Immer wieder kommt die Frage auf, inwiefern Frauen Teil einer neuen Wehrpflicht sein sollten. Trägt die Idee eines Dienstes für alle tatsächlich zur Gleichberechtigung der Geschlechter bei?
Was wäre, wenn die Wehrpflicht zurückkäme – müssten dann auch Frauen ran? In Talkshows, Kommentarspalten und Diskussionen im Bekanntenkreis gehen die Meinungen dazu auseinander. Eine Position lautet dabei, dass Frauen selbstverständlich zu allem genauso fähig seien, wie Männer. So sollte auch die Wehrpflicht für alle gelten. Militär-Expertin Kathrin Groh hält davon wenig. In einem Interview mit dem MDR erklärt sie, warum eine Wehrpflicht für Frauen aus ihrer Sicht kein Fortschritt, sondern eine zusätzliche Belastung für diejenigen wäre, die schon benachteiligt sind. Eine Wehrpflicht sei nach ihr nur eine zusätzliche Belastung für Frauen, die gesellschaftlich sowieso schon benachteiligt sind. Außerdem stünde die Wehrpflicht, welche nur für Männer gilt und, dass niemand aufgrund seines Geschlechts diskriminiert werden darf, beide in der Verfassung. Das eine könne das andere nicht verletzen, so Groh.
Laut einer Umfrage der Ipsos befürworten 44% der Befragten eine Wehrpflicht unabhängig vom Geschlecht, allerdings sind nur 33% der weiblichen Befragten Personen für diese Form der Wehrpflicht. Mit einem Frauenanteil von 13,62% im Jahr 2024 stellt die Bundeswehr ein sehr männerdominiertes Gebiet dar. Erst im Jahr 2001 wurde Frauen der Dienst an der Waffe erlaubt, im Sanitätsdienst dienen sie bereits seit 1975 in Uniform. Obwohl der Frauenanteil in der Bundeswehr stetig steigt, wird diese als Karriereweg für Frauen immer unattraktiver. Woran liegt das?
Auffällig ist, dass Frauen in der Bundeswehr kaum in Führungspositionen vertreten sind. Im Sanitätsdienst gibt es lediglich drei Frauen im Generalsrang, in anderen Bereichen der Bundeswehr gar keine. Auch der Dienstgrad „Oberst/Kapitän zur See“ wird nur von drei Frauen besetzt. Die fehlenden Vorbilder in Führungspositionen könnten eine Erklärung dafür sein, wieso die Bundeswehr für Frauen so unattraktiv ist.
Aufgrund gesellschaftlicher Rollenbilder spielt die Familienplanung außerdem für Frauen eine größere Rolle als für Männer. Eine Beschäftigung in der Bundeswehr erschwert diese durch regelmäßiges Wechseln des Wohnsitzes oder längere Auslandseinsätze massiv. Eine Soldatin berichtet in der VOLLBILD Dokumentation, dass Vereinbarkeit von Familie und Beruf ganz weit entfernt seien. Seit ihrer Schwangerschaft werde sie ausgeschlossen und teilweise nicht mehr gegrüßt, da sie aufgrund ihrer Tätigkeit im Homeoffice nie da sei.
Um die Bundeswehr für Frauen attraktiver zu gestalten, brauche es zunächst flexiblere Karrierewege, sodass nicht alle zwei oder drei Jahre ein Umzug notwendig sei, so eine Offizierin im Rang „Oberst“. Solche Beispiele gebe es bei Männern bereits, sind also umsetzbar. Außerdem brauche es eine bessere Kinderbetreuung, um Mütter während eines Auslandseinsatzes oder eines Lehrgangs zu unterstützen. Immerhin sind 18% der Eltern alleinerziehend und davon die meisten Frauen.
Die Studie deckt auch auf, dass Frauen und Menschen mit Behinderung in der Bundeswehr im Durchschnitt dreimal häufiger Opfer von Diskriminierung werden als bei anderen Arbeitgebern. Zudem würden Täter sexueller Übergriffe häufig von Kameraden gedeckt werden, um ihnen nicht die Karriere zu erschweren.
Die Soldatin Nariman Hammouti beschreibt in ihrem Buch „Ich diene Deutschland – Ein persönlicher Einblick in Strukturen und Reformprozesse der Bundeswehr“, von Vorkommnissen im Ausbildungszentrum Pfullendorf aus dem Jahr 2017. Hier wurde das Trainieren von medizinischen Fertigkeiten als Vorwand für sexuelle Handlungen genutzt. Dennoch schreibt Hammouti, dass alle in der Kameradschaft gleichgestellt seien und es bei der Bundeswehr beispielsweise keinen Gender Pay Gap gebe, da die Bezahlung nach Dienstgrad erfolgt. Demnach kann jeder Person an der Schulter transparent abgelesen werden, wie viel sie verdient. Doch weil wenige Frauen in Spitzenpositionen vertreten sind, gibt es auch hier noch ein Ungleichgewicht.
Die Debatte über die Wiedereinführung der Wehrpflicht bietet viel Diskussionsraum. Für Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius sei eine Wehrpflicht, die Frauen nicht inkludiert, in diesen Zeiten „unvorstellbar“. Für die Umsetzung einer Wehrpflicht für Frauen wäre allerdings eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag notwendig. Mit der ist derzeit aber nicht zu rechnen, denn zwei Parteien positionieren sich gegen eine Wehrpflicht. Zum einen möchte die pazifistische Linksfraktion die Wehrpflicht einschränken und sie nicht noch auf Frauen erweitern. Zum anderen sieht die rechtsextreme AfD die Wehrpflicht nur für Männer vor, denn Frauen würden ihren Dienst über Schwangerschaften leisten, so der hessische AfD-Co-Landesvorsitzende Robert Lambrou.
Ob eine Wehrpflicht für Frauen ein Schritt Richtung Gleichberechtigung wäre oder die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern verstärken würde, stellt ein großes Streitthema dar. Eine klare Antwort wird sich darauf nicht finden und das wird sich auch in naher Zukunft nicht ändern. Fakt ist, dass eine politische Umsetzung der allgemeinen Wehrpflicht gerade nicht absehbar ist und sich für diesen Schritt noch viel ändern muss.
