Welchen Einfluss hatten die Jugend­Po­li­tik­Tage auf die Jugend­stra­tegie?

Datum
09. Dezember 2019
Autor*in
Jonas Bär
Redaktion
politikorange
Thema
#Jugendstrategie19
JPT Doku und Jugendstrategie

JPT Doku und Jugendstrategie

Sascha Kemper

Im Mai trafen sich 450 junge Menschen im Rahmen der Jugend­Po­li­tik­Tage auf dem Washing­ton­platz in Berlin und gaben der Bundes­re­gie­rung Empfeh­lungen für deren Jugend­stra­tegie mit auf den Weg. Jonas Bär hat ausführ­lich analy­siert, was die Minis­te­rien daraus gemacht haben.

Wenn ständig von Renten­re­form und Senkung des Renten­al­ters gespro­chen wird, kommt schon die Frage auf, wann etwas für Leute unter 30 getan wird. Dabei sind doch immerhin 17 Prozent der in Deutsch­land lebenden Menschen Jugend­liche oder junge Erwach­sene.

Anfang Dezember kam die Antwort: Das Manu­skript, das Bundes­kanz­lerin Angela Merkel und Jugend­mi­nis­terin Fran­ziska Giffey präsen­tierten, zählt stolze 160 Seiten und 163 Hand­lungs­maß­nahmen, aufge­teilt auf neun Hand­lungs­felder. Einige Empfeh­lungen der Jugend­Po­li­tik­Tage haben es in die vorge­stellte Jugend­stra­tegie der Bundes­re­gie­rung geschafft oder haben zumin­dest ihre Spuren hinter­lassen haben. In welchem Maße unter­scheidet sich jedoch von Hand­lungs­feld zu Hand­lungs­feld gravie­rend und lässt den Eindruck entstehen, dass das ein oder andere Minis­te­rium der Jugend mehr zu gesteht als das andere.

Mehr ÖPNV und sozialer Wohn­raum

Städte und Dörfer war eins der vier Themen- und Hand­lungs­felder der Jugend­Po­li­tik­Tage. Beson­ders wichtig war den jungen Menschen, dass die Wahl des Wohn­raums nicht von infra­struk­tu­rellen, finan­zi­ellen oder sons­tigen Faktoren abhängig ist. Konkret vorge­schlagen wurde eine Förde­rung sozialen und inklu­siven Wohnungs­baus, die Einbin­dung von Jugend­li­chen in die Gestal­tung öffent­li­chen Raumes, sowie mehr Inves­ti­tionen in den öffent­li­chem Nahver­kehr und eine Förde­rung von Bike- und Carsha­ring-Ange­boten.

Laut Jugend­stra­tegie will das Fami­lien- und Jugend­mi­nis­te­rium sozialen Wohnungsbau in den nächsten zwei Jahren mit je einer Milli­arde Euro fördern. Modell­haft sollen Ridesha­ring-Projekte im länd­li­chen Raum getestet werden. Im Förder­pro­gramm soziale Stadt“ werden Jugend­liche bei der Planung von öffent­li­chem Raum mitwirken. Recht vage heißt es außerdem noch, die Schnitt­stelle zwischen öffent­li­chen Verkehrs­mit­teln solle opti­miert werden.

Die im selben Atemzug vorge­schla­gene Förde­rung alter­na­tiver Wohn­formen wie zum Beispiel Genos­sen­schaften, findet sich dagegen nicht in der Jugend­stra­tegie. Genauso wenig Hinblicke auf ein Kosten­lose Nahver­kehrs­ti­ckets für Jugend­liche.

Bildung bleibt Länder­sache

Im Hand­lungs­feld Bildung und Arbeit haben die Teil­neh­menden der Jugend­Po­li­tik­Tage ihren Wunsch nach einer bundes­weiten Verein­heit­li­chung des Bildungs­sys­tems fest­ge­schrieben. Ein tatsäch­li­cher Eingriff in das Schul­sys­tems steht jedoch nicht auf der Agenda der Bundes­re­gie­rung.

