5 Lehren aus der Sach­sen­wahl

Datum
02. September 2019
Autor*in
Julius Kölzer
Redaktion
politikorange
Thema
#sltw19
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Einen Tag nach dem Wahl­aus­gang analy­siert poli­ti­ko­range-Redak­teur Julius Kölzer die Ergeb­nisse der Parteien in Sachsen, von denen nur eine wirk­lich gewonnen hat.

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Michael Kretschmer ist mit seiner CDU knapper, aber glücklicher Gewinner der Wahl. Foto: Jonas Gebauer

1. Die Sachsen-CDU ist noch am Leben und Kret­schmer der Gewinner

Mit einem Ergebnis von rund 32 % kann die säch­si­sche CDU sich als stärkste Kraft behaupten und vermeidet damit das Schre­ckens­sze­nario, das viele im Ange­sicht vorhe­riger Umfragen befürchtet hatten. Auch wenn der Ausgang sieben Prozent­punkte schlechter ist, als noch bei der Wahl 2014, und man zudem beson­ders in Ostsachsen viele Direkt­man­date an die AfD verlor, schaffte es Minis­ter­prä­si­dent Kret­schmer, den großen Wähler­schwund nach rechts zu verhin­dern. Vor allem durch seine Offen­heit gegen­über unzu­frie­denen Wählern auf einer mara­thon­ar­tigen Viel­zahl von Wahl­kampf-Veran­stal­tungen, die er im Rahmen seiner Zuhör-Tour orga­ni­sierte, gelang es ihm, im eigenen Lager wie partei­über­grei­fend hohe Beliebt­heits­werte zu erzielen. Die CDU verspürte auch deswegen von SPD, Grünen und Linken einen beacht­li­chen Wähler­zu­fluss, da man sich dennoch klar nach rechts abgrenzte. Auch seinen eigenen Wahl­kreis in Görlitz konnte der Minis­ter­prä­si­dent vertei­digen. Die Methode Kret­schmer“ könnte sich auch bundes­weit für die CDU zu einer mögli­chen Methode im Umgang mit frus­trierten AfD-Sympa­thi­santen etablieren.

Die Koali­ti­ons­bil­dung wird für die CDU vor allem aufgrund des starken Ergebnis der AfD deut­lich schwie­riger als noch 2014. So wird sich Minis­ter­prä­si­dent Kret­schmer mit der Frage ausein­an­der­setzen müssen, wie viele Über­schnei­dungen es mit den Grünen in einer mögli­chen Kenia-Koali­tion gibt und ob man sich mit so einem Bündnis für die AfD noch mehr zur Ziel­scheibe macht.

2. Die AfD ist im Aufwind

Für Jörg Urban, dem säch­si­schen AfD-Spit­zen­kan­di­daten, reichte das ostdeut­sche Mobi­li­sie­rungs­po­ten­zial der AfD zwar nicht aus, um sich nahezu aus dem Stand an die Spitze des Land­tags zu kata­pul­tieren, dennoch ist das Ergebnis der Rechts­po­pu­listen beacht­lich und das gleich aus mehreren Gründen. Zum einen gelang es der Partei, in abso­luten Zahlen ihr Ergebnis bei den Zweit­stimmen zu vervier­fa­chen und bei den Erstimmen zu versechs­fa­chen. Keiner anderen Partei gelang es zudem, so viele Stimmen ehema­liger Nicht­wähler zu mobi­li­sieren wie der AfD. Nach aktu­ellen Zahlen zur Wähler­wan­de­rung, entschieden sich insge­samt 250.000 Menschen die beim letzten mal nicht den Weg zur Urne machten, dieses Mal dazu, ihr Kreuz bei der AfD zu setzen. Das sind in etwa genau so viele, wie der gesamte Zufluss an Wählenden von allen anderen Parteien zusammen. Laut Zeit Online sind somit ganze 41 % des AfD Ergebnis allein auf ehema­lige Nicht­wähler zurück­zu­führen. Zusätz­lich gaben 70 % der Personen, die in Sachsen AfD wählten, an, die Partei nicht aus Protest sondern aufgrund ihrer Inhalte zu wählen.

