Welt­frieden – nur eine Utopie?

Datum
16. November 2018
Autor*in
Vincent Kretschmer
Redaktion
politikorange
Thema
#YouthforPeace2018
Ein Graffiti gegen Krieg.

Ein Graffiti gegen Krieg.

Welt­weiter Frieden nach Thomas Morus oder globaler Dauer­krieg à la George Orwell? Welches Szenario scheint momentan realis­ti­scher zu sein? Die Youth for Peace“-Konferenz bringt unseren Autor Vincent Kret­schmer zum Nach­denken über den Frieden.

Das Jahr 2017 gilt als eines der gewalt­samsten Jahre seit dem Kalten Krieg, und alle zwei Sekunden muss eine Person vor Krieg und Terror fliehen. Das wirft schnell die Frage auf: Ist die Utopie vom Welt­frieden in noch weitere Ferne gerückt? Zunächst müssen wir fest­stellen, dass wir in einer sehr privi­le­gierten Posi­tion sind. Wer 1870 in Deutsch­land geboren wurde und mindes­tens 70 Jahre alt wurde, der erlebte drei Kriege mit. Wer heute dieses Alter erreicht hat, musste keinen Krieg, wohl aber dessen Konse­quenzen, spüren. Es lässt sich fest­stellen, dass der Frieden, den wir zumin­dest inner­halb Europas genießen dürfen, einen histo­ri­schen Ausnah­me­zu­stand darstellt. Die ersten Kriege entstanden mit der Sess­haft­wer­dung und damit mit der Inbe­sitz­nahme von größeren Land­stü­cken, so der Archäo­loge Harald Meller. Seitdem scheinen Kriege eine große Rolle in der Mensch­heits­ge­schichte gespielt zu haben, was wir nicht zuletzt an der jüngsten Geschichte Europas bemerken – beide Welt­kriege haben unser heutiges Zusam­men­leben essen­ziell geprägt. So wäre die EU ohne diese histo­ri­schen Entwick­lungen kaum denkbar gewesen. Schnell trifft man auch auf die umstrit­tene These des briti­schen Histo­ri­kers Ian Morris, dass durch die Kriege die Welt immer sicherer werde und der Fort­schritt voran­ge­trieben werde. Dies liege daran, dass erst durch Kriege große Gesell­schaften, wie wir sie heute kennen, entstanden seien, in welchen ein fried­li­ches Zusam­men­leben möglich ist. Auch tech­ni­sche Inno­va­tionen sind maßgeb­lich von Kriegen beein­flusst – man denke nur an das Space Race“ zwischen den USA und der Sowjet­union . Auf die Frage nach einer Welt, in der es niemals Krieg gegeben hätte, antwor­tete er: Es gäbe vermut­lich ein paar Millionen Menschen auf der Welt. Wie in Jäger- und Samm­ler­ge­mein­schaften würden wir ständig von Ort zu Ort wandern, mit einer sehr nied­rigen Lebens­er­war­tung.“
Friedenstauben Johannes Kolb

Friedenstauben-Graffiti an der Berliner Mauer, Foto: Johannes Kolb

Ist Welt­frieden über­haupt möglich? Homo homini lupus“ – der Mensch ist des Menschen Wolf, sagte Thomas Hobbes. Das sugge­riert schon, dass zwischen­mensch­li­cher Frieden nicht als Normal­zu­stand ange­sehen werden kann, sondern erst herge­stellt werden muss. Ansonsten herr­sche ein Krieg aller gegen alle. Thomas Elbert, Professor für Neuro­psy­cho­logie an der Univer­sität Konstanz, malt ein ähnlich schwarzes Bild: Ich bin über­zeugt, dass der Mensch darauf ausge­legt ist, Gewalt auszu­üben. Menschen können Menschen töten, und in primi­tiven Kulturen tun sie das auch.“ Dies komme vom Jagd­trieb, der bereits vor zwei Millionen Jahren entwi­ckelt wurde und nur mittels zivi­li­sa­to­ri­scher Errun­gen­schaften unter­drückt werden könne. Es ist schwer beur­teilbar, ob es sich hierbei nur um ein über­trieben pessi­mis­ti­sches Menschen­bild oder eine realis­ti­sche Einschät­zung handelt. Das hängt auch mit den persön­li­chen Erfah­rungen zusammen. Wer in Konflikt­län­dern wie Syrien lebt, und selbst die Gräu­el­taten erfährt, die man hier nur in der Zeitung liest, hat darauf sicher­lich einen anderen Blick. Was wird heute für den Welt­frieden getan? Erst vor ein paar Tagen stellte Angela Merkel sich hinter den Vorschlag von Emma­nuel Macron, dem Präsi­denten Frank­reichs, eine euro­päi­sche Armee zu schaffen, die den Frieden sichern solle. So sagte sie selbst: Eine gemein­same euro­päi­sche Armee würde der Welt zeigen, dass es zwischen den euro­päi­schen Ländern nie wieder Krieg gibt.“ Bisher liegen aller­dings keine konkreten Pläne zur Umset­zung vor. Die Vereinten Nationen mit ihren 193 Mitglieds­staaten sehen sich dem Ideal des Welt­frie­dens verpflichtet und verspre­chen schon in der Präambel der UN-Charta, ihre Kräfte zu vereinen, um den Welt­frieden und die inter­na­tio­nale Sicher­heit zu wahren“ – auch wenn das in der Realität manchmal anders aussieht. Schon, dass der Syrien-Krieg ohne UN-Mandat beschlossen wurde, zeigt das. Dennoch gibt es Grenzen beim Enga­ge­ment für den Frieden. Den Atom­waf­fen­ver­bots­ver­trag, der von der Inter­na­tio­nalen Kampagne zur Abschaf­fung von Atom­waffen (ICAN) gefor­dert wird, unter­stützen weder Frank­reich, das selbst ein Nukle­ar­waf­fen­pro­gramm besitzt, noch Deutsch­land. Kritiker, darunter die Atom­mächte USA, Russ­land und China, behaupten, dass gerade dadurch Frieden erhalten werde. So haben Atom­waffen eine enorme Abschre­ckungs­kraft, sodass eine viel höhere Hemm­schwelle vor einem Kriegs­be­ginn steht. Ob Welt­frieden eine Utopie ist oder nicht, spielt letzt­end­lich keine große Rolle. Eine fried­fer­ti­gere Welt sollte in beiden Fällen unser Ziel sein. Dieses scheint jedoch noch ein weiter Weg zu sein, gerade ange­sichts der wieder zuneh­menden Zahl von Konflikten auf dem Globus. Außerdem heißt Frieden schließ­lich auch sozialer Frieden. Global gesehen ist dieser in weiter Ferne gerückt, was zahl­reiche Studien zeigen. Von einer Vertei­lungs­ge­rech­tig­keit, welche Basis für sozialen Frieden ist, sind wir also noch weit entfernt. Momentan scheint sowohl Orwells Schre­ckens­bild als auch Morus‘ von Grund aus fried­liche Welt noch weit entfernt. Doch viel­leicht ist das Nach­denken über den Welt­frieden, wie es auf der inter­na­tio­nalen Jugend­be­ge­gung Youth for Peace“ geschieht, ein Anfang, die Welt in die rich­tige Rich­tung zu bewegen.

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