Digi­tale Gene­ra­tion – die Zukunft und unsere Verant­wor­tung

Datum
20. März 2019
Autor*in
Zita Hille
Redaktion
politikorange
Thema
#jungunddigital 2019
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Foto: Zita Hille

Digi­tale Trans­for­ma­tion – Der rasche tech­ni­sche Wandel der letzten Jahre geht an niemandem spurlos vorbei, er bietet zahl­reiche Chancen, wird aber häufig auch mit Angst betrachtet. Gerade für den Bereich der Jugend­ar­beit tun sich viele Fragen auf: Was dürfen, was sollen Jugend­liche? Und wie lässt sich das mit dem vereinen, was sie eigent­lich wollen? Zita Hille beleuchtet das umfang­reiche Thema auf einer Veran­stal­tung des Landes­ju­gend­rings NRW am 19. März in Essen.

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Sie sprechen noch face-to-face miteinander: Im Haus der Technik in Essen wird fleißig referiert und diskutiert. Foto: Sandra Schaftner

Autos fahren autonom, Roboter über­nehmen den Haus­halt, der Kühl­schrank ist mit der Yoga­matte, den Decken­lampen, dem Handy und dem Motorrad verbunden und deine Likes in sozialen Netz­werken geben mehr über dich preis, als all deine Liebsten wissen – genau so sieht die nahe Zukunft aus. Schon jetzt sind wir im Vergleich zu den letzten Jahr­hun­derten auf einem tech­ni­schen Stand, auf dem Maschinen zuvor noch nie waren: So schnell, so selbst­ständig, so intel­li­gent. Wie wird das in wenigen Jahren aussehen?

Eine reprä­sen­ta­tive dimap-Umfrage für das Deut­sche Institut für Vertrauen und Sicher­heit im Internet (DIVSI) aus dem Jahr 2018 ergab, dass die Digi­ta­li­sie­rung Menschen zuneh­mend Angst bereitet. Fragen danach, welchen Einfluss dieses Phänomen auf unsere Zukunft oder die unserer Kinder habe, ob unsere Selbst­stän­dig­keit verloren gehe, ob die Mensch­heit dadurch dümmer werde oder wir bald gar unsere Jobs verlieren würden, weil Maschinen alles über­nähmen, beschäf­tigen junge sowie ältere Menschen in glei­chem Maße. Genau über diese Proble­matik und was das für die Arbeit mit Heran­wach­senden bedeutet, disku­tierten etwa 25 Teil­neh­mende am 19. März im Haus der Technik in Essen auf der Veran­stal­tung Digi­tale Trans­for­ma­tion: Wie Technik unser Zusam­men­leben beein­flusst und was Digi­ta­li­sie­rung mit uns macht“, orga­ni­siert durch den Landes­ju­gend­ring NRW.

Auf die Frage, wie sie mögliche zukünf­tige Entwick­lungen im Bereich der Jugend­ar­beit bewerten, war vor allem bei den jüngeren Teil­neh­menden der Veran­stal­tung eine deut­liche Unbe­hag­lich­keit zu spüren. Sie befürchten unter anderem, dass der persön­liche Kontakt von Jugend­li­chen zu Leitenden verloren gehe, was den Kern der Jugend­ar­beit eigent­lich ausmache.

Face­book scheint umsonst zu sein, aber eigent­lich bezahlen wir mit unseren Daten“

Kirsten Fiedler, Akti­vistin bei Euro­pean Digital Rights (EDRi), hielt einen der beiden Vorträge am 19. März. Die Edward Snowden-Vereh­rerin“, wie sie einmal in einem Inter­view bezeichnet wurde, enga­giert sich tatkräftig für mehr Trans­pa­renz, Einhal­tung der Menschen­rechte und Sicher­heit im Netz. Sie riet den anwe­senden Jugend- und Verbands­lei­tenden, sich mit der Digi­ta­li­sie­rung ausein­an­der­zu­setzen und sie an die Jugend­li­chen weiter­zu­geben: Man solle lieber kleine Schritte gehen als gar keine. Hierzu zählt Fiedler die aktive Abwen­dung von, großen Unter­nehmen zuge­hö­rigen, Platt­formen wie Face­book, WhatsApp (ist seit 2014 Teil der Face­book Inc., Anm. d. Red.), Google und weiteren Anbie­tern. Insbe­son­dere sei dies zum Beispiel hilf­reich, wenn es um die Kommu­ni­ka­tion mit den Jugend­li­chen ginge, für Planungen und Verab­re­dungen. Bei solchen Unter­nehmen stünde die Verschleie­rung interner Prozesse und Over­blo­cking, also das Löschen oder Sperren bestimmter Inhalte, auf dem Programm. Statt­dessen gäbe es genü­gend andere gute“ soziale Platt­formen, die man nutzen und früh vermit­teln könne.

