Im gebro­chenen Spiegel: Unsere Gene­ra­tion ist anders

Datum
28. Mai 2015
Autor*in
Alaida Hobbing
Redaktion
politikorange
Thema
#JMWS15
ImgebrochenenSpiegel_Rex-Roof_flickr.com_CC-BY_1

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Wir sind sehr schnell im Umgang mit Digi­talem und Technik. Wir sind inno­vativ, lieben die Multi­op­tio­na­lität, fordern Trans­pa­renz. Unsere Indi­vi­dua­lität ist uns sehr wichtig und wir haben ein erhöhtes Medien­be­wusst­sein und sind sehr kommu­ni­ka­ti­ons­freudig. Das ist unsere Gene­ra­tion: die Digital Natives.

ImgebrochenenSpiegel_Rex-Roof_flickr.com_CC-BY

Foto: Rex Roof, flickr.com, CC-BY

Meine Gene­ra­tion ist nicht nur mitteilsam, sondern lebt auch anders als die Gene­ra­tionen zuvor. Wir schreiben anders und wir bewerten anders. Wir befinden uns andau­ernd in einem Beob­ach­tungs­status. Wir erleben den Moment nicht nur einmal, sondern zweimal. Denn wir erleben ihn noch einmal digital. Und dieses digi­tale Erleben macht für uns keinen Unter­schied.

Ich bin auf dem Weg zu einem Konzert in der Hamburger Innen­stadt. Mitten auf der Straße bleibe ich stehen, ich habe den Weg vergessen – Google Maps. Ein wenig später komme ich an – Ankom­mens­selfie. Luisa, Sarah und Tom gefällt das. Warten in der Schlange vor dem Einlass – schnell noch die Nach­richten und Kommen­tare lesen, eine neue App und ein T‑Shirt kaufen. Beim Einlass wird meine Eintritts­karte von meinem Bild­schirm abge­scannt. Nun stehe ich mitten in einer Masse von tausend Menschen vor der Bühne. Ich filme die Perfor­mance auf der Bühne. Mein Bild­schirm ist zu meiner Bühne geworden. Der Sänger fordert auf mitzu­tanzen. Drei Ältere tanzen vor mir. Ich möchte das Bild nicht verwa­ckeln und ich fühle mich von der Ansage nicht wirk­lich ange­spro­chen, denn ich starre weiter auf meinen Bild­schirm, als würde ich fern­gu­cken. Nach dem Konzert bin ich sehr glück­lich – den Film, den ich auf Face­book auf meine Pinn­wand gepostet habe, hat vielen gefallen. Drei beneiden mich darum. Das Foto auf Twitter bekam eine posi­tive Reso­nanz und eine anhal­tende Diskus­sion über das Konzert ereignet sich.

Im Internet lebt mein zweites Ich

Wir erleben also nicht nur auf den Moment bezogen, sondern unser zweites Erleben ist das Mitteilen an die Gesell­schaft. Uns ist die Zunei­gung und Aufmerk­sam­keit der Freunde sehr wichtig. Natür­lich gibt es Situa­tionen, in denen ich mich vom Bild­schirm wegbe­wege und meine Welt anschaue und auch diese Situa­tionen werden bleiben. Aber spätes­tens, nachdem mich der WhatsApp-Ton erweckt hat, werde ich auf mein Handy schauen müssen.

Ich merke selbst, wie sich das Verhalten meiner Gene­ra­tion gewan­delt hat. Ein Tag ohne Smart­phone und soziale Netz­werke, ein Tag ohne digi­tale Reso­nanz ist undenkbar. Mein Leben im Internet ist wie ein gebro­chener Spiegel: Er erzählt nicht die ganze Wahr­heit über mich, aber eine Teil­wahr­heit und diese viel­leicht auch wünschens­werte Teil­wahr­heit ist mein zweites Ich. Und es beein­flusst mich in meinem Leben und meiner Urteils­kraft sehr stark. Wir sind die Gene­ra­tion der Voyeure – doch anstatt still zu sein, bewerten und unter­halten wir uns im Nach­hinein sehr ange­spannt.


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