Rudolf Müller: Wir sind nicht in der Posi­tion, etwas zuzu­lassen.“

Datum
08. September 2018
Autor*in
Jonas Gebauer
Redaktion
politikorange
Thema
#EPjugendforum 2019
Rudolf Müller

Rudolf Müller

Rudolf Müller während der Plenardebatte im Saar-Landtag. Foto: Jonas Gebauer

Rudolf Müller (67) ist seit 2017 einer von drei AfD-Abge­ord­neten im Landtag des Saar­landes. Poli­ti­siert wurde er mit zehn Jahren, als er mitbekam, wie DDR-Bürger die Grenze zur BRD über­querten. Wir nutzten die Chance, um mit ihm über Bildung, Jugend, Europa, Digi­ta­li­sie­rung und Klima­wandel zu spre­chen – Themen, zu denen der Abge­ord­nete nur selten grif­fige Antworten parat hatte.

Rudolf Müller

"Wir können uns auch ganz abschaffen", meint das Mitglied des Saar-Landtages, Rudolf Müller (AfD), zum Thema Klimawandel. Foto: Jonas Gebauer

Guten Tag Herr Müller! Sie kommen gerade aus der Debatte mit den Schü­le­rinnen und Schü­lern. Wie war das für Sie?

Ich mache das nicht zum ersten Mal. Wir haben hier eine Insti­tu­tion im Parla­ment, dass jede Woche ein oder zwei Schul­klassen aus dem Saar­land hier herkommen und dann auch mit vier Parla­men­ta­riern disku­tieren, sich über die Abläufe erkun­digen und daher war das jetzt nichts Neues für mich. Aber ich mache das immer gern, ich spreche immer gern mit jungen Leuten, weil da frische Ideen dabei sind, mit denen man sich wunderbar gesprächs­mäßig ausein­an­der­setzen kann.

Mal eine ganz andere Frage: Lesen Sie eine Zeitung oder haben Sie eine abon­niert, die Sie regel­mäßig lesen?

Ich habe mehrere Zeitungen abon­niert, ja natür­lich!

Verraten Sie mir welche?

Die Saar­brü­cker Zeitung, die Frank­furter Allge­meine Zeitung, die Junge Frei­heit, Tichys Einblick und Focus Money. Das sind die, die mir im Augen­blick einfallen.

In Ihren Land­tags­reden erwähnen Sie häufig die Saar­brü­cker Zeitung. Zurück­kommen möchte ich da auf einen Bericht vom 9. August diesen Jahres, da ging es auch um eine Veran­stal­tung mit jungen Menschen, mit denen es hitziger geworden sein soll. Laut Zitat der Zeitung haben Sie die jungen Menschen als verblendet von der links­grünen Lügen­presse“ bezeichnet. Jetzt sagten Sie gerade, es sei schön, frische Ideen von jungen Menschen zu bekommen – wie passt das zusammen, wenn Sie jungen Menschen so etwas vorwerfen? Ist das nicht eine Ausgren­zung? Funk­tio­niert unsere Demo­kratie nicht durch einen Plura­lismus an Meinungen?

Da muss ich Sie ausbremsen. Das ist schon einmal gerüch­te­weise trans­por­tiert worden, was da gesagt worden sei. Das war eine Veran­stal­tung vor den Ferien, an die ich mich schon kaum noch erin­nert habe und plötz­lich kam diese Nach­richt. An diese Veran­stal­tung erin­nere ich mich auch ganz gern. Es war im Anschluss an die Veran­stal­tung. Wenn man so weggeht, dann gibt es noch ein paar Worte hin und her. Da hat sich dann eine etwas heiße Diskus­sion ergeben, die ich auch gerne mitge­macht habe. Aber ich habe mit Sicher­heit niemanden belei­digt, da bin ich mir also ganz sicher. Was die links­grüne Lügen­presse betrifft, das ist ein Ausdruck, den ich ab und an mit voller Über­zeu­gung gebrauche.

Da habe ich mich auch gewun­dert, als ich mir Ihr Land­tags­wahl­pro­gramm ange­sehen habe. Da schreibt die AfD wört­lich, sie wolle die Landes­zen­trale für poli­ti­sche Bildung abschaffen, weil sie ein Hort einsei­tiger linker Agita­tion“ sei. 

Das ist so, genau!

Damit ich das nicht falsch verstehe: Demo­kratie besteht doch aus verschie­denen Meinungen – so mein Verständnis jeden­falls. Indem Sie so etwas von vorn­herein ausgrenzen, ist das nicht ein Bruch mit der Demo­kratie, den Sie da vornehmen?

