Daten­klau, ganz legal

Datum
13. Juni 2015
Autor*in
Alexander Krüger
Redaktion
politikorange
Thema
#JMWS15
Vorratsdatenspeicherung_Nicor_Wikimedia_CC-BY_2-0_1

Vorratsdatenspeicherung_Nicor_Wikimedia_CC-BY_2-0_1

Die Große Koali­tion plant, noch in dieser Legis­la­tur­pe­riode das Gesetz zur Vorrats­da­ten­spei­che­rung zu verab­schieden. Dadurch werden die Daten von Millionen Deut­schen gespei­chert. Gibt es noch Hoff­nung auf Privat­sphäre? Ein Kommentar.

Vorratsdatenspeicherung_Nicor_Wikimedia_CC-BY_2-0

Protest vor dem Bundestag: Was weiß der Staat über seine Bürger, wenn er Daten auf Vorrat speichert? (Foto: Nicor, Wikimedia Commons, CC-BY 2.0)

Ich surfe im Internet. Nicht mit einem konkreten Ziel, sondern ganz klas­sisch: Einfach den aktu­ellen Top-Begriff Hacker im Bundestag“ in eine Such­ma­schine eintippen, und schon erscheinen die News-Feeds von Bild, Spiegel, Tages­schau. Bin ich also ein Terro­rist? Oder doch ein Hacker, der schon bald ein anderes Parla­ment dieser Welt virtuell angreifen will?

Verbin­dungs­daten bleiben zehn Wochen gespei­chert

Das wird mir anhand dieser Such­an­frage niemand sagen können. Noch niemand. Denn ein einziges Schlag­wort reicht dafür nicht aus. Bisher können Geheim­dienste und Polizei diese nicht zuordnen. Aber schon bald wird das geän­dert: In Deutsch­land soll die Vorrats­da­ten­spei­che­rung einge­führt werden. Das heißt, dass alle Verbin­dungs­daten wie IP-Adresse, unge­fährer Ort und die Zeit meiner Zugriffe auf jede einzelne Webseite gespei­chert werden, und das über einen Zeit­raum von etwas mehr als zehn Wochen.

Die Verbin­dungs­daten von Tele­fon­ge­sprä­chen sollen genauso lang gespei­chert werden, die Ortungs­daten von Mobil­te­le­fonen höchs­tens vier Wochen. Bundes­jus­tiz­mi­nister Heiko Maas (SPD), eigent­lich Gegner der Vorrats­da­ten­spei­che­rung, hat das Vorhaben unter dem neuen Schlag­wort Höchst­spei­cher­frist“ gemeinsam mit Bundes­in­nen­mi­nister Thomas De Maizière (CDU) auf den Weg gebracht.

Jeder PC kann zuge­ordnet werden

Damit sind wir als Bevöl­ke­rung trans­pa­rent: Sobald ein Inter­net­nutzer in Verdacht gerät, eine Straftat begangen zu haben, können die Daten ausge­lesen werden. Denn anhand der IP-Adresse oder der Tele­fon­nummer ist jede einzelne Mitbür­gerin und jeder einzelne Mitbürger über den Inter­net­pro­vider eindeutig iden­ti­fi­zierbar. Das ermög­licht die Zuord­nung von Such­be­griffen, besuchten Webseiten, Verbin­dungs­daten. Das gesam­melte Profil wird dann analy­siert und Experten der Polizei versu­chen, anhand der Samm­lung Beweise für das Verbre­chen zu finden.

Das Ganze bewegt sich in einer recht­li­chen Grau­zone, denn die massen­hafte Über­wa­chung und Ausspä­hung von Bürgern ohne konkreten Verdacht ist in der Verfas­sung nicht vorge­sehen. Auch mit dem Euro­pa­recht scheint der Entwurf nicht konform. Juristen des wissen­schaft­li­chen Dienstes des Bundes­tages kriti­sieren den Geset­zes­ent­wurf sogar in gleich zwei Gutachten: Bestimmte Gruppen der Bevöl­ke­rung, die Berufs­ge­heim­nis­träger wie Ärzte oder Jour­na­listen, seien bedroht, heißt es. Zudem meinen die Experten, das Gesetz sei unklar formu­liert“.

Große Koali­tion ist gespalten

Nicht nur Daten­schützer und Juristen, auch Mitglieder der Großen Koali­tion lehnen die Vorrats­da­ten­spei­che­rung deshalb kate­go­risch ab, Sozial- und Christ­de­mo­kraten sind sich uneinig. Abge­ord­nete der CDU befür­worten das geplante Gesetz, aus SPD-Kreisen gibt es heftigen Wider­spruch. Grüne und FDP planen sogar, gegen den geplanten Beschluss vor das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt zu ziehen. Schon ihre letzte Klage zu diesem Thema war erfolg­reich, 2010 wurde die Vorrats­da­ten­spei­che­rung für nicht verfas­sungs­gemäß“ erklärt.

Hoffent­lich kann auch in der aktu­ellen Sache ein solches Urteil aus Karls­ruhe Klar­heit schaffen. Denn nur dann können wir sicher sein, dass wir nach Verfas­sung und Euro­pa­recht leben können, keine Daten wider­recht­lich über uns gesam­melt werden und im Netz auch eine gewisse Privat­sphäre bestehen bleibt.


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