Poli­ti­sche Bildung aus dem Feuer­wehr­auto

Datum
12. Oktober 2023
Autor*in
Tim Schellenbach
Redaktion
politikorange
Themen
#Wahlen #LTWBY
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Das Demo­kra­tie­mobil war unter dem Titel Demo­kratie im Einsatz“ rund um die baye­ri­schen Land­tags­wahlen in München unter­wegs. Neben nied­rig­schwel­ligen Bildungs­an­ge­boten bietet dieses Mobil vor allem die Möglich­keit mitein­ander ins Gespräch zu kommen, über poli­ti­sche Teil­habe, Demo­kratie und natür­lich Wahlen.

Ein ange­ros­tetes rotes Feuer­wehr­auto aus den 60er-Jahren mitten auf dem Vorplatz eines Münchner Einkaufs­zen­trums. Vor der Meile“ in Moosach, dem ältesten Viertel der bayri­schen Landes­haupt­stadt, herrscht reges Treiben. Menschen wollen ihre Wochen­end­ein­käufe erle­digen, doch immer wieder bleiben die Blicke an dem Wagen und den davor aufge­bauten Attrak­tionen hängen. Vor dem altehr­wür­digen Gefährt sind verschie­dene Kurio­si­täten aufge­baut, man hört Kinder­la­chen und Gespräche, in denen immer wieder die Worte Politik“ und Demo­kratie“ fallen. 

Das Ziel ist, dass wir mit allen Leuten auf der Straße ins Gespräch kommen, auf Augen­höhe mitein­ander spre­chen und möglichst nied­rig­schwellig poli­ti­sche Bildung anbieten – auch Menschen, die sich das nicht bewusst oder von sich aus aufsu­chen würden. Vom grund­le­genden Demo­kra­tie­ver­ständnis bis hin zu poli­ti­schen Struk­turen wollen wir über alles aufklären“, erklärt Ulrike Ahnert, die Fahrerin und Projekt­lei­terin des Demo­kra­tie­mo­bils“. 

Seit 2017 wird das Demo­kra­tie­mobil einge­setzt, erst­mals zur dama­ligen Bundes­tags­wahl. Die immer nied­riger werdende Wahl­be­tei­li­gung in manchen Städten waren der Anlass zur Grün­dung des Demo­kra­tie­mo­bils. Wir wollten mit den Menschen ins Gespräch kommen und erfahren, was sie wirk­lich umtreibt“, schil­dert Sylvia Holhut, die in eine der Vorgänger*innen von Ahnert als Projekt­lei­terin war und das Demo­kra­tie­mobil an diesem Tag besucht. 

Als Beispiel für das verbrauchte große Wahl­po­ten­zial dient ein Blick auf die Ergeb­nisse der Land­tags­wahl in Bayern 2018: mit insge­samt 28% wäre eine fiktive Partei der Nichtwähler*innen die stärkste Kraft im Landtag. Als mögliche Erklä­rung für die hohe Zahl dienen Erkennt­nisse eine Studie von infra­test dimap unter jungen Nichtwähler*innen: jede dritte befragte Person gab an, kein Inter­esse an Politik zu haben bzw. gene­rell nicht wählen zu gehen. 

Menschen aus allen Alters­klassen und Schichten kommen

Ein Demo­kratie-Rad, eine Wahl­ka­bine zum Üben und die Werte­waage – das sind nur ein paar der Spiele, die vor dem Wagen aufge­baut sind, um dem Phänomen des fehlenden Kontakts zur Demo­kratie entge­gen­zu­wirken. Alle Spiel­formen sind so gedacht, dass sie zum Mitma­chen anregen und anschlie­ßend Gesprächs­stoff bieten. Das Wich­tigste sei, dass die Spiele nied­rig­schwellig sind, betont Ahnert. Wo kommt die Skepsis her? Kennen Sie Möglich­keiten, um etwas daran zu ändern? Das sind typi­sche Fragen, die wir den Teil­neh­menden danach stellen und kommen dann ins Gespräch.“ Ahnert schil­dert, dass das Angebot sehr gut funk­tio­niere und auch die ehren­amt­liche Helferin Julia hat posi­tive Erfah­rungen gemacht: Ich finde es cool, dass man mit Leuten spricht, mit denen man sonst nie reden würde. Die Menschen kommen aus allen Alters­klassen und sozialen Schichten.“ Das erkennt man auch an diesem Nach­mittag: alle Helfer*innen sind wieder und wieder in Gespräche mit Passanten aus allen Alters­stufen verwi­ckelt. Viele bleiben stehen und nehmen an den Mitmach­ak­tionen teil.  

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Das Demokratiemobil bietet verschiedenste niedrigschwellige Mitmachaktionen. Foto: Jugendpresse Deutschland e.V. /Elias Wiedemann

Bei einer Abstim­mung per Tisch­tennis-Ball werfen ein Kind und seine Mutter orange oder weiße Bälle in eine trans­pa­rente Vorrich­tung und geben in dieser Form eine Stimme zu Aussagen wie Ich werde gerecht behan­delt“ ab. Infor­ma­ti­ons­ma­te­ria­lien kann sich jeder mitnehmen, vom Grund­ge­setz in mehreren Spra­chen bis zu verschie­densten Ratge­bern liegt alles aus. Dabei findet man keine Partei­wer­bung: das Demo­kra­tie­mobil arbeitet über­par­tei­lich, über einzelne Partei­po­si­tionen gibt es keine Auskunft. Gegen­über ausgren­zendem, rassis­ti­schem und menschen­feind­li­chen Gedan­kengut“ bezieht man jedoch jeder­zeit Posi­tion, wie es auf der Home­page heißt. 

Beson­derer Beliebt­heit erfreut sich das Wa(h)l‑Lokal. Zwei Jugend­liche stehen vor einem Plansch­be­cken, mit einer Angel fischen sie verschie­den­far­bige Wale heraus, auf deren Rück­seite eine Nummer steht. Diese Nummer verweist auf ein Quiz, welches die beiden anschlie­ßend mit einer der Helfer*innen durch­gehen und bespre­chen. Durch die Mitmach­ak­tionen können wir auf Augen­höhe mit den Menschen spre­chen und gemeinsam über Politik nach­denken“, sagt Ahnert. 

Gespräche auf Augen­höhe 

Die Spiele haben sich Ahnert und ihr Team selbst über­legt und über­ar­beiten sie laufend. Als größte Heraus­for­de­rung beschreibt die Projekt­lei­terin dabei: Es ist nicht einfach nied­rig­schwellig zu arbeiten, manchmal ist es trotzdem noch zu akade­mi­siert. Wir wollen auch mehr Ange­bote für Nicht-Deutsch­spra­chige anbieten.“ 

Es ist schwierig zu merken, da es keine Mess­bar­keit gibt. Wir bekommen auf jeden Fall viel gutes Feed­back von den Menschen und das ist der Impact und der Erfolg, den wir mit nach Hause nehmen“, antwortet Ulrike Ahnert auf die Frage, welche Erfolge sie mit dem Demo­kra­tie­mobil erreicht hat. Ein Tag vor der bayri­schen Land­tags­wahl zeugen die vielen Gespräche und Diskus­sionen davon, dass die Vermitt­lung von poli­ti­scher Bildung auch vor einem knall­roten ange­ros­teten Feuer­wehr­wagen funk­tio­nieren kann. 


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