Plura­lismus ade?!

Datum
22. November 2016
Autor*in
Luise Martha Anter
Redaktion
politikorange
Thema
#JMT16
luise_zeitungen_vera-kleiner

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Den deut­schen Medi­en­markt beherr­schen immer weniger Unter­neh­mens­gruppen. Das hat nega­tive Folgen – nicht nur aus kartell­recht­li­cher Sicht. Luise Martha Anter hat nach­ge­forscht.

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Neulich im Bahn­hofs­buch­handel: Alles so schön bunt hier! So viele verschie­dene Titel! Auszeit, emotion, flow oder momente? Land­Lust, Land­Liebe, Land­Kind oder doch lieber Land­Garten? Kein Wunder, dass Dirk Benning­hoff, Chef­re­dak­teur der Content-Marke­ting-Agentur fische­r­Ap­pelt, während des Auftakt­po­diums der Jugend­me­di­en­tage vom wahn­sinnig viel­fäl­tigen Angebot“ der deut­schen Medi­en­land­schaft schwärmte. Was für ein schönes Märchen. Letz­teres nimmt ein jähes Ende, wagt man den Blick ins Innere all der Zeitungen und Maga­zine – um genau zu sein: ins Impressum. Dort wird man ziem­lich oft die glei­chen Verlags­namen finden: Burda, Funke, Springer, Gruner + Jahr, Bauer, DuMont.

Zeitungen im Zeit­alter des Teilens

Ein Zustand, der nicht auf den Markt der Zeit­schriften und Maga­zine beschränkt bleibt. Im Moment haben wir eine ganz schwie­rige Situa­tion, vor allem der Presse.“ Die Kommu­ni­ka­ti­ons­wis­sen­schaft­lerin Barbara Pfesch ist eine ruhige Frau, spricht mit leiser Stimme, wählt ihre Worte mit Bedacht. Von ihrer Drastik nimmt ihnen das nichts: Sie spricht von einer Konzen­tra­ti­ons­welle“, die man vor allem auf lokaler Ebene erlebe. Dort haben Tages­zei­tungen häufig eine Mono­pol­stel­lung inner­halb ihres Verbrei­tungs­ge­bietes. Viele Lokal­zei­tungen, so die Profes­sorin, die an der Freien Univer­sität Berlin Kommu­ni­ka­ti­ons­theorie und Medi­en­wir­kungs­for­schung lehrt, produ­zierten außerdem keinen eigenen über­re­gio­nalen Teil – also Politik, Sport, Wirt­schaft und mitunter Kultur – mehr, sondern lassen sich mit einem soge­nannten Mantel­teil belie­fern“: Die Dresdner Neuesten Nach­richten und die Leip­ziger Volks­zei­tung beispiels­weise haben denselben über­re­gio­nalen Teil. Einer Analyse des Leibniz-Insti­tutes von 2012 zufolge wiesen in Deutsch­land 120 von 336 Lokal­zei­tungen keine eigene Mantel­re­dak­tion auf. Auch die Stra­ßen­ver­kaufs­zei­tungen, also BILD und Konsor­tien, sind von der Konzen­tra­tion betroffen: Fast 80 Prozent der Verkaufs­auf­lage entfallen auf die Axel Springer AG. Zu lesen ist das im Jahres­be­richt der Kommis­sion zur Ermitt­lung der Konzen­tra­tion im Medi­en­be­reich“ (KEK), in dem auch die Verhält­nisse auf dem Fern­seh­markt als eng“ und oligo­po­lis­tisch“ bezeichnet werden.

Weniger Leser, gleiche Produk­ti­ons­kosten

Der Punkt ist jetzt: Was heißt das für die Meinungs­bil­dung?“ Barbara Fesch beugt sich vor, nimmt ihre rote Lese­brille in die Hand, setzt sie wieder auf. Weniger unab­hän­gige Jour­na­lis­tinnen und Jour­na­listen, weniger unab­hän­gige Redak­tionen – das heißt weniger unab­hän­gige Bericht­erstat­tung, weniger unab­hän­gige Kommen­tare“. Aus norma­tiver Sicht sei das ein riesiges Problem.“ Zwar stellt die KEK fest, dass die Konzen­tra­tion keine erheb­li­chen Auswir­kungen auf die Meinungs­viel­falt habe. Trotzdem fordert sie, Meinungs­macht durch gesetz­liche Regu­lie­rungen zu verhin­dern – zum Beispiel durch die Verpflich­tung eines Anbie­ters, sich von einer Betei­li­gung an meinungs­re­le­vanten Ange­boten“ zu trennen. Barbara Pfesch hingegen sieht die Konsu­men­tinnen und Konsu­menten in der Pflicht – die nämlich lesen immer weniger Tages­zei­tungen, sind immer weniger bereit, für jour­na­lis­ti­sche Inhalte zu zahlen. Schließ­lich fusio­nieren Medien nicht aus Lange­weile oder Expe­ri­men­tier­freu­dig­keit. Sondern aus ökono­mi­schem Kalkül, ja, aus ökono­mi­scher Notwen­dig­keit: Auch wenn die Auflagen sinken – die Produk­ti­ons­kosten bleiben gleich. Jour­na­lis­tinnen und Jour­na­listen müssen bezahlt werden, egal wie viele Zeitungen verkauft werden. Zudem sinkt mit der Auflage auch die Attrak­ti­vität für Werbe­kunden. Und damit die Einnahmen. Wendet man den Blick jedoch ab von den klas­si­schen Medien, dann finden sich in den neuen Medien Infor­ma­ti­ons­quellen in Hülle und Fülle. Also alles halb so wild? Pfesch hält das für naiv. Netz­kom­mu­ni­ka­tion kann die öffent­liche Aufgabe der Presse nicht erfüllen.“ Sie hofft statt­dessen, dass die Zahlungs­be­reit­schaft für Meinungen und Infor­ma­tionen von hohem Niveau“ steigt – vor allem auch bei der jungen Gene­ra­tion. Die bekomme eine Push-Meldung nach der anderen auf ihr Smart­phone – aber reflek­tiere den Inhalt häufig nicht. Junge Leute müssen sich Gedanken machen.“ Damit es im Bahn­hofs­buch­handel irgend­wann richtig bunt wird – auch abseits all der Hoch­glanz-Bilder.


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