Digi­tale Parti­zi­pa­ti­ons­mög­lich­keiten in moderner Jugend­ar­beit

Datum
13. Dezember 2019
Autor*in
Sebastian Hennel
Redaktion
politikorange
Thema
#jungunddigital 2019
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Welche Möglich­keiten zur digi­talen Jugend­be­tei­li­gung gibt es und was sind die analogen Heraus­for­de­rungen für die moderne Jugend­ar­beit? In der mitt­ler­weile vierten Veran­stal­tung der Reihe Digi­tale Kommu­ni­ka­tion und Parti­zi­pa­tion – jung und digital“, die der Landes­ju­gend­ring NRW in Essen veran­stal­tete, ging es beson­ders um Nach­hal­tig­keit und Digi­ta­li­sie­rung. Das vierte Fach­ge­spräch thema­ti­sierte, welche digi­talen Parti­zi­pa­ti­ons­mög­lich­keiten es für junge Menschen und Multi­pli­ka­to­rinnen bzw. Multi­pli­ka­toren gibt und wie diese unser Zusam­men­leben beein­flussen. Sebas­tian Hennel war für poli­ti­ko­range dabei und berichtet.

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Die Vertreter und Vertreterinnen der Jugendverbände während des ersten Vortrages im Haus der Technik in Essen. I Foto: Elena Wüllner

Wir bewegen uns in einer Welt, in der sich Kommu­ni­ka­tion massiv verän­dert“

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Referentin Prof. Dr. Caja Thimm I Foto: Elena Wüllner

Im ersten Panel beleuchtet Prof. Dr. Caja Thimm (Univer­sität Bonn), die sich in ihrer Forschungs­ver­gan­gen­heit viel mit sozialen Platt­formen und Netz­werken beschäf­tigt hat, das Phänomen der data­fi­zierten Jugend“.

Sie formu­liert mehrere Thesen, in denen sie unter anderem das Internet als einen realen Lebens­raum“ für Jugend­liche klas­si­fi­ziert. Dies ließe sich zum einen daraus ableiten, dass der Content zum Gegen­stand des Gesprächs und somit zum inter­per­so­nellen Austausch diene“. Weniger wissen­schaft­lich formu­liert bedeutet das: Jugend­liche spre­chen unmit­telbar über das, was sie zuvor im Netz“ konsu­miert haben. Digi­taler und analoger Alltag gehen also stetig inein­ander über.

Ein weiteres Argu­ment dafür, dass sich diese beiden Lebens­welten immer mehr verknüpften, sei die Tatsache, dass junge Menschen ihre Smart­phones oftmals nah am Körper tragen würden. Diese enge Verzah­nung zwischen Internet und analogem Austausch bürge aber auch Gefahren, warnt Thimm. Sie behauptet, dass zwischen­mensch­liche Konflikte zuneh­mend ins Netz“ getragen werden, somit auch Cyber-Mobbing beför­dern würden. Das sei ein erstar­kender Trend“. Das Netz folge anderen Dyna­miken als das reale Leben. Unvor­her­seh­bare Dyna­miken, da die Verbrei­tung von Infor­ma­tionen und Content nicht immer steu­erbar sei, so Thimm. Sie ermu­tigt zu einem reflek­tierten Umgang mit den neuen Möglich­keiten der digi­talen Welt. Diese wird nämlich fort­schritt­li­cher: Chat­bots, auto­ma­ti­sierte Kunden­hot­lines und Tech­no­lo­gien wie das Deep-Lear­ning-Gesichts­er­ken­nungs­system könnten noch mehr zu unserem Alltag gehören, als sie es jetzt bereits tun. Ihren Vortrag unter­stützt Thimm mit Statis­tiken aus den frei zugäng­li­chen JIM- und KIM-Studien. Diese stellen Zahlen zum Medi­en­um­gang junger Menschen dar.

Im weiteren Verlauf ihres Vortrages beschäf­tigt sich die Medi­en­ex­pertin mit Influen­cern und Influen­ce­rinnen, sie nennt sie gar die neuen Heldinnen und Helden“. Gleich­zeitig hebt sie aber auch die Gefahren ihres enormen Einflusses hervor: Durch ihre hohe Reich­weite, könnten Influencer und Influen­ce­rinnen Vorstel­lungen wie z.B. proble­ma­ti­sche Schön­heits­ideale weit­rei­chend vermit­teln. Es scheint, als verfolgten sie fast eher Stra­te­gien einer geschickten Kommer­zia­li­sie­rung. Nicht unbe­dingt verwun­der­lich, wenn man bedenkt, dass die IHK mitt­ler­weile Weiter­bil­dungen zum Influencer-Marke­ting anbietet. In ihrem Fazit beschreibt Thimm Jugend­liche demnach als hoch­ak­tive Konsu­menten“ – und fordert von der Politik eine weit­rei­chen­dere Erzie­hung zur digi­talen Lebens­kom­pe­tenz“, um ein reflek­tiertes und kriti­sches Medien­be­wusst­sein auszu­bilden.

