Von der Oppo­si­tion zur Welt­re­vo­lu­tion?

Datum
26. Februar 2020
Autor*in
Alexa Vaagt
Redaktion
politikorange
Themen
#HHWahl20 #Wahlen
Die_Linke

Die_Linke

Mit 9,1 Prozent ist die Partei Die Linke“ in Hamburg stärker geworden. Ihr Ziel war weiterhin eine starke Oppo­si­tion in der Hambur­gi­schen Bürger­schaft zu konsti­tu­ieren. poli­ti­ko­range-Autorin Alexa Vaagt hat die Mitglieder und Kandi­die­renden der Linken gefragt […]

Mit 9,1 Prozent ist die Partei Die Linke“ in Hamburg stärker geworden. Ihr Ziel war weiterhin eine starke Oppo­si­tion in der Hambur­gi­schen Bürger­schaft zu konsti­tu­ieren. poli­ti­ko­range-Autorin Alexa Vaagt hat die Mitglieder und Kandi­die­renden der Linken gefragt: Was halten sie von einer Regie­rungs­be­tei­li­gung – in der Hanse­stadt und auf Bundes­ebene?

Die Rolle der SPD in der Großen Koali­tion wird häufig kriti­siert. Die Sozi­al­de­mo­kraten würden bei der Zusam­men­ar­beit mit der Union ihre eigenen Posi­tionen verlieren und wären zu nach­giebig, heißt es von GroKo-Gegne­rinnen und Gegnern. Diese Debatte spaltet auch die eigene Partei in zwei Lager. Zu viele Kompro­misse würden zu einem Aufgeben ihrer sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Ausrich­tung führen. So ein Schicksal will die Linke in Hamburg vermeiden und posi­tio­niert sich klar: Sie will in die Oppo­si­tion.

Die Linke wird mit 9,1 Prozent voraus­sicht­lich zweit­stärkste Oppo­si­ti­ons­kraft

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Spitzenkandidatin Cansu ÖzdemirFoto: Jonas Gebauer

Ohne Anspruch auf Regie­rungs­be­tei­li­gung führen die Linken ihren Wahl­kampf – für ein soli­da­ri­sches Hamburg und soziale Gerech­tig­keit. Dabei stehen Themen wie der Mieten­de­ckel, der öffent­liche Nahver­kehr und eine soziale Klima­po­litik im Vorder­grund. Sie redet doch bestimmt von der Welt­re­vo­lu­tion“ witzelt ein Zuschauer im Medi­en­zen­trum über Cansu Özdemir, während sie kaum 30 Meter entfernt in einer Live-Runde des NDR am Wahl­abend spricht. Nein, von der Welt­re­vo­lu­tion war nicht die Rede, sondern von dem Wahl­er­gebnis der Linken, das mit 9,1 Prozent einen Zuwachs an Wählenden bedeutet. Aber auch die Erfolge der SPD und Grünen wurden bespro­chen, da bei einer rot-grünen Koali­tion die Regie­rung einen hohen Anteil der Bürger­schaft ausma­chen würde, was gleich­zeitig die Oppo­si­tion schwächt. Gerade deshalb hält die Landes­vor­sit­zende Olga Fritz­sche die Verant­wor­tung der Oppo­si­tion für außer­or­dent­lich groß.

Bishe­rige Erfolge in der Bürger­schaft

In einem Inter­view des NDR verwies die Spit­zen­kan­di­datin der Linken auf Erfolge ihrer Partei, die aus der Posi­tion der Oppo­si­tion zu verzeichnen sind. Darunter falle der Landes­min­dest­lohn und die Enquete-Kommis­sion für den Kinder­schutz. Am Wahl­abend betont sie die Nähe zu den Bürge­rinnen und Bürgern in Hamburg als Faktor für ihren Zuwachs an Wählenden. Die Zusam­men­ar­beit mit Initia­tiven bringe die Anliegen direkt in die Bürger­schaft, erklärt auch Keyvan Taheri, der für den Wahl­kreis Winter­hude-Eppen­dorf kandi­dierte. Deshalb sei die Partei eine Bewe­gungs­partei, die stand­fest bleiben muss. Kompro­misse sollen kein Aufgeben der eigenen Stand­punkte bedeuten. Stand­haf­tig­keit steht über Konsens­fä­hig­keit, dabei sind sich viele der Hamburger Partei­mit­glieder einig.

Regie­rungs­be­tei­li­gung auf Bundes­ebene vorstell­barer 

Auf gesamt­staat­li­cher Ebene steht eine Regie­rungs­be­tei­li­gung noch eher zur Debatte. Ende November letzten Jahres berichtet der SPIEGEL von Stimmen in der Links­partei, die für eine Regie­rungs­be­reit­schaft plädieren. Vor allem Katja Kipping übe Druck auf die Partei aus, welche sich auf die Möglich­keit einer Rot-Rot-Grünen, auch R2G genannten, Koali­tion vorbe­reiten soll. In der Hanse­stadt ist man sich größ­ten­teils einig, dass das Bündnis auf Bundes­ebene eine denk­ba­rere Option wäre.