Die Ausgren­zung ist beider­seitig. Wir haben gesagt, es ist ein Ort links­las­tiger Ideo­logie und das ist der Eindruck, der sich einem aufdrängt, wenn man gewisse Texte aus dieser Hexen­küche liest. Und inso­fern stehe ich natür­lich auch zu unserem Landes­pro­gramm.

Heute waren Sie Gast beim Euro­päi­schen Jugend­forum. Wie stehen Sie eigent­lich zur euro­päi­schen Idee und zur EU? Können Sie für ein starkes Europa und eine starke EU werben?

Europa und EU sind zwei­erlei. Da muss man schonmal argu­men­tativ sauber spre­chen. Die EU hat sich leider zu einem büro­kra­ti­schen Monster entwi­ckelt. Das war früher mal recht gut, aus der Über­le­gung heraus nach dem Zweiten Welt­krieg Europa muss sich vertragen in Zukunft“. Das war richtig, das war gut. Es wurde damals die Euro­päi­sche Wirt­schafts­ge­mein­schaft, die Euro­päi­sche Gemein­schaft für Kohle und Stahl gegründet. Das war eine grund­sätz­lich rich­tige und gute Über­le­gung. Auch was weiter gegangen ist, war grund­sätz­lich richtig gut. Es hat natür­lich aber auch hin und wieder einige Probleme geschaffen – in der Agrar­po­litik hat das zur Unter­ver­sor­gung von Lebens­mit­teln geführt. Aller­dings führte es auch zu ärger­li­chen Über­pro­duk­tionen. Das alles ist im Bezug auf Europa richtig gut und schön und auch die euro­päi­sche Währung, zu der man sich dann entschlossen hat. Ich muss sagen, ich war damals ein wenig skep­tisch. Aber ich habe mir nicht allzu viele Gedanken darum gemacht. Ich habe mich darauf verlassen, dass wesent­liche Dinge zu dieser euro­päi­schen Währung auch einge­halten werden – nämlich, dass jedes Land seine Schulden selbst zu zahlen hat. Diese Bestim­mung ist eben gebro­chen worden zu Lasten der Deut­schen, auch der Nieder­länder, auch der Öster­rei­cher und auch der anderen Netto­zahler.

Das war ja der ursprüng­liche Grün­dungs­ge­danke der AfD, eben jene Kritik am Euro.

Es war ein klarer Rechts­bruch und Vertrau­ens­bruch.

Sie haben die Entwick­lung der EU ange­spro­chen. Nun liegt das Saar­land in direkter Nähe zu Frank­reich. Wie oft sind Sie drüben im Nach­bar­land und genießen die Reise­frei­heit, die sich durch die EU bietet?

In fünf Minuten ist man über die Grenze. In letzter Zeit bin ich aus beruf­li­chen und sons­tigen Gründen nicht so oft in Frank­reich, früher war ich jedoch sehr oft dort. Ich habe auch ein Jahr in Paris gelebt und bin unter anderem Fran­zö­sisch-Lehrer für das Gymna­sium. Von daher erin­nere ich mich sehr gerne an die Zeit. Deshalb hatte ich auch nicht die geringsten Schwie­rig­keiten, die Grenze zu über­schreiten oder zu über­fahren. Übli­cher­weise ist man durch gewinkt und manchmal kontrol­liert worden. Das war über­haupt nicht proble­ma­tisch.

Heute sagt man ja, Grenz­kon­trollen seien über­haupt nicht mehr möglich. Das halte ich für dummes Zeug! Man kann und man sollte, gerade bei der heutigen Entwick­lung, die Grenzen wieder kontrol­lieren. Denn, es kommen daher ja die bekannten Probleme. Solange die euro­päi­sche Außen­grenzen-Siche­rung nicht funk­tio­niert, treten wir dafür ein, dass die Binnen­grenzen wieder kontrol­liert werden.

Die ursprüng­liche Frage war aber nun ja, ob Sie gern nach Frank­reich gegangen sind …

Ja, ich bin gern dorthin gegangen.

Entwick­lung ist übri­gens ein wich­tiges Thema. Heute ging es im Rahmen des Jugend­fo­rums um Handel, Ernäh­rung und Umwelt. Im AfD Land­tags­wahl­pro­gramm findet man zur Umwelt die Forde­rung Wind­räder stoppen – Kraft­werke erhalten“. Nach einem sehr heißen Sommer bedingt durch den Klima­wandel, haben wir von Ihnen in der Diskus­sion gelernt, der Klima­wandel sei nicht von Menschen gemacht. Wie erklären Sie das jungen Menschen, die sich jedoch Gedanken darum machen, besorgt sind und zum Klima­schutz viele Studien kennen, die besagen, dass auch der Mensch daran seine Schuld trägt? Da können Sie ja nicht einfach sagen, das stimmt nicht.

