Nach­ge­rückt und noch nicht fertig geworden

Datum
16. Januar 2019
Autor*in
Mette Meyer
Redaktion
politikorange
Thema
#EPjugendforum 2019
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Ulrike Rodust (SPD/S&D) rückte einst für einen ausge­schie­denen Partei­kol­legen in den Schleswig-Holstei­ni­schen Landtag nach und war dort von 1993 bis 2008 Abge­ord­nete. Im Alter von 59 Jahren rückte sie noch einmal nach, eben­falls für einen ausge­schie­denen Partei­kol­legen. Statt an die Förde wech­selte sie 2008 jedoch nach Brüssel ins Euro­päi­sche Parla­ment, wo sie nun nach zehn Jahren nicht erneut kandi­diert. Dabei gäbe es noch etwas zu tun, wie sie sagt. Mette Meyer hat mit ihr über die Meerespo­litik, die EU und ihre poli­ti­sche Lauf­bahn gespro­chen.

Ulrike Rodust

Mette Meyer am Rande des #EPjugenforum im Gespräch mit Europa-Abgeordneter Ulrike Rodust. Foto: Jonas Gebauer

Guten Tag Frau Rodust, Sie sind sehr aktiv in der Fischerei- und Meerespo­litik. Wieso sind Ihnen diese Themen so wichtig?

Weil ich finde, dass man damit sehr viel verknüpfen kann. Nicht nur die ökolo­gi­schen Gege­ben­heiten, auch die Ernäh­rungs­si­cher­heit. Nicht nur in Europa, sondern auch in der dritten Welt – wenn man es richtig macht. Ich bin fest davon über­zeugt, wenn man Fische­rei­po­litik richtig macht, kann man eben auch Flucht­ur­sa­chen bekämpfen. Das heißt, die Fischer, die in der dritten Welt leben und früher die Fische gefischt haben, müssen das auch künftig wieder machen können. Das muss gesetz­lich so gere­gelt werden, dass eben diese Menschen nicht ihre Lebens­grund­lage verlieren, wenn große Unter­nehmen diese Fische wegfi­schen.

Wie stark werden diese beiden Bereiche vom Euro­päi­schen Parla­ment berück­sich­tigt? Wird die Meerespo­litik ernst genommen?

Es wird sehr ernst genommen, denn es ist ein legis­la­tiver Ausschuss. Das heißt, wir sind ein Gesetz­ge­bungs­aus­schuss. Es gibt auch andere Ausschüsse, in denen man eigent­lich immer nur Meinungen vertreten kann. Das ist bei uns nicht der Fall, wir machen knall­harte Gesetz­ge­bung. Der Fische­rei­aus­schuss steht für sich und die inte­grierte Meerespo­litik befindet sich im Trans­port­aus­schuss – zu meinem Entsetzten. Ich habe auch versucht dagegen anzu­kämpfen, aber das ist mir nicht gelungen, da ich dafür keine Mehr­heit gefunden habe. Ich finde die ganzen ökolo­gi­schen Hinter­gründe sind viel wich­tiger. Darum habe ich mir gewünscht, dass sich die inte­grierte Meerespo­litik im Fische­rer­aus­schuss oder aber im Umwelt­aus­schuss wieder­findet.

Seit 2008 sind Sie im Euro­päi­schen Parla­ment tätig, zuvor waren Sie hier im Landtag. Sicher­lich gibt es einige Unter­schiede zwischen beiden Parla­menten?

In den natio­nalen Parla­menten, das ist in unserem Fall der Landtag und der Bundestag, wird ziem­lich strikt nach Frak­tionen gear­beitet. Also die Frak­tion einigt sich auf eine Vorge­hens­weise und versucht das dann auch durch­zu­ziehen. Im Euro­päi­schen Parla­ment ist das so nicht möglich. Ich versuch es mal zu erklären: Einen schwe­di­schen Sozi­al­de­mo­kraten und einen italie­ni­schen Sozi­al­de­mo­kraten trennen oftmals Welten. Dann kann es also sein, dass ein Konser­va­tiver aus Schweden der Sozi­al­de­mo­kratie in Deutsch­land poli­tisch und inhalt­lich viel näher steht, als ein Sozi­al­de­mo­krat aus Italien. Darum ist ein ganz wich­tiges Instru­ment, dass man in der Lage ist, Kompro­misse zu finden. Und zwar über die Partei­grenzen hinaus. Das ist im Euro­päi­schen Parla­ment tägli­ches Geschäft. Das würde hier im Landtag – ich war ja auch 15 Jahre hier – so nicht sein. Da würde man strikt nach Frak­ti­ons­in­ter­essen arbeiten.

