Wenn Prin­zes­sinnen plötz­lich Bärte hätten

Datum
27. November 2016
Autor*in
Christina Braun
Redaktion
politikorange
Thema
#up2youth 2016

Warum einen Unter­schied zwischen Männern und Frauen machen? Die Gender­päd­agogin Stephanie Weber räumt im Work­shop mit Geschlech­ter­rollen auf und zeigt, wie man sich ganz nebenbei von der Kate­gorie Geschlecht frei machen kann. 

Stellt euch eine Frau vor, die stark, rational und aktiv ist. Wie würde sie aussehen?“, fragt Stephanie Weber, Gender­päd­agogin und Sozi­al­ar­bei­terin in Köln. Sie bittet die Teil­neh­menden des Work­shops Viel­falt in der Praxis – Gender­kon­struk­tion, Stereo­typen und Anti­dis­kri­mi­nie­rungs­ar­beit“ die Augen zu schließen und sich genau so eine Frau vorzu­stellen. Und jetzt einen Mann, der tech­nisch unbe­gabt, mütter­lich und sozial ist.“ Die Teil­neh­menden kichern leise. Männer und Frauen werden mit Attri­buten beschrieben, die nicht wirk­lich zu passen scheinen.

Weber will den Teil­neh­menden in ihrem Work­shop vermit­teln, dass sehr geschlechts­spe­zi­fi­sche Stereo­typen unsere Wahr­neh­mung beein­flussen. Dafür fragt die Gender­päd­agogin nach: Was ist für euch typisch weib­lich, was typisch männ­lich? Bei der Kate­gorie Frau fallen Adjek­tive wie emotional, sensibel und schwach. Männer werden dagegen als stark, domi­nant und rational beschrieben. Was ins Auge sticht: Die Begriffe bilden oft Gegen­satz­paare: starke Männer, schwache Frauen. Viele Begriffe meinen auch dasselbe. Mütter­lich und beschüt­zend sind beides Worte, die das Gleiche ausdrü­cken – nur auf eine andere Weise“, erklärt Weber.

Geschlecht wird gemacht

Der Work­shop der Gender­päd­agogin stützt sich auf Erkennt­nisse aus den Geistes- und Sozi­al­wis­sen­schaften: Wir alle stellen Geschlecht jeden Tag in unserem alltäg­li­chen Handeln her. Spätes­tens seit der These der ameri­ka­ni­schen Philo­so­phin Judith Butler scheint klar: Geschlecht wird gesell­schaft­lich herge­stellt. Jeder und jede macht demnach Geschlecht – und das jeden Tag.

Schon lange setzt sich die Gender­päd­agogin für Aware­ness und Anti­dis­kri­mi­nie­rung ein – unter anderem als LGBTI*Q‑Aufklärungsaktivistin. Außerdem gibt sie dekon­struk­ti­vis­ti­sche Gender­work­shops. Dabei lässt sie Frauen für ein Wochen­ende in die Rolle eines Mannes schlüpfen. Frauen bekommen einen aufge­malten Bart und mit Watte ausge­stopfte Kondome – für die Penis­per­for­mance“. Wer kennt­lich seine gesell­schaft­liche Geschlech­ter­rolle verlässt, fällt auf und erntet oft irri­tierte Blicke“, sagt Weber.

Wenn Frauen zu Männern werden

Wie sich das mit dem Rollen­tausch anfühlt, sollen die Teil­neh­menden gleich im Anschluss selber auspro­bieren. Zuerst wie die Klischee-Frau sitzen, dann die Hände schüt­teln und am Ende spre­chen: Beine werden über­schlagen, es wird gelä­chelt, die Hüfte betont. Danach sollen die Teil­neh­me­rinnen in die Rolle eines Mannes schlüpfen. Das ist für manche gar nicht so einfach. Trotzdem entsteht gleich ein ganz anderes Bild: Die Sitz­po­si­tion ist breit­beinig, die Haltung domi­nanter. 

Geschlecht bildet eine ordnungs­stif­tende Iden­ti­täts­ka­te­gorie, die uns Sicher­heit vermit­telt. Wenn wir durch die Stadt laufen und die Leute anschauen, die uns entge­gen­kommen, wissen wir gleich: Das ist ein Mann oder das ist eine Frau!“, erklärt Weber. Weil es die spezi­fi­schen Geschlech­ter­rollen in der Gesell­schaft gibt, warten wir auf eine bestimmte Erwar­tung an das Aussehen und das Verhalten von Männern und Frauen, so die Gender­päd­agogin. Das Problem sei dabei, dass Frauen aufgrund der ihnen zuge­schrie­benen Geschlechts­ka­te­gorie diskri­mi­niert würden.

To be a prin­cess is to always look your best“

Wie das in der Praxis aussieht, könne man schon bei Disney­filmen beob­achten. Die weib­li­chen Figuren vermit­teln das Bild der Klischee-Frau. Schnee­witt­chen, die die Haus­ar­beit für die sieben Zwerge erle­digt, zeigt: Frauen gehören vor den Herd und hinter den Putz­eimer. Ariel muss einfach nur schön sein, auch wenn sie dafür ihre Stimme verliert. Was die Darstel­lung in den Medien angeht, erscheint es mir, als wären Frauen eher unter­re­prä­sen­tiert“, folgert die Gender­päd­agogin.

Manche der Teil­neh­menden sehen das aber schon als eine Über­in­ter­pre­ta­tion. Männer sind halt häufig stärker als Mädchen – schon rein biolo­gisch“, sagt eine der Teil­neh­me­rinnen. Weber, die eine Ausbil­dung als Fitness­trai­nerin absol­viert hat, weiß: „ Die Biologie hilft oft dabei, gesell­schaft­liche Kate­go­rien zu repro­du­zieren. Männer sind deshalb nicht gene­rell stärker als Frauen.“ Auch die Tatsache, dass Frauen Kinder kriegen können und Männer nicht, mache sie nicht zu unter­schied­li­chen Menschen. Für Weber hat das nichts mit dem Wesen zu tun.

Stephanie Webers Botschaft: Wir müssen Gender in unserer alltäg­li­chen Praxis dekon­stru­ieren.“ Wie das gehen soll: Männer müssen sich mehr für die Rechte von Frauen einsetzen. Und Frauen müssen auch mal mehr Raum einnehmen.“


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