Klima­ge­rech­tig­keit braucht Femi­nismus

Datum
09. November 2020
Autor*in
Constanze North
Redaktion
politikorange
Themen
#greenjournalism 2020 #Klima
Orangenes Banner mit der Aufschrift: we are on fire act now

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Foto: Markus Spiske, Pexels.com

Klima­ge­rech­tig­keit kann es nicht ohne Anti­ras­sismus, Deko­lo­nia­lismus und Femi­nismus geben, findet poli­ti­ko­range-Redak­teurin Constanze North. Aber wie posi­tio­nieren sich eigent­lich Klima­be­we­gungen in Deutsch­land zu Inter­sek­ti­onlität im Kampf gegen die Klima­ka­ta­strophe? Ein Kommentar.

Foto: Foto von Markus Spiske,  Pexels

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Die Klima­ka­ta­strophe ist mehr als nur ein Umwelt­pro­blem, sie ist eine poli­ti­sche und ethi­sche Heraus­for­de­rung. Denn sie verdeut­licht bestehende Ungleich­heiten und Macht­ver­hält­nisse auf der Welt und zeigt die Unge­rech­tig­keiten einmal mehr auf, die bereits jahr­hun­der­te­lang durch Kolo­nia­lismus, Kapi­ta­lismus, Patri­ar­chat und Ausbeu­tung bestimmter Regionen unsere Welt bestimmen. Der Klima­wandel ist also ein Gerech­tig­keits­pro­blem, denn unter seinen Folgen leiden beson­ders die Bevöl­ke­rungs­gruppen, die am wenigsten für ihn verant­wort­lich sind. Oft im Globalen Süden gelegen, sind sie dem Klima­wandel ausge­lie­fert, während sich die Länder des Globalen Nordens, die stark umwelt­ver­schmut­zend wirt­schaften, die meisten Ressourcen besitzen, um sich weitaus besser gegen die Folgen der Klima­krise schützen zu können. Gleich­zeitig spielt hierbei auch das soziale Geschlecht eine Rolle, einer­seits bei der Frage, wer am stärksten von Klima­folgen betroffen ist und ande­rer­seits bei der Entwick­lung von Lösungs­an­sätzen für Klima­ge­rech­tig­keit, bei denen – bedingt durch patri­ar­chale Struk­turen – Frauen, sowie nicht-binäre und queere Menschen nicht gleich­be­rech­tigt am Diskurs betei­ligt sind. Um dies zu ändern, muss der Kampf für Klima­ge­rech­tig­keit intersektional(-er) werden. Lang­fristig sollte ein globales, gleich­be­rech­tigtes Netz­werk etabliert werden, sodass neue ökolo­gi­sche Perspek­tiven nach­haltig etabliert werden. Folg­lich muss Klima­ge­rech­tig­keit also die Klima­ka­ta­strophe als poli­ti­sches und ethi­sches Problem aner­kennen, welches im Einklang mit anderen Kämpfen gegen Diskri­mi­nie­rungen gelöst werden muss.

One struggle, one fight

Auch die deut­schen Klima­be­we­gungen beispiels­weise Fridays for Future oder Ende Gelände setzen ihren Fokus gezielt auf das Konzept der Klima­ge­rech­tig­keit. So posi­tio­niert sich beispiels­weise die Orts­gruppe in Hannover von Fridays for Future konkret zur Verbin­dung von femi­nis­ti­schem Kampf und Klima­krise. Im Gespräch mit Helen und Zora, zwei Aktivist*innen dieser Fridays for Future Gruppe, wird deut­lich, wofür eine klima­ge­rechte Politik steht: Wir möchten, dass eine Klima­po­litik so geführt wird, dass soziale Unge­rech­tig­keiten aufge­löst werden, sodass niemand stärker benach­tei­ligt wird als andere und dass gegen­wär­tige Unge­rech­tig­keiten gegen­über Frauen, oder auch gegen­über PoCs (Anmer­kung der Redak­tion: People of Color), die durch die Klima­krise noch verstärkt werden, gemeinsam durch eine klima­ge­rechte Politik bekämpft werden.“