So wird auch den folgenden Empfeh­lungen nicht nach­ge­gangen: Unter­richt in poli­ti­scher Bildung ab der fünften Klasse, regel­mä­ßige Über­prü­fung des Schul­ge­bäudes und ein jähr­li­cher Anti­ras­sismus-Tag an der Schule. Viel­mehr will sich die Bundes­re­gie­rung auf einen besseren Über­gang von Schule zu Ausbil­dung oder Hoch­schule konzen­trieren. Dieser wird mit vielen Maßnahmen geför­dert – auf den Jugend­Po­li­tik­Tagen wurde er jedoch nicht bespro­chen.

In Sachen Arbeits­recht sieht die Jugend­stra­tegie auch keine gravie­renden Ände­rungen vor. Nach einer Erhö­hung des Mindest­lohns, dessen Einfüh­rung für Jugend­liche, oder der Vorschrift zur Nutzung einer anony­mi­sierten Bewer­bungs­vor­lage sucht man in der Jugend­stra­tegie jeden­falls vergeb­lich.

Neuland Internet

Die 450 Teil­neh­menden der Jugend­Po­li­tik­Tage sind alle im Zeit­alter des Inter­nets und der Digi­ta­li­sie­rung aufge­wachsen. In vielen Berei­chen findet man daher auch den Wunsch nach trans­pa­renten, digi­talen Über­sichten für bestehende Struk­turen oder einer Einbin­dung des Inter­nets. Auch die Bundes­re­gie­rung sieht die Notwen­dig­keit zur Moder­ni­sie­rung vieler Lebens­be­reiche durch eine Einbin­dung des Inter­nets. Viele der Modell- und Förder­pro­jekte werden daher ihre eigene Inter­net­prä­senz haben.

Um den Jugend­me­di­en­schutz zu verbes­sern, werden von Seiten des Bundes­ju­gend­mi­nis­te­riums Studien zur Digi­tal­kom­pe­tenz durch­ge­führt und ein neuer Rechts­rahmen geschaffen. Eine Daten­ethi­kom­mis­sion könnte außerdem bald zur Entwick­lung neuer Werte im Internet beitragen. Ob das alles reicht um die Privat­sphäre im Internet zu sichern, oder ob eine Daten­lö­schungs­pflicht, wie sich das die Teil­neh­menden der Jugend­Po­li­tik­Tage sich vorge­stellt hatten, besser gewesen wäre, wird sich in Zukunft zeigen.

Nicht alle Forde­rungen der Jugend­li­chen zum Thema Digi­ta­li­sie­rung wurden aufge­nommen. Eine euro­päi­sche Digi­tal­union wird in der Jugend­stra­tegie jeden­falls nicht ausge­rufen. Dafür wird es eine deutsch-fran­zö­si­sche Platt­form im Internet geben auf der sich ausge­tauscht werden kann. Über­haupt ist der Abschnitt Europa in der Jugend­stra­tegie aller­dings recht kurz ausge­fallen.

Im Mai hatte man sich ganz klar für eine gemein­same euro­päi­sche Migra­ti­ons­po­litik ausge­spro­chen. Zu diesem, auch bei der Vorstel­lung der Jugend­stra­tegie, oft disku­tierten Thema gibt es aller­dings keine neuen Maßnahmen. Eine weitere Idee erschienen den Teil­neh­menden euro­päi­sche Tandem-Part­ner­städte, die aktiv Schüler- und Schü­le­rin­nen­aus­tausch betreiben. Etwas in der Art wird mit einem Deutsch-Grie­chi­schen Jugend­werk kommen, das Leipzig und Thes­sa­lo­niki verbinden soll.

