Nicht, dass die Digi­ta­li­sie­rung an uns vorbei­läuft“

Datum
10. Oktober 2019
Autor*in
Leonie Theiding
Redaktion
politikorange
Thema
#jungunddigital 2019
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Leonie Thei­ding war für poli­ti­ko­range beim Fach­ge­spräch des LJR NRW zum Thema Jugend­kultur digital und Medi­en­nut­zung. Nun stellt sie sich den großen Fragen der Veran­stal­tung: Wieso gibt es keine Jugend­kultur mehr? Und wie muss und kann die Jugend­ver­bands­ar­beit auf die gesell­schaft­li­chen Verän­de­rungen reagieren?

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Fleur Vogel berichtet von ihren Projekten. I Foto: Leonie Theiding

Bunte Insekten aus Pappe, Papier und anderen Mate­ria­lien tanzen über die weiße Wand, an die Fleur Vogel soeben einen Kurz­film gebeamt hat. Die Insekten sind bedroht. Wir müssen uns anders verhalten, sonst sind auch wir in Not“, singen hohe Kinder­stimmen in dem Film über das Insek­ten­sterben. Fleur Vogel arbeitet bei der Landes­ar­beits­ge­mein­schaft Kunst & Medien NRW. Sie erzählt, dass der Film im Rahmen eines digi­talen sowie sozialen Jugend­pro­jekts entstanden ist, das Fleur heute rück­bli­ckend als gelungen bezeichnet. Als gelungen schätzt sie die Filme vor allem ein, da sie an die neuen digi­talen Jugend­stile ange­passt sind. Mit einem kleinen Lächeln blickt Fleur auf die vor ihr sitzenden Jugend­ver­bands­ar­bei­tenden. Sie sollen idea­ler­weise Ideen und Anre­gungen aus diesem Fach­ge­spräch mit in ihre Arbeit nehmen. Ab und zu ertönen Lacher: Zum Beispiel, wenn ein gebas­telter Menschen­kopf als Feind­bild der Insekten, über den Bild­schirm läuft, gehässig lacht oder vor sich hin gluckt. Heute, am 8. Oktober 2019, findet das dritte Fach­ge­spräch der vier­tei­ligen Vortrags­reihe des Landes­ju­gend­rings NRW zur Digi­ta­li­sie­rung in Essen statt – das heutige Thema ist Jugend­kultur Digital und Medi­en­nut­zung. Im Raum sitzen knapp 25 Jugend­ver­bands­mit­ar­bei­tende, ganze vorne dabei ist die Orga­ni­sa­torin Kathrin Prassel. Sie beob­achtet mit etwas hoch­ge­zo­genen Augen­brauen die kunter­bunten Insekten, die durch das Bild huschen. Die Veran­stal­tung solle dem Austausch der einzelnen Jugend­ver­bände dienen und Wissen über die heutige Jugend­kultur im Zeit­alter der Digi­ta­li­sie­rung bieten, erklärt Prassel.

Jugend­stile müssen verstanden werden

Rechts vorne im Raum sitzt Prof. Dr. Franz Josef Röll, Sozio­loge und Professor für Medi­en­päd­agogik, bei den Zuschau­enden. Zuvor hat er einen Vortrag über Jugend­kultur gehalten: Was ist Jugend­kultur? Und warum gibt es sie im heutigen digi­talen Zeit­alter nicht mehr? Röll erklärt, ursprüng­lich sei der Begriff der Jugend­kultur verbunden gewesen mit einer Art von Zuge­hö­rig­keit: Klare abge­grenzte Gruppen, die durch gemein­same Faktoren zusammen kamen, z.B. indem sie eine bestimmte Klei­dung tragen, ein Verhalten adap­tieren oder die glei­chen Regeln als verbind­lich akzep­tieren. Früher habe man Jugend­kultur deshalb unmit­telbar mit Gruppen wie Punks, Skins, Teds oder Motz verbunden. Laut Röll sei diese Art der Jugend­kultur seit Beginn der Tech­no­kultur Stück für Stück verschwunden. Es gibt keine klaren festen Gruppen mehr wie bis zu den 90er Jahren, heute gibt es eher Misch­formen: Verstreute Stil­formen, die sich immer wieder über­schneiden. Dies sei ein Hinweis für stän­dige Verän­de­rung.

Das Bedürfnis, eine soziale Gemein­schaft zu haben, sei geblieben. Doch die Ziel­gruppe der Jugend­ver­bands­ar­beit habe sich verän­dert, da sie nicht mehr klar einge­grenzt ist. Wenn Menschen in der Jugend­ar­beit Jugend­liche weiterhin unter­stützen wollen, dann müssen sie sich mit deren Problemen ausein­an­der­setzen. Prof. Dr. Röll spricht hierbei von situa­tiver Offen­heit“. Verbands­ar­beit muss Konzepte ausar­beiten. Diese müssen jedoch an die sich ständig wandelnden Misch­formen, in denen Jugend­liche leben, ange­passt werden. Das heißt vor allem: bereit sein, sich für neue Situa­tionen und unter­schied­liche Menschen zu verän­dern.

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Links Jan Hilkenbach, rechts Prof. Dr. Franz Josef Röll I Foto: Leonie Theiding

Jugend­ver­bände können Jugend­li­chen eine stabi­li­täts­wei­sende Stütze in dieser sich ständig wandelnden Welt bieten. Diese ist, laut Jan Hilken­bach vom BDKJ Diöze­san­ver­band Pader­born, so wichtig, da soziale Medien reale, bestän­dige Treffen nicht ersetzen können. Jedoch müssen Jugend­ver­bände sich an die neuen Jugend­stile anpassen, um ihren Aufgaben als Helfende und Mentoren und Mento­rinnen weiterhin gerecht zu werden. Um die heutigen Jugend­li­chen zu errei­chen, müssen die sozialen Medien mit in die Jugend­ver­bands­ar­beit einge­bracht werden.

Wir müssen es hinbe­kommen, dass die Digi­ta­li­sie­rung nicht an uns vorbei­läuft“

Wir müssen es hinbe­kommen, dass die Digi­ta­li­sie­rung nicht an uns vorbei­läuft.“, so Hilken­bach. Reale bestän­dige Treffen und digi­tale soziale Medien mitein­ander zu verknüpfen – das sei die Heraus­for­de­rung, vor der die Jugend­ver­bände derzeit stehen. Die Gäste des Vortrags sind zumin­dest ziem­lich begeis­tert von dem Kurz­film, den Fleur Vogel heute im Gepäck hatte. Die Insekten knis­tern durch Laub, das ganz klar aus Bastel­ma­te­rial geformt ist, hohe Kinder­stimmen singen und rappen: Wir haben trotzdem noch Hoff­nung“. Die Kinder und Jugend­li­chen konnten ihre krea­tiven Ideen während des Tref­fens im Film­kon­text einbringen, kreativ im Team arbeiten, und gleich­zeitig etwas über die Wich­tig­keit von Insekten für den Menschen lernen.


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