Warum? Ulla Taha, Kandi­datin für den Wahl­kreis Süder­elbe, stellt einen Unter­schied in den Ausrich­tungen der Landes­par­teien fest. Die Bundes­partei der SPD hätte mit ihrem neuen Spit­zenduo ein State­ment gesetzt. Diese Diskre­panz lässt sich auch anhand der fehlenden Präsenz der Partei­vor­sit­zenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans im Hamburger Wahl­kampf demons­trieren. Diese seien zu links“ für die Sozi­al­de­mo­kraten der Hanse­stadt, erklärt Ali Haydar Mercan, Frak­ti­ons­vor­sit­zender der Linken in der Ahrens­burger Stadt­ver­samm­lung. Das ist auf Bundes­ebene dann mögli­cher­weise links genug“ für eine Koope­ra­tion.

Den Linken gehe es aber haupt­säch­lich um Inhalte und welche davon umsetzbar seien, das wird immer wieder unter­stri­chen. Demnach muss sowohl auf Bundes- als auch auf Länder­ebene auf die Durch­setz­bar­keit von Posi­tionen geschaut werden. Cansu Özdemir sieht da vor allem die Außen­po­litik der BRD als proble­ma­ti­schen Gegen­stand, der eine mögliche Eini­gung von SPD, Grünen und Linken verhin­dern könnte.

Das konse­quente Einsetzen für soziale Gerech­tig­keit wäre mit der SPD in Hamburg nicht möglich. Oben­drein hätten die Grünen in der Bürger­schaft ihre Posi­tionen auf Druck des Koali­ti­ons­part­ners aufge­weicht. Konkret benennt Taha dabei die Ableh­nung eines Antrags der Linken für 70 minder­jäh­rige Geflüch­tete aus den grie­chi­schen Lagern. Andere Mitglieder kriti­sieren zudem die Abschie­bungen nach Afgha­ni­stan aus dem Hamburger Stadt­staat, das auch von den Hamburger Grünen unter­zeichnet wurde.

Was sagt die SPD zu einem Bündnis?

Eine Koope­ra­tion der Linken mit einer beiden stärksten Parteien des Stadt­staats ist zu diesem Zeit­punkt ausge­schlossen. Da diese, wie schon in der letzten Legis­la­tur­pe­riode höchst­wahr­schein­lich wieder gemeinsam regieren werden, stellt sich diese Frage auch von Seite der anderen Parteien nicht. Gleich­zeitig gibt es inner­halb der Bundes­partei der SPD Stimmen für ein solches Bündnis auf gesamt­staat­li­cher Ebene, darunter der Regie­rende Bürger­meister Berlins Michael Müller. Nach Bericht des Tages­spie­gels sollen ihm zufolge soziale Themen gestärkt werden, wie es aktuell unter der R2G-Koali­tion in der Haupt­stadt zu beob­achten sei. Auch Karl Lauter­bach, stell­ver­tre­tender Vorsit­zender der SPD-Frak­tion im Bundestag spricht sich für das Bündnis aus, da man nur in dieser Konstel­la­tion bestimmte Ziele errei­chen könnte. Das scheint parallel eine Kritik über die lang­jäh­rige Koali­tion mit der Union zu sein. Dennoch gibt es, wie momentan bei mehreren Ange­le­gen­heiten, keine einheit­liche Meinung inner­halb der Partei.

Die Verant­wor­tung der Oppo­si­tion

Es bleibt span­nend, wie die Linke in Zukunft in der Hambur­gi­schen Bürger­schaft agieren kann. Eine Heraus­for­de­rung kann beispiels­weise die Beru­fung parla­men­ta­ri­scher Ausschüsse darstellen. Dafür wird ein bestimmter Anteil an Stimmen voraus­ge­setzt, erklärt die Landes­vor­sit­zende Olga Fritz­sche.

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Cansu Özdemir und Olga Fritzsche auf der Wahlparty Foto: Jilan Alsaho

Nach jetzigen Stand, in welchem SPD und Grüne zusammen regieren würden, teilt sich die Linke die Oppo­si­tion mit der CDU und der AfD – den zwei Parteien, die poli­tisch am weitesten von ihr entfernt sind. Mit der AfD wird jegliche Zusam­men­ar­beit ausge­schlossen. Über­ra­schen­der­weise gibt es mit den Christ­de­mo­kraten eine Gemein­sam­keit im Bereich öffent­li­cher Mobi­lität. Da plädieren beide Parteien für ein 365-Euro Ticket und den Bau einer Stra­ßen­bahn in der nord­deut­schen Groß­stadt.

Ob Rot-Rot-Grün im Bund eine Alter­na­tive darstellen könnte, wird sich bei der nächsten Bundes­tags­wahl zeigen. Aktuell hätte dieses Bündnis aber noch keine Mehr­heit, das hebt Cansu Özdemir hervor. Regieren will die Linke nicht des Regieren willens. Da scheinen sie Chris­tian Lind­ners Aussage nach Schei­tern der Jamaika-Verhand­lungen Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren“ zuzu­stimmen, auch wenn sie mit seiner Partei sonst nicht viel gemeinsam haben.


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