Topthema Klima 

Im Themen­feld Umwelt und Gesund­heit haben die Teil­neh­menden der Jugend­Po­li­tik­Tage viele konkrete Klima­ziele und Ansätze zum Umwelt­schutz formu­liert. Unter anderem fordern sie einen Stop des Exports von Elek­tro­schrott, Senkung des entste­henden Ener­gie­ver­brauchs durch Digi­ta­li­sie­rung oder kosten­losen Nahver­kehr bis 2025. Die Maßnahmen zum Themen­feld Umwelt in der Jugend­stra­tegie greifen diese ausdrück­li­chen Pläne nicht auf. Viel­mehr wird hier finan­zi­elle allge­meine Projekt­för­de­rung ange­kün­digt. Außerdem soll die Jugend in Zukunft in viele Prozesse des Umwelt­mi­nis­te­riums einge­bunden werden.

Auch das Fahrrad fahren erschien den jungen Menschen auf den Jugend­Po­li­tik­Tagen eine gute Option, um aktiv etwas gegen den Klima­wandel zu tun. Dementspre­chend gab es die Empfeh­lung an die Bundes­re­gie­rung, Radfahren attrak­tiver zu gestalten. Das Verkehrs­mi­nis­te­rium nennt nun Maßnahmen, um die Sicher­heit auf der Straße für Radfah­rende zu stei­gern.

Das wird in der Jugend­stra­tegie nicht direkt mit Umwelt­schutz in Verbin­dung gestellt, greift aber defi­nitiv den grund­sätz­li­chen Wunsch auf, die Beliebt­heit des Radfah­rens zu stei­gern. So sollen beispiels­weise Fahr­rad­zonen einge­führt werden, in denen ein Über­hol­verbot von Radfah­renden herrscht. Außerdem ist von einem Halte­verbot auf Fahr­rad­streifen und einem gene­rellen Mindest­über­hol­ab­stand die Rede.

Ein Projekt namens StatusRad soll zudem das Ziel verfolgen Jugend­li­chen das Fahrrad als Status­symbol zu vermit­teln.

Jugend­be­tei­li­gung verbes­sern – aber wie?

Ein großes Anliegen der Teil­neh­menden der Jugend­Po­li­tik­Tage im Themen­feld Zusam­men­leben und Demo­kratie war die Siche­rung effi­zi­enter und regel­mä­ßiger Jugend­be­tei­li­gung. Der Wunsch zur Absen­kung des Wahl­al­ters auf 14 wurde hier von der Jugend­stra­tegie nicht erhört. Die Forde­rung einer trans­pa­renten Einsicht der Ergeb­nisse von Jugend­kon­fe­renzen soll dafür in der Seite jugend​ge​recht​.de ihre Umset­zung finden.

Ein weiterer im Mai fest­ge­schrie­bener Vorschlag war der Anspruch auf einen festen jungen Platz“ in den Kommu­nal­par­la­menten für Dele­gierte aus den Jugend­gre­mien. Nun steht fest, dass die Bundes­re­gie­rung zwar Jugend­par­la­mente fördern will, eine solche Rege­lung sich aller­dings nicht in den geplanten Maßnahmen der Bundes­re­gie­rung wieder­findet.

Deut­lich bemerkbar durch über­durch­schnitt­lich viele Projekte zur Stär­kung der Jugend­be­tei­li­gung macht sich das Umwelt­mi­nis­te­rium (BMU). Als einzige Regie­rungs­be­hörde möchte das BMU die Jugend in rele­vanten Entschei­dungen betei­ligen. Plan­spiele und Empower­ment-Formate sollen fort­ge­führt werden. Außerdem soll die BMU-Jugend­studie zu Umwelt und Klimathemen Anfang 2020 und von dort an regel­mäßig erscheinen. Eine weitere Idee der Jugend­Po­li­tik­Tage war es, dass ab einer bestimmten Anzahl von Teil­neh­menden bei einer Demons­tra­tion, das Thema dieser Demo im Bundestag disku­tiert werden muss; das kommt auch nicht.


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