flucht­ur­sa­chen zu bekämpfen, nicht kommen. Das Umfeld, um Schutz­lü­cken zu schließen, ist im Moment denkbar schlecht, deshalb ist es wichtig, bila­te­rale und lokale Initia­tiven zu unter­stützen“, sagt Benjamin Schraven. Noch wich­tiger ist, die Flucht an sich zu begrenzen, indem man Unter­stüt­zung vor Ort leistet. Auf Bangla­desch bezogen heißt das, dass man inter­na­tio­nale Fonds einsetzt, um mit den Menschen vor Ort neue salz­re­sis­ten­tere Reis­sorten einzu­führen und beim Hausbau stabi­lere Bauma­te­ria­lien zu nutzen. Wichtig dabei ist, dass die lokale Bevöl­ke­rung und deren Tradi­tionen einbe­zogen werden und die Gelder auch bei denen ankommen, die sie benö­tigen. Dirk Saam weist hier auf die immer noch hohe Korrup­ti­ons­rate in Bangla­desch hin. Doch letzt­end­lich sind wir es, die ihren Lebens­stil ändern müssen, damit Menschen nicht mehr aufgrund des Klimas ihre Heimat verlassen müssen. Denn das ist das Zyni­sche am Klima­wandel: Die Staaten, die am wenigsten verant­wort­lich sind, sind am stärksten betroffen. Das im letzten Jahr beschlos­sene Abkommen von Paris schafft hier eine gute Grund­lage, doch Papier ist geduldig. Wenn wir weiterhin einen derartig ressour­cen­ver­schwen­denden Lebens­stil führen und die Treib­hau­sem­mis­sionen nicht dros­seln, werden auch wir irgend­wann fliehen müssen. Es liegt also in unserem Inter­esse, den Klima­wandel aufzu­halten.


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