Welche Wünsche und Hoff­nungen haben Sie für die EU in den kommenden Jahren? Gibt es ein Thema, dass Ihnen beson­ders wichtig ist?

Ja. Der Rechts­po­pu­lismus und der Rechts­na­tio­na­lismus, der inzwi­schen in der EU oder auch im Euro­päi­schen Parla­ment sehr etabliert ist, bereitet mir Sorgen. Wir haben zu 30% Euro­pa­gegner im Parla­ment sitzen. Ich würde mir wünschen, dass die Bürger über eine stär­kere Wahl­be­tei­li­gung und zwar im Inter­esse der Demo­kratie, diese Parteien wieder dorthin schi­cken, wo sie hinge­hören: Jeden­falls nicht in ein Euro­päi­sches Parla­ment!

Wieso kandi­dieren Sie bei den Euro­pa­wahlen 2019 nicht noch einmal für einen Sitz im Euro­päi­schen Parla­ment?

Weil ich 69 Jahre alt bin und glaube, dass es dann auch mal Zeit wird aufzu­hören. Ich habe eine fantas­ti­sche Familie und konnte mich in den letzten Jahren nicht so sehr um sie kümmern. Und ich gebe zu, dass es keine leichte Entschei­dung war, aber sie ist jetzt getroffen. In Teilen war es auch eine Alters­frage. Aber es nicht fair, die Arbeit über eine Alters­grenze zu defi­nieren. Ich glaube, es kommt darauf an, wie fit man ist, wie enga­giert man ist und welche Ideen man hat. Dennoch wird in unserer Gesell­schaft die Alters­frage oft sehr nach vorn geschoben. Ich wollte mich nicht vom Acker jagen lassen, sondern selber entscheiden, wann ich gehe. Von der Kraft und von den Ideen hätte ich noch genug übrig – eigent­lich wollte ich noch ein Gesetz durch­bringen, das ohne mich nicht zustande kommen wird, weil die Konser­va­tiven zu stark sind, wenn ich weg bin. Ich habe eine sehr starke Stimme im Fische­rei­aus­schuss. Wenn ich weg bin und das Gesetz nicht durch­kommt, blutet mein Herz. Manchmal hab ich daher gedacht, nochmal zu kandi­dieren. Aller­dings nur für zwei­ein­halb Jahre. Doch ich habe mich entschieden und das ist gut so.

Sie bekommen gleich von den Schü­le­rinnen und Schü­lern Vorschläge zur Euro­pa­po­litik präsen­tiert. Wie könnte man die umsetzen? Wie lässt sich die Jugend allge­mein besser in die poli­ti­schen Prozesse einbinden? Und wie wollen Sie speziell solche Ideen umsetzen, wenn Sie bald nicht mehr im Parla­ment vertreten sein werden?

Also ich arbeite intensiv auch neben dem Jugend­forum intensiv mit Schü­lern zusammen, indem ich mindes­tens einmal pro Monat in eine Schule gehe und mit den jungen Menschen disku­tiere. Ich nehme sie dann sehr ernst, denn das was ich im Parla­ment mache, heißt ja auch, dass die Zukunft der jungen Menschen gesi­chert ist. Ich glaube, es ist wichtig, auch von den jungen Menschen auf Politik zuzu­gehen. Es ist nämlich keine Einbahn­straße, sondern ein gegen­sei­tiges Geben und Nehmen. Wir müssen uns gegen­seitig infor­mieren. Es ist sehr fahr­lässig, wenn ein älterer Mensch glaubt, er habe die Weis­heit mit Löffeln gegessen. Ich glaube, wir müssen immer vonein­ander lernen, egal welcher Alters­gruppe wir ange­hören. Die Inhalte, müssen auch schrift­lich notiert werden. Ich habe immer viel im Kopf und werde nachher auch viel mitnehmen. Aber, wenn man das nochmal nach­lesen kann, kann ich das auch den verant­wort­li­chen Parla­men­ta­riern an die Hand geben – das ist hilf­reich.

Vielen Dank!


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