Das Internet und ich sind zusammen groß geworden“

Datum
13. Juni 2015
Autor*in
Markus Hehn
Redaktion
politikorange
Thema
#JMWS15
Sabine-Bleich_ZDF_Samuel-Groesch

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Sabine Bleich ist Mitglied in der Redak­tion von maybrit illner“ und Second-Screen-Expertin. Mit Markus Hehn und Lou Godvliet sprach sie darüber, welche Bedeu­tung das Internet für das Fern­sehen von Heute hat.

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"Das Internet soll nicht nur für alle Menschen da sein, sondern für alle auch das ganze Netz." (Foto: Samuel Groesch)

Frau Bleich, durch soziale Netz­werke kann man jeder­zeit über alles disku­tieren, auch über Politik und deren Prot­ago­nisten. Denken Sie, dass diese Entwick­lung den poli­ti­schen Diskurs berei­chern oder eher will­kür­lich machen wird?

Sabine Bleich: Eines muss man schon sehen: Zufrie­dene Zuschauer behalten ihre Meinung deut­lich öfter für sich als dieje­nigen, denen etwas nicht passt. Manchmal führt das Ganze dann ziem­lich in die Irre. Es kann natür­lich auch sein, dass an bestimmten Sachen etwas dran ist und das nimmt man sich zu Herzen. Das nimmt sich auch die Politik zu Herzen. Aber es verzerrt schon. Und wenn das jemand von außen liest, sollte er es gründ­lich reflek­tieren, gerade im poli­ti­schen Diskurs.

Mit Blick auf die vielen Risiken und neuen Fragen in Sachen digi­tale Kommu­ni­ka­tion: Wünschen Sie sich manchmal in die Zeit ohne Smart­phones und Internet zurück?

Nein, man kann es sich ja kaum noch vorstellen, wie es mal ohne war. Das Internet und ich sind zusammen groß geworden. Die Menschen müssen verstehen, dass das Internet mehr ist als beispiels­weise mein Face­book-Feed. Böse gesagt, hat unsere Gene­ra­tion noch gelernt im Internet zu suchen, während viele, die jetzt einsteigen, bei Face­book einfach ein paar Dinge liken, dadurch immer ihre Time­line erhalten und gar nicht mehr selbst suchen, sondern nur noch das nehmen, was da sowieso kommt. Und dadurch verliert das Internet seine Frei­heit.

Die Menschen sorgen selbst dafür, dass sie ihre Frei­heit verlieren, weil sie gar nicht mehr versu­chen, einfach selbst im Netz zu schauen, was da denn eigent­lich noch ist. Klar, der Mensch ist faul. Bei meinen Eltern und auch bei mir ist das ja ganz ähnlich gewesen. Wir haben den Fern­seher ange­macht und alles ange­schaut, was es da gab. Und wir waren total begeis­tert, als es das Internet gab und haben gedacht: Verdammte Hacke, jetzt kann ich auch Washington Post lesen.“ Das Internet soll nicht nur für alle Menschen da sein, sondern für alle auch das ganze Netz.

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"Diese Lean-Back-Haltung, die man dem Fernsehen vorwirft, zieht meiner Meinung nach gerade ins Internet ein." (Foto: Samuel Groesch)

Sind Face­book, Twitter und Co. also heute das, was früher für Sie das Fern­sehen war?

Genau, man bekommt einfach nur noch Dinge präsen­tiert und schaut selbst nicht mehr nach rechts und links. Das finde ich übri­gens viel gefähr­li­cher als irgend­welche Daten­schutz­fragen – also ob Obama weiß, wann ich morgens aufge­standen oder wie lange ich gerade gejoggt bin. Natür­lich ist die Vorstel­lung erschre­ckend, dass die ersten Kran­ken­kassen schon anfangen, die Daten von Tracking-Apps einzu­sam­meln und auf dieser Grund­lage unter­schied­liche Beiträge verlangen. Aber auf der anderen Seite denke ich: Das holen die sich mögli­cher­weise auch auf anderen Wegen und es läuft auf dasselbe hinaus.

Das Internet sind die Menschen, und dass diese Menschen wieder mit ihrem Internet umgehen und es in seiner Gänze benutzen – also nicht nur drei Firmen, denen sie einst mal vertraut haben, die Entschei­dung über­lassen, was den einzelnen inter­es­siert – darauf hoffe ich sehr. Ich selbst möchte etwas wissen und nicht nur etwas präsen­tiert bekommen. Diese Lean-Back-Haltung, die man dem Fern­sehen vorwirft, zieht meiner Meinung nach gerade ins Internet ein. Der Mensch ist doch faul am Ende des Tages.


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