Platt­form der Stimme

Der Kampf gegen die Klima­ka­ta­strophe muss also inter­sek­tio­nell geführt werden, da die Probleme, die durch Rassismus und Kolo­nia­lismus in einer patri­ar­chalen Gesell­schaft entstehen, unmit­telbar damit verbunden sind. Jedoch bleibt die Frage, inwie­fern Aktivist*innen beispiels­weise aus dem Globalen Süden wirk­lich mit in Entschei­dungs­pro­zesse von Fridays for Futures einbe­zogen werden. Auch die Darstel­lung von Fridays for Future in der Öffent­lich­keit wird sehr stark durch einige wenige Personen, wie Greta Thun­berg oder in Deutsch­land Luisa Neubauer domi­niert, weshalb selten andere Posi­tionen zur Geltung kommen. Auch Helen und Zora erklären, dass sie sich bewusst seien, dass in der Debatte momentan Aktivist*innen aus dem Globalen Norden stärker vertreten sind und dass sie deswegen speziell in ihrer Orts­gruppe aktiv dagegen arbei­tende Projekt­gruppen bilden, beispiels­weise zu Themen wie Inter­na­tio­na­lismus“. Trotzdem bleibt zu bedenken, dass, wenn bestimmten Aktivist*innen des Globalen Süden eine soge­nannte Platt­form oder Stimme gegeben wird“, kolo­nialen Konti­nui­täten mitschwingen.

Foto: unsplash

Foto: Lindsey LaMont, Unsplash

Femi­nismus bei Fridays for Future

Über die Rolle des Femi­nismus bei Fridays for Future, sagen Zora und Helen: Femi­nismus spielt für uns eine Rolle, indem wir uns einer­seits über die Wich­tig­keit der Bekämp­fung des Patri­ar­chats in der Bekämp­fung der Klima­krise bewusst sind. Ande­rer­seits versu­chen wir natür­lich auch in unserer Arbeit gegen patri­ar­chale Struk­turen vorzu­gehen, indem wir uns zu Themen posi­tio­nieren, die eben im Zusam­men­hang mit Femi­nismus stehen und dass wir auch in unserer orts­gruppen-internen Arbeit versu­chen, so anti­se­xis­tisch zu arbeiten, wie nur möglich.“ Auch auf Bundes­ebene bemüht sich die Bewe­gung anti­pa­tri­ar­chale Struk­turen zuer­schaffen, zum Beispiel durch FINTA*-Quoten (FINTA* steht für Frauen, Inter, Nicht-Binär, Trans, Agender) in all ihren Gremien und Organen. Lässt sich deswegen auch erklären, dass sich nicht nur bei Fridays for Future, aber auch in anderen Klima­be­we­gungen, vor allem Frauen enga­gieren und die Personen, die in der Öffent­lich­keit stehen weib­lich sind?

Deut­sche Klima­be­we­gungen sind weib­lich

Die taz-Redak­teurin Katha­rina Schip­kowski, die häufig über verschie­dene deut­sche Klima­be­we­gungen berichtet, findet dass diese aktuell auf jeden Fall sehr weib­lich geprägt seien. Die Klima­be­we­gung in Deutsch­land hat ja schon häufig den Vorwurf bekommen, dass sie vor allem weiß und akade­misch geprägt ist und deshalb hat sie nun in den letzten Jahren versucht, andere Themen­felder in ihr großes Themen­feld Klima­ka­ta­strophe und Klima­ge­rech­tig­keit’ zu inte­grieren.’’ Gerade weil Fridays for Future eine globale Bewe­gung ist, bleibt es unaus­weich­lich, dass sie eine deko­lo­niale Perspek­tive annimmt. Denn es kann für sie keine Klima­ge­rech­tig­keit ohne Anti­ras­sismus, Deko­lo­nia­lismus und Femi­nismus geben. Aber die Frage bleibt: muss in einem kapi­ta­lis­ti­schen System, welches Ungleich­heiten verschärft und auf bestehenden Macht­struk­turen und der Ausbeu­tung von Mensch und Umwelt basiert, nicht auch gleich­zeitig das System in Frage gestellt werden ?

Die System­frage stellen

Andere Bewe­gungen, wie beispiels­weise Ende Gelände sehen den Kampf gegen die Klima­ka­ta­strophe und die System­frage in unaus­weich­li­cher Verbin­dung. Das bedeutet, dass soziale und ökolo­gi­sche Fragen zusammen betrachtet und gelöst werden müssen.

Die Über­win­dung des Kapi­ta­lismus ist für sie unum­gäng­lich und der System­wechsel dieein­zige Möglich­keit, die Klima­ka­ta­strophe zu bekämpfen. Daher ist es wichtig, unver­züg­lich mit der Abschaf­fung des kapi­ta­lis­ti­schen Systems unter Betei­li­gung aller Gruppen aus dem Globalen Süden und dem Norden zu beginnen und auf neue ökolo­gi­sche Alter­na­tiven umzu­bauen. Wenn das nicht gelingt, wird das jetzige System in abseh­barer Zeit wohl­mög­lich zusam­men­bre­chen.

Dieser Artikel entstand im Rahmen des Projekts ‚#green­jour­na­lism – Klima­schutz und Jour­na­lismus‘, welches geför­dert wurde durch den Jugend-Demo­kra­tie­fonds Berlin.

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