Dorf ist sexy!

Datum
03. Mai 2017
Autor*in
Eva Schulze
Redaktion
politikorange
Thema
#RuralFuture 2017
Noi Paulina Selepe

Noi Paulina Selepe

Foto: Jugendpresse Deutschland / Julian Kugoth

Würdest du gern Bauer oder Bäuerin werden? Auf dem Land leben? Jeden Tag, wenn der Hahn das erste Mal kräht, aufstehen, dich um Ackerbau kümmern und Kühe melken? Meine Gene­ra­tion zieht es in die Städte und ein Leben auf dem Land ist für viele unvor­stellbar, aber notwendig. Eine Beob­ach­tung von Eva Schulze.

© Jonas Walzberg

Mmmh... worauf hat die Kuh wohl Hunger?                                                                                                      Foto: Jonas Walzberg

Mit einem Sprung von der Groß­stadt auf den Biohof

Ganz schön kalt, oder? Wollen wir zusammen zurück­hüpfen und uns aufwärmen? Alleine fühlt man sich so albern“, fragt mich eine fröh­liche junge Frau in grüner Outdoor-Jacke, als wir uns das erste Mal auf dem Ökohof Brodowin (Barnim) begegnen. Der April macht was er will“, heißt die alte Bauern­regel. Als ich mir beim Mittag­essen in einem Zelt mit Bier­bänken sämt­liche Körper­teile abfriere und mir furchtbar städ­tisch vorkomme, nehme ich diese Einla­dung dankend an. So komme ich hüpfend ins Gespräch mit Fenja, 22, aus dem Norden Deutsch­lands. Eigent­lich bin ich es ja gewohnt, viel draußen zu sein, aber heute ist es echt unge­müt­lich“, erzählt sie weiter­hop­send. Es beru­higt mich, dass anschei­nend auch den Land­be­woh­nern und ‑bewoh­ne­rinnen heute einfach kalt ist.

Doch wieso ist Fenja so viel mehr draußen als ich? Sie macht eine Gemü­se­anbau-Ausbil­dung und erzählt davon, wie man im Winter irgend­wann keine Lust mehr hat, Holz zu hacken und im Herbst total geschafft ist von der Feld­ar­beit. Ein Alltag, der mir völlig fremd ist. Im Laufe der letzten Tage habe ich viele Menschen getroffen, für die das Land Lebens­rea­lität ist und die sich aktiv dafür einsetzen, das auch für andere wieder attrak­tiver zu machen.

An welchem Baum wächst die Kartoffel eigent­lich?

Ich bin es gewohnt, im Super­markt saison­un­ab­hängig in Plastik verpacktes Gemüse und exoti­sches Obst aus aller Welt zu kaufen. Die Menschen, die sich mit deren Anbau ihren Lebens­un­ter­halt verdienen, haben welt­weit mit verschie­densten Heraus­for­de­rungen zu kämpfen. Dies wurde im Rahmen der G20-Konfe­renz EINEWELT ohne Hunger ist möglich. Die Zukunft des länd­li­chen Raums“ Ende April 2017 in Berlin deut­lich. Nicht nur erfah­rene NGO-Vertreter und ‑Vertre­te­rinnen, Profes­so­rinnen und Profes­soren sowie und Exper­tinnen und Experten, sondern auch die Jugend findet Gehör. Starken Stimmen und inno­va­tiven Ideen wird hier eine Platt­form zum inter­na­tio­nalen Austausch geboten.

Einmal Stadt und zurück

Das ist nicht nicht nur beein­dru­ckende Inspi­ra­tion, sondern auch drin­gende Notwen­dig­keit. Ein Kern­pro­blem des länd­li­chen Raums welt­weit ist die Abwan­de­rung in die Städte. Laut dem Statistik-Portal statista werden 2030 fast 60 Prozent der Menschen in Städten leben, in Deutsch­land werden es sogar knapp 80 Prozent sein. Perspek­tiv­lo­sig­keit durch einen Mangel an Jobs, Bildungs- und Kultur­ein­rich­tungen und Lust auf ein junges soziales Umfeld sind für viele Anreiz, ihre länd­liche Heimat hinter sich zu lassen. Peter Krentz, einem der Geschäfts­führer des Ökodorfs Brodowin, ist es gelungen, dem Trend der Abwan­de­rung entge­gen­zu­wirken. Doch wie hat er das geschafft? Er beschäf­tigt 120 Mitar­bei­tende, in Zeiten, den denen Mensch häufig durch Maschine ersetzt wird und die durch­schnitt­liche Anzahl der Mitar­bei­tenden pro 1000 Hektar ledig­lich bei zwei Personen liegt. Der Mensch ist das Konzept, das Nadelöhr, was uns ausmacht“, formu­liert Krentz die Leit­li­nien des Hofs, welche nicht nur wirt­schaft­lich, sondern auch ökolo­gisch und sozial geprägt sind. Damit hat er es geschafft, junge Menschen und Fami­lien wieder dazu zu moti­vieren, auf das Land zu ziehen. Das war nicht immer so. In den Neun­zi­ger­jahren verließen viele das Dorf, um in große Städte oder ins Ausland zu gehen. Keine Kinder­gärten, keine Jobs. Jetzt kommen sie zurück, lassen sich mit ihren Fami­lien nieder und sorgen damit für Nach­wuchs in Brodowin. Es ist eben attrak­tiver geworden“, so Krentz. 

Ein leeres Gewächs­haus ist auch keine Lösung

Auch Noi Paulina Selepe, eine junge Frau aus Lesotho, kämpft dafür, die Jugend für das Land­leben in ihrer Region zu begeis­tern. Wir müssen unsere Heran­ge­hens­weise verän­dern“, bringt sie an und ihr Blick ist dabei bestimmt. Sie erzählt von leer­ste­henden Gewächs­häu­sern, denn Gelder gingen an Menschen, die zwar gute Anträge schreiben könnten, aller­dings fehle nötiges Fach­wissen und Leiden­schaft. Die Jugend brauche Anreize, Bildung und muss ernst­ge­nommen werden. Gerade im globalen Süden schei­tern Projekte oftmals daran, dass sie von NGOs geleitet werden und nicht von den Bauern selbst oder jungen Menschen.

Die Konfe­renz zeigt: Es gibt sie, junge Menschen wie Fenja und Paulina, die auf dem Land leben wollen und dessen Bedeu­tung erkannt haben. Sie nehmen sich den Heraus­for­de­rungen an, setzen auf Fair­ness und zeigen: Dorf­leben ist sexy!


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