Porträt eines Pfadfinderaussteigers 

Haben Sie den Weg verloren?

Datum
02. Oktober 2025
Autor*in
Valentin Rühlmann
Redaktion
nah:dran
Thema
#freizeit
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Es ist ein warmer Samstag, an dem Steven (17) an seine Zeit bei den Pfad­fin­dern zurück­denkt. Von 2018 bis 2024 – fast ein Drittel seines Lebens – war er Teil des Jugend­ver­bandes im Alten­burger Land. Hier ist er die verschie­denen Ränge durch­laufen und hat viele eindrück­liche Erleb­nisse sammeln können. Ich habe ihn zum Gespräch getroffen. 

Heute, andert­halb Jahre nach seinem Austritt, erin­nert sich Steven an seine Anfänge. Fast meine ich ein Leuchten in seinen Augen zu erkennen, als er beschreibt, wie er bei einem Schul­fest des Spalatin-Gymna­siums auf die Pfad­finder aufmerksam geworden ist. Den damals noch unsi­cheren 12-Jährigen bewegte sehr, dass bei den Pfad­fin­dern jeder gleich­rangig will­kommen ist. Noch heute beschreibt er, dass gerade Personen, die einen festen Platz in der Welt suchen, sich hier zu Hause fühlen können. Anschlie­ßend schil­dert er farben­froh, wie er gemeinsam mit dem Verband an verschie­densten Akti­vi­täten und Ausfahrten teil­ge­nommen hat – egal ob Zelten unter Bäumen oder Wandern in der Säch­si­schen Schweiz – Steven sprüht vor Begeis­te­rung. Doch dann verdun­kelt sich der Raum, in dem wir für das Inter­view sitzen, und zeit­gleich auch Stevens Gemüt. 

Er berichtet nun davon, wie mit fort­lau­fender Dauer seiner Teil­habe die Anfor­de­rungen an ihn mit immer größerem Druck auf ihm lasteten. Immer präsenter wurde für ihn die Erwar­tungs­hal­tung, sich vor allem um die jüngeren Pfad­finder zu kümmern, auf sie aufzu­passen und zu schauen, dass sie eine gute Zeit haben. Als einer seiner Team­leiter ihn nach einer Veran­stal­tung beiseite nahm, um ihm noch einmal deut­lich zu machen, dass sie nicht zum Spaß hier seien“, wurde Steven klar, dass die Erwar­tungen der Orga­ni­sa­tion nicht mehr mit dem über­ein­stimmten, was ihn einst dazu bewegt hatte, Teil davon zu werden. Er hält kurz inne und schaut in die Ferne. Dann fährt er fort und erklärt mir, dass der impli­zite Erwar­tungs­druck, sich um die Bespa­ßung von Kindern“ zu kümmern, während man selbst als junger Mensch eigent­lich nur eine gute Zeit mit Freunden haben wollte, eine Barriere für ihn und andere darge­stellt habe. 

Dass diese Erwar­tung nicht klar kommu­ni­ziert wurde, führte vor andert­halb Jahren zu seinem Austritt. Heute steht Steven fest im Leben. Er hat seine Schul­lauf­bahn erfolg­reich abge­schlossen, eine Ausbil­dung begonnen und enga­giert sich als Team­cap­tain bei einem sozialen Projekt ehren­amt­lich. Hier ist es seine Aufgabe, andere junge Menschen zusam­men­zu­bringen und zu befä­higen, selbst­ständig eigene Projekte umzu­setzen. Diese Rolle ist nicht unähn­lich zu dem, was bei den Pfad­fin­dern von ihm erwartet wurde. Auf diesen Wider­spruch ange­spro­chen, schmun­zelt er. Steven beschreibt, dass die Erwar­tungs­hal­tung hier eine andere sei: Es gehe nicht darum, selbst einfach nur Spaß zu haben, sondern darum, andere Menschen stark zu machen, damit sie sich in der Welt zurecht­finden. Davon ist er sichtbar begeis­tert. 

Auch wenn Steven sich gern an die gemein­same Zeit mit Freunden und die schönen Erleb­nisse zurück­er­in­nert, würde er sich aktuell nicht wieder bei den Pfad­fin­dern enga­gieren. Viel­leicht könnte sich das mit einer neuen Mission, einem geschaf­fenen Mehr­wert in Anbe­tracht der Heraus­for­de­rungen des 21. Jahr­hun­derts, in Zukunft ändern. 

*Dieser Beitrag ist im Rahmen einer eintägigen Jugendredaktion entstanden. 

 

Die mobile Jugendredaktion ist Teil des Projekts nah:dran – Medien für alle. Im Mittelpunkt stehen die Themen, Wünsche und Anliegen junger Menschen aus strukturschwachen Regionen. Ziel ist es, ihnen eine Plattform zu bieten und ihre Perspektiven in der Medienlandschaft sichtbar zu machen. Das Projekt wird im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!” durch das Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert. 

BMBFSFJ DL mit Foerderzusatz

»Für inhaltliche Aussagen und Meinungsäußerungen tragen die Publizierenden dieser Veröffentlichung die Verantwortung.« 


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