Super­wahl­jahr – aber mit dem falschen Pass

Datum
03. September 2024
Autor*in
Paulina Maerz
Redaktion
politikorange
Themen
#Wahlen #LTWS
Paulina_Symbolbild

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Die Land­tage in Sachsen und Thüringen setzen sich neu zusammen, doch viele Menschen hatten nie die Wahl. So auch Student Faez aus Afgha­ni­stan, der seit zwei Jahren in Deutsch­land lebt.

Zum dritten Mal dieses Jahr wurde in Sachsen gewählt. Nach den Kommunal- und Euro­pa­wahlen standen am 1. September die Land­tags­wahlen an. Während Politiker*innen und ehren­amt­liche Wahlhelfer*innen ange­strengt versuchten, Menschen von ihren jewei­ligen Posi­tionen zu über­zeugen und zum Wählen zu animieren, gab es einen großen Teil der Bevöl­ke­rung, der hierbei außen vor blieb – Menschen ohne deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit.

Laut dem Statis­ti­schen Bundesamt lebten im Dezember 2023 rund 330.000 Menschen ohne deut­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit in Sachsen. Das ist fast jeder Zwölfte. Im Gegen­satz zu Kommunal- und Euro­pa­wahlen sind bei Land­tags­wahlen auch Bürger*innen anderer EU-Mitglieds­staaten von der Wahl ausge­schlossen.

Manche haben in unserer Demo­kratie keine Stimme

Davon betroffen ist auch Faez. Er kam 2022 aus Afgha­ni­stan nach Deutsch­land und lebt nun in Leipzig. Wählen darf er hier nicht, obwohl Politik für ihn ein wich­tiger Teil seines sozialen Lebens ist: In einer Demo­kratie zu leben, bedeutet für mich, in einem System zu leben, das allen die Möglich­keit bietet, sich einbringen zu können, ohne Angst haben zu müssen, dafür verfolgt oder zu Unrecht verur­teilt zu werden.“

In Afgha­ni­stan habe er wählen dürfen, das sei aber eher symbo­lisch gewesen. Ich hatte kein Vertrauen in die Wahlen, sie haben nie etwas bewirkt. Sie waren für die Taliban die Möglich­keit, sich als Demo­kratie zu präsen­tieren, zumin­dest auf dem Papier.“

Die Ergeb­nisse der Land­tags­wahlen in Sachsen und Thüringen betrachte er mit Sorge. Ich habe Angst, dass Rechtsextremist*innen mehr Macht erhalten und so bestimmten Menschen Restrik­tionen aufer­legen können, die sich nicht in der Art wehren können, wie es deut­sche Staatsbürger*innen können.“

Es braucht poli­ti­schen Willen

Die säch­si­schen Linken wollten vergan­genes Jahr dafür sorgen, dass auch Menschen wie Faez wählen dürfen. Anläss­lich der Wahlen im Juni star­tete die Frak­tion im Landtag die Initia­tive Wahl­recht für alle. Dabei forderte sie ein Wahl­recht für alle Menschen, die seit mindes­tens zwei Jahren in der Bundes­re­pu­blik leben, sowohl auf kommu­naler als auch auf Landes­ebene.

Es geht darum, Staats­bür­ger­schaft von Wahl­recht zu entkop­peln“, erklärt Juliane Nagel, Land­tags­ab­ge­ord­nete der Linken und Mitin­itia­torin der Kampagne. In einer Einwan­de­rungs­ge­sell­schaft wie der deut­schen müsse man allen ermög­li­chen, an poli­ti­schen Entschei­dungen teil­zu­haben. Die Menschen haben ihren Lebens­mit­tel­punkt in Deutsch­land, zahlen Steuern und sind direkt von den poli­ti­schen Entschei­dungen hier betroffen.“

Orien­tiert habe man sich bei dem Antrag an anderen EU-Staaten wie Finn­land. Dort haben alle Menschen unab­hängig ihrer Staats­bür­ger­schaft das kommu­nale Wahl­recht, wenn sie dauer­haft in Finn­land leben.

Die CDU stellt sich quer

Doch der Antrag der Linken wurde im säch­si­schen Landtag abge­lehnt, weitere Pläne gibt es derzeit nicht. Die CDU spricht sich klar gegen ein Wahl­recht für alle in Deutsch­land aus, auch auf kommu­naler Ebene. Kommu­nal­wahlen sind keine Wahlen zweiter Klasse“, sagte etwa CDU-Bundes­tags­ab­ge­ord­neter André Berg­hegger im September vergan­genen Jahres. Es sollten sich alle Betei­ligten stärker für die Inte­gra­tion der hier lebenden Ausländer enga­gieren, damit ihre Inte­gra­tion in eine deut­sche Staats­bür­ger­schaft und dem damit verbun­denen Wahl­recht mündet.“

Fran­cesca Russo, Co-Vorsit­zende des Migran­tinnen- und Migran­ten­bei­rats Leipzig, sieht das kritisch. So einfach sei eine Einbür­ge­rung für viele Menschen nicht. Häufig fehlen die nötigen Doku­mente aus dem Ausland, oder andere Länder wollen nicht ausbür­gern.“ Büro­kra­ti­sche Probleme und lange Bear­bei­tungs­zeiten erschwerten den Prozess zusätz­lich.

Beiräte – ein erster Ansatz?

Migrant*innenbeiräte wie der in Leipzig sollen es Migrant*innen ermög­li­chen, sich poli­tisch zu betei­ligen. Dafür werden Migrant*innen in Entschei­dungen der Stadt­räte einbe­zogen, die sie beson­ders betreffen. Bisher gibt es solche Beiräte in Sachsen aber nur in Leipzig, Dresden, Zwickau und Chem­nitz. Das ist schade“, sagt Russo. Die Reprä­sen­tanz von Migrant*innen sei noch immer sehr gering. Es werden poli­ti­sche Entschei­dungen über den Kopf der Migran­tinnen und Migranten hinweg getroffen.“

Ein Wahl­recht auf kommu­naler Ebene auch für Nicht-EU-Bürger*innen hält Russo für einen Anfang. Natür­lich ist das ein langer Prozess. Aber ich denke, dass wir so die poli­ti­sche Parti­zi­pa­tion von Migrant*innen ermög­li­chen können.“

Student Faez kann sogar verstehen, dass er noch nicht wählen darf. Ich finde es verständ­lich, dass es eine gewisse Zeit braucht, um sich zu inte­grieren und die poli­ti­sche Situa­tion in einem Land kennen­zu­lernen“, sagt er. Aber ich denke auch, dass Menschen zumin­dest bei Diskus­sionen und Entschei­dungen, die sie betreffen, einbe­zogen werden sollten.“


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