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Kirsten Fiedler (links) wurde erst vor Kurzem mit dem Felipe-Rodriguez-Preis ausgezeichnet – diesen bekam vorher auch schon Edward Snowden. Foto: Sandra Schaftner

Digi­taler Umwelt­schutz ist genauso unsere Verant­wor­tung, wie der Schutz unseres Planeten“

Manche von Fiedler vorge­schla­genen Ausweich­platt­formen, beispiels­weise posteo​.de oder mailbox​.org, auf denen man sich eine neue E‑Mail-Adresse anlegen könne, kosteten zwar circa einen Euro im Monat, seien aber dafür grün“ und vertrau­ens­würdig, da sie nicht alle Daten auto­ma­tisch spei­cherten und den Email­ver­kehr und die Inhalte nicht mitver­folgten. Es wird Zeit, dass wir wieder Geld für Dienste zahlen, die wir annehmen, und nicht mehr Daten unsere Währung sind“, fasst die Expertin ihre Devise zusammen. Das Geschäfts­mo­dell der Über­wa­chung solle nicht noch (mehr) unter­stützt werden. Im persön­li­chen Gespräch mit poli­ti­ko­range erzählt sie uns, wie sie selbst an die ganze Sache mit dem Daten­schutz“ gekommen sei. Als erst­mals Kameras an U‑Bahnhaltestellen in Bonn ange­bracht wurden, hatte sie am selben Tag ein angst­er­fülltes Gespräch darüber mit ihrem Freund. Das habe sie im Nach­hinein zum Handeln bewegt.

Dr. Harald Gapski vom Grimme-Institut, der neben Fiedler eben­falls in Essen refe­rierte, stimmte ihr zwar zu, merkte aber an: Sensi­bi­li­sie­rung ist sehr gut. Aber das Verspre­chen, komplette Kontrolle über Daten zu haben, würde ich nicht ausspre­chen!“ Er bezeich­nete Daten als das neue Öl“, eine Art kost­bare Ressource, die aller­dings im Vergleich zum rich­tigen Öl nicht ausgehe, sondern – ganz im Gegen­teil – für eine sehr lange Zeit im Netz bleibe. Mithilfe der soge­nannten Big Five“, ein Modell der Persön­lich­keits­psy­cho­logie, das fünf Haupt­di­men­sionen der mensch­li­chen Persön­lich­keit iden­ti­fi­ziert, könne man anhand von nur 200 Likes mehr über eine Person heraus­finden, als der Partner oder die Part­nerin über sie wisse. Murmelnde Stimmen im Publikum verrieten: Das geht nicht spurlos an uns vorbei.

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In kleinen Gruppen diskutierten die Teilnehmenden und hielten die Ergebnisse auf Flip-Charts fest. Foto: Sandra Schaftner

Junge Menschen brau­chen…“

Verän­de­rungen in der Kommu­ni­ka­tion mit Jugend­li­chen wird es durch die Digi­ta­li­sie­rung also defi­nitiv geben. Die Frage die bleibt ist, wie jetzige Gene­ra­tionen den Weg für folgende Gene­ra­tionen ebnen und sie mit dem Wissen über die Bedeu­tung ihrer Daten­preis­gabe in der Online-Öffent­lich­keit best­mög­lichst ausstatten. Bei der Abschluss­dis­kus­sion der Veran­stal­tung formu­lierten die einzelnen Gruppen verschie­dene Thesen der Jugend­ar­beit in Bezug auf die digi­tale Trans­for­ma­tion. Die Ergeb­nisse präsen­tierten sie sich im Anschluss gegen­seitig. Ergeb­nis­thesen hier waren unter anderem: Junge Menschen seien Experten in der Anwen­dung von Social Media“, aber auch neugierig und nicht auf die Auswir­kung ihrer Hand­lungen im Netz vorbe­reitet, da sie unauf­ge­klärt“ seien, ebenso können und sollen (sie) auf digi­tale Werk­zeuge nicht verzichten“. Hieraus folgerten die Teil­neh­menden entschlossen: Junge Menschen brau­chen Aufklä­rung, Orien­tie­rung und Schutz in ihrer Frei­zeit, kriti­sche Bildung und Frei­räume in ihrer Schule und Ausbil­dung.“

Eine der Teil­neh­menden erzählte von ihrer Arbeit als Bildungs­fach­kraft an einer Schule: Jedes Jahr steht dort eine Veran­stal­tung auf dem Programm, bei der vier Poli­ti­ke­rinnen und Poli­tiker einge­laden werden, um zu einem Wett­grillen mitein­ander zu disku­tieren. Die Schüler und Schü­le­rinnen dürften dem zuhören, anschlie­ßend die Diskus­sion auswerten und Fragen stellen. Prak­ti­sche Aktionen der Jugend­ar­beit, die allen Betei­ligten auch Spaß berei­teten wie diese, seien zum Beispiel eine effi­zi­ente Methode, um Jugend­liche aufzu­klären. Fach­kräfte hätten die Verant­wor­tung, sich über solche Methoden Gedanken zu machen – eigent­lich aber auch jeder andere, der mit künf­tigen Gene­ra­tionen zu tun habe. Wir hinter­lassen digi­talen Raum, in dem unsere Nach­folger leben müssen – das ist Verant­wor­tung“, so Fiedler.

Noch nicht genug bekommen?

Auch Sandra Schaftner war bei der Veran­stal­tung dabei: Hier kannst du ihren Beitrag lesen und dir selbst eine Meinung bilden!


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