Digi­tale Parti­zi­pa­ti­ons­formen und reflek­tiertes Medien­be­wusst­sein

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Der Referent Markus Gerstmann bei der Moderation der Kleingruppen I Foto: Elena Wüllner

Nach einer kurzen Kaffee­pause spricht im zweiten Teil der Veran­stal­tung Medi­en­päd­agoge Markus Gerst­mann über digi­tale Kommu­ni­ka­tion, Daten­schutz und über Möglich­keiten digi­taler Betei­li­gung. Das bekann­teste Format digi­taler und poli­ti­scher Parti­zi­pa­tion sei wohl die Online-Peti­tion, die akti­vie­rend auf die poli­ti­sche Meinungs­bil­dung einwirke und somit nicht zu unter­schätzen sei, so Gerst­mann. Er stellt weitere Tools, wie tricider (zum Durch­führen von Umfragen), menti­meter (zum Erheben von Eindrü­cken und dem Gestalten einer inter­ak­tiven Präsen­ta­tion) vor, um den Teil­neh­menden einen größeren Einblick in den Pool der Möglich­keiten zu verschaffen. Einen weiteren Vorteil sieht Gerst­mann im Benutzen von pass­wort­ge­schützten Ether­pads, die eine kolla­bo­ra­tive Bear­bei­tung von Texten ermög­li­chen und so beispiels­weise gemein­same Planungs­pro­zesse inner­halb von Vereinen erleich­tern könnten. Liegt ein solches Tool auf einem internen Server, so seien auch Fragen des Daten­schutzes einfa­cher zu klären.

Anknüp­fend an den ersten Panel spricht Gerst­mann eben­falls von einer sich verän­dernden Kommu­ni­ka­tion und sieht Gefahren in den eigenen Dyna­miken von sozialen Netz­werken. Oftmals wird nur die Meinung jener abge­bildet, die sich regis­triert haben und aktiv an Diskus­sionen betei­ligen. Alle anderen würden als Demo­kraten [verschwinden]“. Einen weiteren Faktor spiele eben­falls das so genannte Dark Social“. Als Dark Social“ wird der nicht verfolg­bare Daten­ver­kehr in Messenger-Diensten wie zum Beispiel Tele­gram oder WhatsApp bezeichnet, über den große Gruppen erreicht werden können – poli­tisch betrachtet ziem­lich rele­vant. Weiter fordert auch er einen reflek­tier­teren Umgang mit digi­talen Medien und stellt die Rolle von Influen­ce­rinnen und Influen­cern heraus: Sie versu­chen, ihre Ziel­gruppe zu ihrer Commu­nity“ zu machen, um so über gute und echte Inhalte Vertrauen und Einbin­dung“ zu schaffen. Frag­lich bleibt für ihn, inwie­weit sie eine gene­relle poli­ti­sche Verant­wor­tung tragen.

Im Anschluss an die Input-Vorträge gehen die Teil­neh­menden in Klein­gruppen zusammen und spre­chen über die neuen Erkennt­nisse. Ein beson­derer Fokus gilt dabei auch der aufstre­benden App TikTok“, die sich rasch neben bishe­rigen Größen wie WhatsApp, Twitter und Face­book auf dem euro­päi­schen Markt etablieren konnte. Eine allge­meine Skepsis steht dem Hype jedoch gegen­über: Die App spei­chere User-Daten auf chine­si­schen Servern, es herr­sche gene­rell Unklar­heit darüber, inwie­weit diese Daten für poli­ti­sche Zwecke verwendet werden würden. Kritisch zu hinter­fragen sei aber auch, inwie­weit eine solche poli­ti­sche Unab­hän­gig­keit seitens der etablierten US-ameri­ka­ni­schen Betreiber besteht.

Lust auf noch mehr? Zusammen mit meiner Kollegin Elena Wüllner sind wir nach der Veran­stal­tung der Frage nach­ge­gangen, welche Vor- und Nach­teile digi­tale Parti­zi­pa­tions-Tools in der Jugend­ar­beit haben und wandten uns dazu an die Teil­neh­menden. Hier kannst du ihre Antworten einsehen.


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