Denn sie wissen nicht, was noch kommt

Datum
25. Februar 2020
Autor*in
Tonka Radisch
Redaktion
politikorange
Themen
#HHWahl20 #Wahlen
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Anna von Treuenfels nach dem Verkünden des vorläufigen Wahlergebnisses / Foto: Jonas Gebauer
War an den dras­ti­schen Verlusten der FDP in Hamburg wirk­lich Thüringen schuld? poli­ti­ko­range-Redak­teurin Tonka Radisch hat die Wahl­party am Sonn­tag­abend besucht. Da ahnte noch niemand, dass es die Partei den Einzug in die Bürger­schaft kosten wird. Vorerst herrschte Erleich­te­rung […]

War an den dras­ti­schen Verlusten der FDP in Hamburg wirk­lich Thüringen schuld? poli­ti­ko­range-Redak­teurin Tonka Radisch hat die Wahl­party am Sonn­tag­abend besucht. Da ahnte noch niemand, dass es die Partei den Einzug in die Bürger­schaft kosten wird. Vorerst herrschte Erleich­te­rung.

Die FDP weiß nach der ersten Hoch­rech­nung so viel wie vor der ersten Hoch­rech­nung. Entspre­chend verhalten fallen die Reak­tionen auf die 5% um 18 Uhr aus. Der Applaus auf der Wahl­party der Hamburger FDP verklingt schnell. Die Papp­schilder, die verkünden, die Mitte lebt, werden nur einmal kurz für die ZDF Live­schalte hoch­ge­halten. Begeis­te­rung sieht anders aus. Auch ihr Live­stream versagt der FDP im entschei­denden Moment den Dienst. Die Ergeb­nisse müssen ins Publikum gerufen werden. Ein wenig Anspan­nung fällt ab, als es so aussieht, als hätten die Freien Demo­kraten es wieder einmal knapp in die Hamburger Bürger­schaft geschafft. Noch weiß hier niemand, dass im Wahl­kreis Langen­horn die FDP-Stimmen mit denen der Grünen vertauscht wurden und die Partei den Einzug in die Bürger­schaft doch noch verpassen wird. Am Wahl­abend ist man erst einmal erleich­tert, denn es liegt ein unan­ge­nehmer Wahl­kampf hinter der Hamburger FDP.

Die Allee der zerstörten Plakate“

Die Wahl des FDP-Kandi­daten Thomas Kemme­rich zum Minis­ter­prä­si­denten von Thüringen mit Hilfe von Stimmen der AfD hat die Hamburger FDP am Ende des Wahl­kampfes kalt erwischt. Der Vorwurf an die Libe­ralen, der Steig­bü­gel­halter der Rechten zu sein, wog schwer. Obwohl die Spit­zen­kan­di­datin Anna von Treu­en­fels schnell reagierte und Kemme­richs Wahl als Kata­strophe bezeich­nete, domi­nierte das Thema an allen Wahl­ständen der Libe­ralen. Viele FDP-Wahl­pla­kate im Stadt­ge­biet wurden zerstört. Gegen das Desaster von Erfurt kam man an der Elbe nur schwer an. Es kam zu Partei­aus­tritten und Anfein­dungen.

Carl Coste, der Vorsit­zende der Jungen Libe­ralen in Hamburg, verfasste in den letzten Wahl­kampf­wo­chen einen stark emotio­nalen Post, der fleißig geteilt wurde: Die Ohnmacht, die du spürst, wenn Du durch die Allee Deiner zerstörten Plakate schreiten musst. Mit nur einer Gewiss­heit: In den nächsten Tagen wird es gegen Dich und Deine Partei­freunde wieder Mord­dro­hungen geben.“ Ganz so pathe­tisch ist er am Sonn­tag­abend nicht mehr. Er sieht die Dinge so, wie eigent­lich alle auf der FDP-Wahl­party in der Hamburger Stern­schanze: Die Thüringer Ereig­nisse haben der Hamburger FDP in den letzten Wahl­kampf­wo­chen massive Verluste beschert. Im Januar lagen ihre Umfra­ge­werte noch bei 7%, danach pendelten sie sich bei 5% ein. Wir mussten uns unheim­lich stark von unserer eigenen Partei abgrenzen“, sagt Ria Schröder, die Bundes­vor­sit­zende der Jungen Libe­ralen, die selbst kandi­dierte. Wir haben immer gesagt: Thüringen ist nicht Hamburg.“ Durch­ge­drungen sind die Hamburger Libe­ralen mit dieser Botschaft aber in der kurzen Zeit bis zur Bürger­schafts­wahl nicht mehr.

Krisen­ma­nage­ment auf der Wahl­kampf­ziel­ge­raden

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Die FDP auf dem Boden der Tatsachen / Foto: Tonka Radisch

Die Hamburger FDP konterte die Anfein­dungen mit einer Doppel­stra­tegie. Einer­seits frontal, indem sie das Thema immer wieder direkt ansprach. Ande­rer­seits defensiv, indem sie sich als Opfer eines unfair geführten Wahl­kampfes insze­nierte und die anderen Parteien beschul­digte, ihrer­seits auf die Machen­schaften der AfD rein­zu­fallen. Anna von Treu­en­fels warnte davor, dass das gegen­sei­tige Zerflei­schen der demo­kra­ti­schen Parteien nur die AfD stärke und beklagte den angeb­lich unfairen Wahl­kampf der Grünen, die daran erin­nert hatten, dass die FDP in der vergan­genen Legis­la­tur­pe­riode mehr als vierzig Mal den Anträgen der AfD in der Bürger­schaft zuge­stimmt hatte.

Feiern wollte am Wahl­abend keiner so richtig – sich nieder­ge­schlagen zeigen aber ebenso wenig. Obwohl viele erleich­tert sind, nicht schlimmer abge­straft worden zu sein, ist es ein bitteres Ergebnis für eine Partei, die mit dem Anspruch in den Wahl­kampf zog, in der Freien Hanse­stadt Hamburg zwei­stellig zu werden. Ein größen­wahn­sin­niges Ziel: In Hamburg ist das den Libe­ralen seit Bestehen der Bundes­re­pu­blik erst ein einziges Mal gelungen. Und das ist 46 Jahre her.


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