Die CDU muss sich verjüngen“

Datum
04. September 2019
Autor*in
Marija Skvoznikova
Redaktion
politikorange
Thema
#sltw19
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Am Wahl­abend spra­chen po-Repor­te­rinnen Charlie Wien und Marija Skvoz­ni­kova mit Dr. Ulrich Reusch, dem CDU-Frak­ti­ons­vor­sit­zenden in Rade­beul.

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Dr. Ulrich Reusch beim Gespräch auf der Terrasse des Landtags I Foto: Marija Skvoznikova

poli­ti­ko­range: Guten Abend Herr Reusch! Was sagen Sie zu den Wahl­er­geb­nissen des heutigen Abends? Reusch: Die CDU ist deut­lich stärkste Partei im Landtag geworden. Das ist beru­hi­gend. Sie hat natür­lich auch verloren. Aber poli­ti­sche Konkur­renten wie die Linke und die SPD haben erheb­lich verloren. Auch das ist beru­hi­gend. Was mich sehr nach­denk­lich stimmt, ist der hohe Anteil der AfD, der noch höher liegt als in den Wahl­pro­gnosen. Das finde ich erschre­ckend. poli­ti­ko­range: Aber für die Regie­rungs­bil­dung hat sich die CDU ja mit einem dieser Konkur­renten, der SPD, zusam­men­ge­schlossen. Wie ist das bei der Linken oder der AfD, welche Zusam­men­ar­beit wäre schlimmer? Reusch: Das ist schwer zu sagen, aber ich als Kommu­nal­po­li­tiker habe posi­tive Erfah­rung mit den Linken gemacht. Sie sind, zumin­dest im Osten eine gut inte­grierte Partei. Sie halten sich an Verfahren und Regeln und möchten somit im Konzert mitspielen. Die AfD dagegen ist eine Protest­partei und das erschwert die Zusam­men­ar­beit sehr, zusätz­lich zu grund­sätz­li­chen Unter­schieden wie dem soge­nannten Flügel“ um Höcke, mit dem wir als Volks­partei nicht zusam­men­ar­beiten können. poli­ti­ko­range: Herr Kret­schmer hat auch bereits vor der Wahl gesagt, dass die CDU nicht mit der AfD koalieren wird. Wie stark ist der inner­par­tei­liche Flügel, der dazu bereit wäre? Reusch: Von einem Flügel würde ich an dieser Stelle nicht reden. Es mag zwar einzelne Stimmen geben, die eine Schnitt­menge zwischen AfD und CDU sehen. Aber man muss zwei Dinge sehen. Einmal ist die AfD der Haupt­gegner der CDU. Nicht nur in diesem Wahl­kampf, sondern insge­samt der Haupt­gegner um die Wähler­schichten. Und außerdem muss man beachten, dass sich die AfD im Laufe ihrer jungen Geschichte im zum Teil uner­träg­li­cher Weise radi­ka­li­siert hat und deshalb für die große Mehr­heit der CDU-Mitglieder in Sachsen und auf der Bundes­ebene kein Koali­ti­ons­partner ist. poli­ti­ko­range: Da wir gerade bei Herrn Kret­schmer sind. Er hat in den letzten zwei Jahren das Image der CDU Sachsen aufge­baut. Haben die Partei­in­halte oder doch die Person Michael Kret­schmer eine entschei­den­dere Rolle in der Wahl gespielt? Reusch: Defi­nitiv verdanken wir die posi­tiven Ergeb­nisse dem persön­li­chen Einsatz von Michael Kret­schmer, die Trend­wende nach der Euro­pa­wahl zugunsten der CDU hängt stark mit seiner Persön­lich­keit zusammen. Als junger Minis­ter­prä­si­dent geht er ganz anders auf die Menschen ein. Diese Menschen­nähe unter­scheidet ihn von seinem Vorgänger Stanislaw Tillich. Somit war die Entschei­dung für Herrn Kret­schmer als Spit­zen­kan­didat nach der verhee­renden Bundes­tags­wahl 2017 sehr weise. Der Groß­teil unserer Erfolge ist auf seinen persön­li­chen Einsatz zurück­zu­führen. poli­ti­ko­range: Es gibt große Unter­schiede im Wahl­ver­halten der jüngeren und der älteren Gene­ra­tionen. Die CDU verliert Stimmen bei den jungen Menschen unter 30. Dann gibt es das Youtube-Video von Rezo, dass der CDU geschadet hat. Zeigt das, dass die CDU mit der digi­talen Welt und den jungen Wähler­schichten über­for­dert ist? Reusch: Ich bin davon über­zeugt, dass die CDU daran arbeiten wird. Die Jugend hat sich in den letzten zehn, fünf­zehn Jahren weder poli­tisch geäu­ßert, noch enga­giert. Es ist ein neuer Trend, dass sich die jungen Menschen für poli­ti­sche Fragen inter­es­sieren und sich einsetzen. Auch im Wahl­kampf wurde das deut­lich. Ich finde es gut, obwohl momentan die Grünen davon mehr profi­tieren. Es gab zwischen­zeit­lich eine Gene­ra­tion, die sich kaum enga­giert und auch nicht zu den Wahlen gegangen ist. Das sich Jugend­liche heute enga­gieren, ist unab­hängig von den Parteien gut. Es ist eine Heraus­for­de­rung für die CDU, jungen Menschen auf Augen­höhe zu begegnen und für ihre Ziele zu werben. Viel­leicht ist die CDU zu diesem Zeit­punkt nicht so attraktiv. Wir sind keine Digital Natives und der Umgang mit Rezo war ein Para­de­bei­spiel dafür, das war nicht gut. Wir waren nicht vorbe­reitet. Auch Philipp Amthor war keine rich­tige Antwort auf Rezos Video. Ich habe mir eben­falls ange­schaut was die CSU auf Youtube macht und finde es eben­falls nicht ausrei­chend. Da muss noch viel mehr gemacht werden.
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"Die Partei muss sich erheblich verjüngen" Foto: Jonas Gebauer