Ja, wir können uns auch ganz abschaffen. Dann dreht sich die Welt ohne uns weiter. Das wäre eine radi­kale Alter­na­tive. Aber das wollen wir ja auch nicht. Die Klima­dis­kus­sion ist sehr verfäl­schend. Das habe ich auch drinnen [Anmerk. d. Red.: in der Debatte mit Schü­le­rinnen und Schü­lern] auch ange­spro­chen. Ein wesent­li­cher Para­meter bei dieser Klima­dis­kus­sion wird einfach ausge­blendet, nämlich die ständig sich ändernde Sonnen­ak­ti­vität. Und selbst­ver­ständ­lich hat so etwas Einfluss. Die Grünen wollen das viel­leicht auch noch eines Tages ändern, wer weiß, aber ich zweifle an der Wissen­schaft­lich­keit der Aussagen, die da gemacht werden.

Also sieht die AfD, sehen Sie, dort keinen Hand­lungs­be­darf?

Keinen Hand­lungs­be­darf? Das will ich so nicht sagen. Natür­lich muss man die Umwelt schonen, soweit das vernünftig geht und das ist in Deutsch­land ja auch weit­ge­hend vernünftig gemacht worden. Hier gibt es, das habe ich auch ange­spro­chen, eine vernünf­tige Müll­ab­fuhr, die auch dafür sorgt, dass unsere Plas­tik­tüten zumin­dest nicht im Meer landen.

Haben Sie mal den Weg einer Plas­tik­tüte, die Sie in den Müll geworfen haben, verfolgt?

Da bin ich mir absolut sicher! Was hier an Müll einge­sam­melt wird, das landet in aller Regel in einer Verbren­nungs­an­lage oder wird heut­zu­tage auch recy­celt.

Das Problem, was ich in Ihrer Argu­men­ta­tion sehe, ist, dass wenn man sagt unser Müll landet nicht im Meer“, gibt es doch trotzdem welt­weiten Müll, der dort nach­weis­lich landet. Und wir müssen irgendwo über die Grenze – auch wenn Sie die schließen wollen – schauen, denn irgendwo leiden wir auch darunter, wenn an einem anderen Ort Plastik ins Meer geführt wird.

Darüber hinaus denken können Sie, aber Sie können anderen Ländern keine Vorschriften machen. Da wird es gleich sehr ärger­lich und kontro­vers. Sie können den Fran­zosen keine Vorschriften machen, wie sie ihr Land orga­ni­sieren. Das wollen wir von denen auch nicht. Man kann sich natür­lich wünschen, dass in anderen, im Augen­blick noch rück­stän­digen Ländern, solche Dinge – Plas­tik­tüten – da ordent­lich einge­sam­melt oder verwertet werden, anstatt, dass sie ins Meer fliegen. Das sieht man ja, wenn man sich in den typi­schen Urlaubs­län­dern ein biss­chen raus bewegt. Da gibt es oft wilde Müll­kippen und von dort fliegt das Plastik tatsäch­lich ins Meer. Das ist natür­lich nicht schön.

Das kann man natür­lich aber entspre­chend fördern …

Fördern, ja. Aber als Deut­scher kann ich das nicht und als deut­scher Poli­tiker kann ich dazu appel­lieren, denen nicht rein zu regieren.

Auf Frank­reich kamen Sie gerade zu spre­chen. Davon kommen wir auch nicht weg. Kommen wir somit zum letzten Thema: Bildung und Schule. In Frank­reich wurde vor kurzem der Gebrauch von Smart­phones in Schulen verboten. Das ist auch ein Thema, was hier­zu­lande disku­tiert wird. In Ihrem Wahl­pro­gramm stand zum Beispiel: Der über­trie­bene und unsach­ge­mäße Gebrauch von digi­talen Medien wie z.B. Smart­phones kann zu Verhal­tens­stö­rungen mit sozialen und psychi­schen Folge­pro­blemen führen.“ Wäre ein Verbot für Sie denkbar oder gibt es von Ihrer Seite ein Konzept, die Digi­ta­li­sie­rung in den Bildungs­be­reich zu inte­grieren?

