Digital geboren

Datum
02. Juni 2015
Autor*in
Zina Medjadi
Redaktion
politikorange
Thema
#JMWS15
Digitalgeboren_Herr-Olsen_flickr.com_CC-BY-NC_2-0_1

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Nachdem meine Mutter nach einer zwei­stün­digen, durch mich erfolgten Einwei­sung in ihr neues Smart­phone immer noch nicht schlau daraus wurde, begann sie mir von damals zu erzählen. Von damals, als sie meinen Vater kennen­ge­lernt hatte und als es diesen ganzen tech­ni­schen Firle­fanz“ noch nicht gab.

Digitalgeboren_Herr-Olsen_flickr.com_CC-BY-NC_2-0

Ein „Endgerät für Sprachkommunikation im Fernsprechnetz“ (Foto: Herr Olsen, flickr.com, CC-BY-NC 2.0)

Im Jahr 1980 saß sie am Küchen­tisch und schrieb einen Brief an meinen Vater, der gerade im weit entfernten Alge­rien war. Sie hoffte, dass ihn der Brief über den Seeweg in den nächsten sechs Wochen errei­chen würde und dass es ihm gut ginge. Sie hatten schon länger keinen Kontakt mehr. Die letzten Infor­ma­tionen hatte sie aus einem Tele­fonat, als sie vor zwei Wochen das Mobil­te­lefon in der Größe einer Werk­zeug­ta­sche von einem benach­barten Auto­händler ausge­liehen hatte. Auf dem Weg zum Brief­kasten beschloss sie, sich in der Video­thek eine VHS-Kassette von Krieg der Sterne“ auszu­leihen, der – nebenbei erwähnt – bereits 1978 in den Kinos lief, aller­dings erst zwei Jahre später in den Video­theken erhält­lich war. Gerne hätte sie sich mit meinem Vater darüber ausge­tauscht, aller­dings war die Kommu­ni­ka­tion damals sehr beschwer­lich.

Mit den Jahren durch­lief die Kommu­ni­ka­tion eine Wand­lung. Durch die Fort­schritte in der Präna­tal­dia­gnostik und meiner daraus folgenden Geburt brach die Ära einer neuen Gene­ra­tion an. In der dritten Klasse besaß ich bereits ein Handy und nur wenig später ein Smart­phone. Face­book war nicht mehr nur ein Name, sondern eine Reli­gion und wer dieser nicht folgte, wurde als Aussät­ziger abge­stem­pelt.

WhatsApp statt Wähl­scheibe

Um mit Freunden auf der ganzen Welt in Kontakt zu bleiben, öffnet man bequem eine App auf dem Smart­phone und erhält auch inner­halb weniger Sekunden eine Antwort. Essen wird nicht mehr gegessen, sondern foto­gra­fiert. Und anstatt sein Gehirn in irgend­einer Form anzu­strengen, fragt man einfach Google. Den Land­karten wird keine Beach­tung mehr geschenkt, schließ­lich kann man einfach dem Navi­ga­ti­ons­system folgen, Kommu­ni­ka­tion erfolgt von Touch­screen zu Touch­screen.

Sie sind vor 1980 geboren? Sie kennen analoge Tele­fone? Das sind die moos­grünen oder bundes­post­grauen, gefühlt 10 Kilo­gramm schweren Endge­räte für Sprach­kom­mu­ni­ka­tion im Fern­sprech­netz“ mit den Wähl­scheiben, die sich damals unter modisch-hippen Brokat­be­zügen versteckten. Sie haben Tele­fon­zellen gesehen, ohne dafür ins Museum gehen zu müssen? Dann gehören sie laut einer Defi­ni­tion von Marc Prensky aus dem Jahre 2001 zur Gene­ra­tion der Digital Immi­grants“.

Ich hingegen, als nach 1980 Gebo­rene, darf mich zu den Digital Natives“ zählen. Und mir viel­leicht sogar, als nach 1990 Gebo­rene, das Mantra Ich surfe, also bin ich“ auf die Stirn schreiben. Eine digi­tale Gene­ra­tion erobert die Gesell­schaft – passender kann man es nicht ausdrü­cken.


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