Ein Radi­ka­li­sie­rungs­pro­zess? Sicher ist: Wie und ob das Verhalten anderer Parteien gegen­über den Rechts­po­pu­listen dadurch beein­flusst wird, könnte kommende Wahl­kämpfe deut­lich inter­es­santer machen.

3. Die Links­partei versackt in der Orien­tie­rungs­lo­sig­keit

Betrachtet man die prozen­tualen Verluste der Linken in Sachsen, steht die Partei von Spit­zen­kan­didat Nico Gebhart an der Spitze. Mit dem Ergebnis von 10% hat die Linke inzwi­schen Werte erreicht, wie sie sonst nur aus den alten Bundes­län­dern kennt. Das Image als Ostpartei, das ihr aufgrund ihrer Verwur­ze­lung in den neuen Bundes­länder häufig zuge­tragen wird, schwindet allmäh­lich. Zwar sagen nach gest­rigen ARD-Umfragen immer noch 25% der Sachsen, dass die Linken am ehesten ostdeut­sche Inter­esse vertreten, doch schreiben ihr gleich­zeitig 68% der Sachsen zu, ideenlos zu sein. 59% meinen, dass ihre Ansicht zu Geflüch­teten viel zu positiv“ seien.

Beson­ders der Verlust der Linken in der Alters­gruppe 60+, also in der klas­si­schen Vorwende-Gene­ra­tionen, ist brisant. Dort erleiden sie Verluste in zwei­stel­liger Höhe.

Der Streit vergan­gener Jahre zwischen Sahrah Wagen­knecht und Partei­chefin Katja Kipping, lässt ähnliche Fragen aufkommen: Für wen macht die Linke Politik? Für ein libe­rales Groß­stadt­mi­lieu, für abge­hängte Protest­wäh­lende, oder für radi­kale Vertreter einer sozia­lis­ti­schen Idee? Dieser Frage wird man sich beim rich­tungs­wei­senden Parteitag im kommenden Februar stellen müssen.

4. Reali­täts­check für die Grünen

Auch wenn es ein wenig char­mant klingt, aber mit 8,6% errei­chen die Grünen bei den Land­tags­wahlen in Sachsen einen neuen Höchst­wert. Trotzdem war auch im Gesicht der Spit­zen­kan­di­datin Katja Meier am gest­rigen Wahl­abend Ernüch­te­rung zu erkennen. Vor allem in den Studie­renden-Städten, Leipzig und Dresden hatten sich die Grünen bessere Zweit­stimmen-Ergeb­nisse erhofft. Auch die neu gewonnen Direkt­man­date konnten die Hoff­nungen aus den Umfragen auf ein zwei­stel­liges Ergebnis, nicht erfüllen. Für den bundes­deut­schen Höhen­flug der Partei ist die Wahl daher eine Art Reali­täts­check. Themen wie Umwelt- uns Klima­schutz, mit denen man zur Euro­pa­wahl in west­deut­schen Flächen­län­dern Rekord­ergeb­nisse erzielte, wirken in Sachsen eher pola­ri­sie­rend.

5. Die SPD im gewohnten Abwärts­trend

Für die SPD verlief der Abend mit gemischten Gefühlen. Während sich Dietmar Woidke in Bran­den­burg mit souve­ränen 26% stabi­li­sieren konnte, erlebte Martin Dulig in Sachsen eine Kata­strophe und wurde mit seiner Partei nur noch fünftstärkste Kraft. Die Probleme in Sachsen sind ähnlich wie die auf Bundes­ebene: Kein klares Profil, keine Nach­richt und keine Sicht­bar­ma­chung eigener Erfolge in der Großen Koali­tion. Trotzdem werden die Sozi­al­de­mo­kraten wohl auch in der kommenden Regie­rung eine Rolle spielen: Da die CDU nicht mit AfD und Linken koalieren möchte, ist die SPD zum Regieren gezwungen.


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