Also über­mä­ßiger Gebrauch ist immer schäd­lich. Nach einem Handy-Verbot haben Sie gefragt. So viel ich wahr­ge­nommen habe, haben die Fran­zosen das verboten in der Schule. Tja, da gibt es sicher vieles, was dafür spricht. Ich habe mir dazu noch keine einge­henden Gedanken gemacht. Es gibt sicher manches, was dafür und manches, was dagegen spricht. Eine abschlie­ßende Meinung will ich Ihnen dazu nicht sagen. Aber alles, was man über­mäßig macht, auch über­mäßig Salz in der Suppe, ist nicht gut.

Ein letztes Wort zu den Schü­le­rinnen und Schü­lern drinnen. Ich habe heute eine sehr gute Veran­stal­tung erlebt – auch sehr divers in jedes poli­ti­sche Lager hinein. Sie schreiben in Ihrem Wahl­pro­gramm: Der Staat ist ein schlechter Unter­nehmer, er kann auch Schule nicht.“ Jetzt waren Sie Studie­render des Lehr­amtes, haben Fran­zö­sisch und Sozi­al­kunde studiert, aber nie in dem Beruf gear­beitet?

Das war so: Als ich fertig war, mit der ganzen Ausbil­dung, gab es damals die soge­nannten Lehrer­schwämme. Es gab also sehr viele Lehrer und wenig Bedarf. Von daher habe ich mich damals von dieser, auch damals schon, dürren Branche verab­schiedet und etwas anderes gemacht.

Wäre das aber nicht die Chance gewesen, die Schule auch als Mensch persön­lich, also selbst das Gute voran zu treiben?

Sicher, ich hätte es wirk­lich gerne gemacht. Ich habe aus voller Über­zeu­gung studiert und gelernt und wäre auch gerne als Lehrer in der Schule tätig gewesen. Aber die Umstände waren anders und es ist eben anders gekommen. Damit muss man sich abfinden.

Was haben Sie dann danach gemacht?

Ich stamme aus einem Hand­wer­ker­haus­halt und von daher weiß ich, wie man herun­ter­ge­kom­mene Bauwerke wieder auf Vorder­mann bringt. Das habe ich anschlie­ßend wieder in unge­fähr einem Dutzend Fälle gemacht. Ich habe also solche Immo­bi­lien gekauft und anschlie­ßend verwertet – das war das eine. Das andere war ein Anti­qui­täten- und Kunst­ge­schäft. Auch das habe ich sehr gerne gemacht. Jetzt fehlt mir dafür aber die Zeit und meine Frau möchte das nicht allein machen.

Kommen wir zur Abschluss­frage: Es war gerade in der Diskus­sion im Plenar­saal sehr divers. Sie sind oft Ihren Kolle­gInnen auch ins Wort gefallen. Wie defi­nieren Sie hier im Landtag Ihre Rolle als Person und Teil Ihrer Frak­tion?

Wir sind ein Teil der Oppo­si­tion. Wir bringen Dinge zum Ausdruck, die die Regie­rungs­par­teien nicht gerne hören möchten – einer­seits. Und wir haben natür­lich auch unse­rer­seits konstruk­tive Vorschläge, vor allem in der Schul­po­litik, aber auch in Dingen, die eher die Bundes­po­litik betreffen, die aber natür­lich auch auf uns wirkt. Also wir sind eine absolut notwen­dige Oppo­si­tion und wir sehen das an unseren Wahl­er­geb­nissen und Umfragen: Unsere Werte steigen, die der anderen fallen.

Wenn Sie das so sagen.

Das sehen Sie doch!

Tatsäch­lich nicht. Ich tue mich auch noch immer mit der Aussage schwer: Unser Weg ist der rich­tige und der links­grüne nicht. Das grenzt genau so aus, wie es anders­herum ausgrenzt. Und da Sie es eigent­lich besser machen wollen, müssten Sie es ja eigent­lich zulassen – so mein Gedanke von demo­kra­ti­scher Viel­falt.

Wir sind nicht in der Posi­tion, etwas zuzu­lassen. Für demo­kra­ti­sche Diskus­sionen bin ich immer. Nur, die links­grüne Politik hat uns in wesent­li­chen Feldern schwer geschä­digt.

Jetzt bin ich kein gebür­tiger Saar­länder. Aber soweit ich mich erin­nere, waren die letzten Regie­rungen nicht links­grün“…

Nein, die letzte Regie­rung hier war auch eine große Koali­tion. Davor gab es eine Koali­tion aus CDU, FDP und Grünen.

Also gar nicht so links­grün“, wenn wir ehrlich sind?

Das links­grüne beziehe ich eher auf den hier herr­schenden Zeit­geist, den ich leider auch in der Schule am Wirken sehe und diesen links­grünen Zeit­geist bekämpfe ich ganz persön­lich und sehr gern.

Vielen Dank für Ihre Zeit. 

Bitte­schön!


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