poli­ti­ko­range: Nun darf man in Sachsen erst ab 18 Jahren wählen und vielen Jugend­li­chen ist das Thema Klima­schutz sehr wichtig. Nun behauptet die AfD, es gäbe keinen menschen­ge­machten Klima­wandel, die CDU plant den Kohle­aus­stieg erst 2038. Was sagen Sie diesen jungen Menschen, deren Zukunft in den Händen dieser meist­ge­wählten Parteien liegt?

Reusch: Meiner Meinung nach ist die CDU für die neue junge Strö­mung empfäng­lich, die sich in den letzten ein, zwei Jahren mani­fes­tiert hat. Unsere Partei ist nach­denk­lich geworden. Die Grünen haben bei der Euro­pa­wahl gezeigt, dass sie ein großes Poten­tial in Groß­städten, auch in Sachsen, haben und an Stimmen zulegen. Das sollte der CDU zu denken geben und wird ihr auch zu denken geben. Wir müssen uns mit den Fragen des Klima­schutzes, die die Jugend bewegen, ausein­an­der­setzen. Auch ältere Menschen wie ich setzen sich mit dieser Thematik ausein­ander. Dazu musste es erst diesen Anstoß durch die Jugend geben, damit sich die Parteien zu diesen Themen sensi­bi­li­sieren. Klima­schutz wird auf jeden Fall noch länger Thema in der Politik in Sachsen sein. poli­ti­ko­range: Aber trotzdem ist die CDU mit den Sprü­chen wie Kohle für die Lausitz“ in den Wahl­kampf gezogen, obwohl die Braun­kohle als eine der inef­fi­zi­en­testen Ener­gie­er­zeuger gilt und neue umwelt­freund­liche Lösungen präsen­tiert werden. Reusch: Unter Michael Kret­schmer wurde der Kohle­aus­stieg mit den entspre­chenden Struk­tur­hilfen für die Lausitz verein­bart. Man kann sich immer über den Ener­giemix in der Über­gangs­zeit streiten. Aus heutiger Sicht war es meiner Meinung nach ein Fehler, über­hastet aus der Kern­energie auszu­steigen. Natür­lich gibt es bei Atom­strom Probleme, wie die Endla­ge­rung des Mate­rials. Aber letzten Endes darf es nicht sein, dass wir in Deutsch­land schmut­zigen“ Strom aus dem Ausland impor­tieren. Es geht darum, diese Über­gangs­zeit vernünftig zu gestalten. poli­ti­ko­range: Sie haben bereits erwähnt, dass die Grünen bei jungen Menschen mehr punkten. Woran liegt das? Reusch: Ich glaube, dass es am unkon­ven­tio­nellem Auftritt der Grünen liegt, aber auch daran, dass sie keine Regie­rungs­ver­ant­wor­tung im Bund und vielen Ländern tragen. Mit Habeck und Baer­bock als neue Spitze wurde für jüngere Menschen und neue Ideen Platz gemacht. Bei der CDU-Spitze passiert das leider nicht. Wir hatten letztes Jahr die Diskus­sion um den Partei­vor­sitz und der einzige junge Kandidat war Jens Spahn. Ich finde, dass er die jungen Menschen anspre­chen kann. Obwohl die CDU noch nicht so weit ist, wird sie die Partei erheb­lich verjüngen müssen. Angela Merkel wird spätes­tens nach dieser Wahl­pe­riode abtreten und Anne­gret Kramp-Karren­bauer wollte mit Paul Ziemiak, dem neuen jüngeren Gene­ral­se­kretär, ein Zeichen setzen. Die CDU muss ihre Spitze verjüngen und es müssen signi­fi­kante Anteile von jungen Leute da sein. Sie dürfen aber nicht vergessen: Bei der demo­gra­fi­schen Entwick­lung machen die über 65-jährigen auch den größten Teil der Wählenden aus. poli­ti­ko­range: Vielen Dank für das Inter­view!


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