Haus­ge­machter Hunger

Datum
28. April 2017
Autor*in
Julius Geiler
Redaktion
politikorange
Thema
#RuralFuture 2017
© Jonas Walzberg

© Jonas Walzberg

Jonas Walzberg
In Ostafrika sind aktuell zwanzig Millionen Menschen akut von Hunger bedroht. Die Vereinten Nationen spre­chen von der größten Hunger­ka­ta­strophe seit dem Zweiten Welt­krieg. Hätte man die Krise voraus­sehen können? Julius Geiler kommen­tiert eine unter­prä­sen­tierte Tragödie.
© Jonas Walzberg

Gerd Müller (2.v.l.) bei der Buchpräsentation von „Stimmen gegen den Hunger“                                Foto: Jonas Walzberg

Somalia, Südsudan, Jemen und Nord-Nigeria – wenn man sich die Auflis­tung der von Hunger betrof­fenen Länder anschaut, fällt schnell auf, dass es sich bei allen um Konflikt­herde handelt, in einigen ist der Krieg im vollen Gange. Millionen Menschen sind auf der Flucht, nicht fähig, ihre Äcker zu bestellen oder zu ernten. Im Kombi­na­tion mit dem alle vier Jahre auftre­tenden Wetter­phä­nomen El Nino und damit zusam­men­hän­genden Dürren bezie­hungs­weise Über­schwem­mungen lässt sich die Inten­sität der aktu­ellen Hungersnot erklären.

Eine Krise zu viel

Der aktu­elle huma­ni­täre Notstand am Horn von Afrika scheint in Europa wenig bis gar nicht präsent. Die Suche nach Soli­da­ri­täts-Demons­tra­tionen, Bene­fiz­kon­zerten oder konkreten Initia­tiven gegen den Hunger in Deutsch­land ist vergeb­lich. Hilfs­or­ga­ni­sa­tionen beklagen sich über eine verhält­nis­mäßig geringe Spen­den­be­reit­schaft. Zu erklären ist das vor allem mit dem subjek­tiven Empfinden vieler, dass unsere Zeit eine beson­ders unru­hige ist. Kriege in Syrien und dem Irak, der Nukle­ar­kon­flikt zwischen Nord­korea und den USA, Terror in Europa und viele andere Brenn­punkte tragen dazu bei und verstärken dieses Gefühl. Der Hunger in Ostafrika ist schlicht eine Kata­strophe zu viel.

Versagen der Staa­ten­ge­mein­schaft

Bei der G20-Vorkon­fe­renz Future of the Rural World“ steht der Hunger in aller Welt im Mittel­punkt. Am Rande einer vom Bundes­ent­wick­lungs­mi­nis­te­rium orga­ni­sierten Buch­prä­sen­ta­tion kommt in der anschlie­ßenden Diskus­sion mit den sechs Autorinnen und Autoren des Buches Stimmen gegen den Hunger“, die Hungersnot in Ostafrika zur Sprache. Verfas­se­rinnen und Verfasser der Gast­bei­träge im Buch sind unter anderem Bundes­ent­wick­lungs­minster Gerd Müller und die Präsi­dentin der Deut­schen Hunger­hilfe, Bärbel Dieck­mann. Beide spre­chen von einer vorher­seh­baren Kata­strope am Horn von Afrika. Vor allem das mitt­ler­weile längst erforschte Wetter­phä­nomen El Nino, eine unmit­tel­bare Folge des Klima­wan­dels, hätte ausge­reicht, um sich prophy­lak­tisch auf eine Dürre in den jetzt betroff­fenen Regionen einstellen zu können. Während El Nino in anderen Gebieten der Erde für kata­stro­phale Über­schwem­mungen sorgt, sind die Staaten Ostafrikas vor allem von Dürren bedroht.

Ein Faktum, dem sich Klima­ex­perten, ‑exper­tinnen, Meteo­ro­logen und Meteo­ro­lo­ginnen schon einige Zeit bewusst sind, gehan­delt wurde nicht. Warum also hat die Welt nicht reagiert? Laut Müller ist gerade das die Frage, die sich die Staa­ten­ge­mein­schaft stellen muss, einge­schlossen wird dabei natür­lich auch die Bundes­re­pu­blik. Der Minister wünscht sich eine von der G20-Vorkon­fernez ausge­hende Signal­wir­kung und die Frage nach dem eigenen Gewissen: Warum nehmen die Staaten in huma­ni­tären Notsi­tua­tionen, wie jener in Ostafrika, ihre drin­gend notwen­dige Verant­wor­tung nicht wahr?“

Präven­tiver Krisen­topf

Um ähnli­chen Kata­stro­phen in Zukunft vorbeugen zu können, schlägt Müller einen globalen UN-Krisen­fonds vor, in den jedes Land präventiv einen gewissen jähr­li­chen Beitrag einzahlt, um in akuten Krisen­si­tua­tionen die Möglich­keit zu haben, sofort auf nötige Hilfs­gelder zurück­greifen zu können. Sollten die Gelder am Ende des Jahres nicht genutzt worden sein, werden sie nach Müllers Plänen einfach in den Fonds des folgenden Jahres einfließen. Getreu dem Motto: Die nächste Kata­strophe kommt bestimmt.“ Details wie die Frage, wonach sich denn die jewei­lige Beitrags­höhe eines Landes richtet, lässt er offen. Unter­stüt­zung für seinen Vorschlag erhält er von Bärbel Dieck­mann, Präsi­dentin der Deut­schen Hunger­hilfe. Sie hält Müllers Modell gene­rell für sinn­voll, fügt jedoch hinzu, dass man gleich­zeitig auch die Situa­tion vor Ort verbes­sern muss. Sprich: sich für Frieden einsetzen und Flucht­ur­sa­chen bekämpfen, um von Menschen gemachte Hungers­nöte, wie jene im Osten Afrikas, perspek­ti­visch zu verhin­dern. Gleich­zeitig appel­liert sie an die Spen­den­be­reit­schaft der Deut­schen, Euro­päe­rinnen und Euro­päer.

Final hebt der Minister die beson­dere Aufgabe der Bundes­re­gie­rung beim G20-Gipfel in Hamburg hervor, das Thema Hunger promi­nent auf der Agenda zu plat­zieren. Schließ­lich leiden die Länder am meisten unter meteo­ro­lo­gi­schen Verän­de­rungen und damit zusam­men­hän­genden Hungers­nöten, die am wenigsten Mitschuld an den Ursa­chen des Klima­wan­dels tragen. Hier müssen sich vor allem die großen Indus­trie­na­tionen in der Pflicht sehen.


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