Enga­ge­ment bedeutet ja nicht unbe­dingt, vegan zu leben“

Datum
14. Mai 2019
Autor*in
Isabel Knippel
Redaktion
politikorange
Thema
#JPT19
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Foto: Jugendpresse Deutschland / Ragnar Hüneke

Isabel Knippel analy­siert, ob Second­hand­kla­motten, fleisch­lose Produkte und Peti­tionen gegen Ziga­ret­ten­stummel die neue Revo­lu­tion der Jugend­li­chen sind.

Enga­ge­ment ist für die Gesell­schaft wichtig. Doch ist es heute auch noch selbst­ver­ständ­lich? Die Gene­ra­tion Z wird häufig als poli­tik­ver­dros­sene Kohorte darge­stellt, die lieber Stories über Avocado-Toasts auf Insta­gram teilt, als Miss­stände anzu­pran­gern. Es gibt immer weniger Jugend­liche, die sich mit einer Partei iden­ti­fi­zieren und sich dort enga­gieren. Der Zustrom zu Bewe­gungen wie Fridays for Future“ zeigt aller­dings ein anderes Bild. Demons­tra­tionen – beispiels­weise zu Artikel 17 (früher 13) – zeigen, dass die heutige Jugend ihre Stimme als Digital Native in der Gesell­schaft wahr­nimmt.

Doch wie revo­lu­tionär ist unsere Gene­ra­tion wirk­lich? Hört man sich auf den Jugend­po­li­tik­tagen um, dann werden große Ände­rungen und radi­kale Umstürze geplant. Einige enga­gieren sich – und die Ideen und Projekte der Teil­neh­menden sind zudem sehr viel­fältig.

Viele Jugend­liche sind schon aktiv

Ein Teil­nehmer will eine Orga­ni­sa­tion für viel­fäl­ti­gere Städte, frei von Schmutz und mit mehr grünen Flächen gründen. Auch Ziga­ret­ten­stummel auf den Böden sollen ange­pran­gert werden. Andere haben in ihren Wohn­orten Fridays for Future“ aufge­baut oder kandi­dieren sogar für die Kommu­nal­wahlen. Eine Teil­neh­merin macht klar, dass man sich auch als weiße, eigen­be­stimmte und nicht­mus­li­mi­sche Frau für die Islam­kon­fe­renz einsetzen kann. Manche arbeiten schon jetzt mit in der Regie­rung, in Fami­li­en­aus­schüssen oder nutzen die Tage, um für ihre Partei Werbung zu machen.

Ein Arbeits­grup­pen­leiter stellt die Orga­ni­sa­tion vor, die er gegründet hat, Demo­kratie Inno­va­tion“ heißt sie. Es geht um Bürger­räte, die – durch Losziehen – aus der Bevöl­ke­rung bestimmt werden sollen. Diese geben dann auf Bundes­ebene Empfeh­lungen an die Regie­rung weiter. Er selbst sagt, dass seine Idee nur schwer Anklang finde, weil es uns in Deutsch­land noch zu gut gehe. Auch die Frage, ob es den jetzigen Jugend­li­chen in Zukunft besser oder schlechter, als ihre Eltern haben gehen werde, beant­worten viele positiv. Wenige Stimmen posi­tio­nieren sich auf der nega­tiven Seite und sehen unsere Zukunft, aufgrund von einschlä­gigen Verän­de­rungen des Klimas und einer Ausgren­zung von Minder­heiten, pessi­mis­ti­scher.

Wie kann ich mich noch mehr betei­ligen?

Wieviel enga­gierst du dich selbst für eine nach­hal­ti­gere Zukunft und ein geeintes Mitein­ander? Das ist eine Frage, die über den gesamten Jugend­po­li­tik­tagen schwebt. Indi­vi­du­elle Hand­lungs­mög­lich­keiten sind ein Thema in jedem Forum. Bei der Einschät­zung in einer Arbeits­gruppe posi­tio­nieren sich die meisten bei über 50 Prozent, manche sogar bei 100 Prozent – mehr Enga­ge­ment ist für sie nicht möglich. Das hört sich viel­leicht blöd an, aber alle meine Klamotten wurden schon einmal von einer anderen Person getragen und benutzt“, sagt eine Teil­neh­merin. Dafür erhält sie Unter­stüt­zung. Viele kaufen Second­hand-Klamotten, ohne es pein­lich oder unhy­gie­nisch zu finden.

Auch wichtig: Enga­ge­ment bedeutet ja nicht unbe­dingt Veganer zu sein.“ Viele essen kein Fleisch oder Produkte tieri­schen Ursprungs, regen somit Diskus­sionen im Freun­des­kreis oder gelten als Vorbild für bewusste Ernäh­rung. Doch Enga­ge­ment kann auch sein, sich für andere einzu­setzen: Ob in der Leitung einer Grup­pen­stunde bei den Pfad­fin­dern, als Aushilfe im Senio­ren­heim oder damit, Geflüch­teten bei büro­kra­ti­schen Ange­le­gen­heiten unter die Arme zu greifen.

Luft nach oben gibt es immer!

Eine Teil­neh­merin wider­spricht den anderen aus ihrer Gruppe in einem bestimmten Punkt. Auch wenn sie sich alle schon enga­gieren und viel­leicht in diversen Vereinen oder Orga­ni­sa­tionen seien: Luft nach oben sei immer da. Wir sollten nicht aufhören, darüber nach­zu­denken, was jeder Einzelne für die Gesell­schaft verän­dern kann“, sagt sie. Sie wolle zwar nicht als Social Warrior“ gelten, aber finde trotzdem, dass man immer mehr tun könne.

Das alles klingt sehr positiv. Doch ist die Klientel der Teil­neh­menden eine Abbil­dung der Gesell­schaft? Viel­leicht erreicht man immer nur dieje­nigen, die sich sowieso schon enga­gieren. Aus der eigenen Blase heraus­zu­kommen und Leute zu über­zeugen, die nicht der eigenen Meinung sind, ist oft schwer möglich.

Wenn man eine der wenigen Personen ist, die eine radi­ka­lere Posi­tion als der Main­stream vertritt, ist es nicht immer leicht, diese zu äußern. Bei Aktionen des zivilen Unge­hor­sams findet bei vielen Teil­neh­menden das Enga­ge­ment eine Grenze – selbst, wenn sie sich dabei für einen schnel­leren Kohle­aus­stieg einsetzen. Auf die Gleise setzen oder im Poli­zei­kessel einge­schlossen zu sein, damit können die wenigsten Teil­neh­menden etwas anfangen. Das war Revo­lu­tion in der Vergan­gen­heit – wie wird es in Zukunft sein?


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