Anti­fe­mi­nismus und Verschwö­rung

Datum
12. März 2021
Autor*in
Nicole Kauer
Redaktion
politikorange
Themen
#nofake 2021 #Leben

Warum diese beiden Phäno­mene kein Zufall sind, findet poli­ti­ko­range-Redak­teurin Nicole Kauer heraus.

Die Suche fängt dort an, wo alles beginnt: dem Tele­gram-Kanal von Eva Herman. Die bekannte Anti­fe­mi­nistin ist eine ehema­lige Tages­schau-Spre­cherin und Buch­au­torin. Sie ist im verschwö­rungs­ideo­lo­gi­schen Milieu unter­wegs und inter­viewte unter anderem Xavier Naidoo. Öffnet man heute ihren Tele­gram-Kanal, stößt man dort auf über­teu­erte Wasser­filter für 359,95 Euro, das Prepper-Milieu und den rechts­extremen Kopp-Verlag. Herman bewirbt unter anderem ein verschwö­rungs­ideo­lo­gi­sches Buch zur Corona-Pandemie mit dem Titel Plan­demie“. Hinter dem Buch­titel steckt die Verschwö­rungs­ideo­logie, dass eine vermeint­liche Elite die Gesund­heits­be­hörden täusche und hinter der Pandemie eine profit­gie­rige Agenda einer geheimen Elite stecke. Dabei markiere die Pandemie erst den Beginn einer globalen Krise. Das Herauf­be­schwören einer globalen Krise, eine versteckte Agenda sowie eine geheime Elite sind klas­si­sche Narra­tive einer Verschwö­rungs­er­zäh­lung. Lisa Geffken, die für die Amadeu-Antonio-Stif­tung Bildungs­ar­beit zu Verschwö­rungs­ideo­lo­gien und Fake News macht, defi­niert Verschwö­rungs­ideo­lo­gien als Ideen, Vorstel­lungen und Ausdruck eines Welt­bilds, das abge­schlossen sei gegen die Realität und Ratio­na­lität und keine Gegen­ar­gu­mente akzep­tiere. Verschwö­rungs­ideo­lo­gien wollen die Gesell­schaft kriti­sieren, formu­lieren aber statt­dessen eine rück­schritt­liche Kritik, die anti­mo­dern und menschen­ver­ach­tend ist“, sagt Geffken. Gegen Femi­nismus und die LGBTIQ*-Bewegung Rebekka Blum arbeitet als poli­ti­sche Bild­nerin und Publi­zistin, promo­viert zu Anti­fe­mi­nismus an der Univer­sität Frei­burg und ist beim Infor­ma­ti­ons­zen­trum Dritte Welt“ in Frei­burg tätig. Sie fasst Anti­fe­mi­nismus unter einen breiten Begriff und versteht darunter eine orga­ni­sierte Bewe­gung, die sich mit poli­ti­schem Ziel gegen Femi­nismus und die LGBTIQ*-Bewegung (die Abkür­zung LGBTIQ* steht auf Deutsch über­setzt für lesbisch, schwul, bise­xuell, trans, qeer und inter­se­xuell) richte. Von Anti­fe­mi­nismus geht eine Gefahr aus, da er als Binde­glied zwischen Konser­va­tiven, Masku­li­nisten, christ­li­chen Funda­men­ta­listen sowie der extremen Rechten funk­tio­niert. Die Ideo­logie an sich ist diskri­mi­nie­rend und ihr liegt ein enges Geschlech­ter­bild zu Grunde.“ Dazu fehle es an einer gesell­schaft­li­chen Tabui­sie­rung und Sensi­bi­li­sie­rung des Phäno­mens und das, obwohl Anti­fe­mi­nismus weit verbreitet sei. Die starke Verbrei­tung von Anti­fe­mi­nismus in der Mitte der Gesell­schaft bestä­tigen auch die Leip­ziger Auto­ri­ta­rismus Studien. Bereits seit 2002 veröf­fent­li­chen Wissenschaftler*innen im zwei­jähr­li­chen Rhythmus reprä­sen­ta­tive Erhe­bungen zu rechts­extremen Einstel­lungen in Deutsch­land. Im vergan­genen Jahr lag der Schwer­punkt zum ersten Mal auf Anti­fe­mi­nismus. Über ein Drittel der bundes­deut­schen Bevöl­ke­rung stimmte zumin­dest einer anti­fe­mi­nis­ti­schen Aussage zu, wie beispiels­weise: Frauen über­treiben ihre Schil­de­rungen über sexua­li­sierte Gewalt häufig, um Vorteile aus der Situa­tion zu schlagen“. Anti­fe­mi­nismus und Verschwö­rungs­ideo­logie Die Studie bestä­tigt auch, dass ein starker Zusam­men­hang zwischen Rechts­extre­mismus und anti­fe­mi­nis­ti­schen Einstel­lungen vorliegt, wobei beson­ders Anti­fe­mi­nismus mit Anti­se­mi­tismus zusam­men­hängt. Sie verschränken sich, weil Verschwö­rungs­er­zäh­lungen in viel­fa­cher Weise anti­se­mi­ti­sche Elemente enthalten. Antifeminist*innen vermuten beispiels­weise hinter Gleich­stel­lungs­po­litik eine hidden agenda“, hinter der eine Elite stecke. Das lässt sich als eine Refe­renz an eine imagi­nierte jüdi­sche Elite lesen, was anti­se­mi­tisch ist. Blum sagt, dass sich Anti­fe­mi­nismus teil­weise in einer anti­se­mi­ti­schen Umwegs­kom­mu­ni­ka­tion‘ äußere. Offen anti­se­mi­ti­sche Narra­tive sind tabui­siert und erfor­dern eine Arti­ku­la­tion über Umwege. Daher findet Anti­se­mi­tismus über Anti­fe­mi­nismus seinen Weg in die Öffent­lich­keit. Doch nicht nur auf Ebene der Akteur*innen finden sich Anknüp­fungs­punkte: Verschwö­rung ist ein zentrales Thema von Anti­fe­mi­nismus“, sagt die Wissen­schaft­lerin. Zahl­reiche anti­fe­mi­nis­ti­sche Motive stecken in Verschwö­rungs­er­zäh­lungen. Beispiels­weise werden zurück­ge­hende Gebur­ten­raten in Deutsch­land mit Femi­nismus in Verbin­dung gebracht. Zusätz­lich kursiert die Verschwö­rungs­er­zäh­lung vom Großen Austausch’, laut der Menschen nach Europa migrieren, um die weiße Mehr­heits­ge­sell­schaft gegen eine musli­mi­sche/­nicht-weiße Bevöl­ke­rung auszu­tau­schen. Laut sein zeigt Wirkung Wie kann man Anti­fe­mi­nismus, einem Phänomen, das laut der Leip­ziger Auto­ri­ta­rismus-Studie in der Mitte der Gesell­schaft veran­kert ist (auch Eva Hermans Tele­gram­kanal hat über 175.000 Abonnent*innen) nun begegnen? Blum sagt, dass Anti­fe­mi­nismus als abweh­rende Reak­tion auch immer dann erstarkt, wenn sich etwas bewege. Anti­fe­mi­nismus kann als Indi­kator gesehen werden, dass sich was verän­dert. Das war in den 90er Jahren beim Gesetz zur sexu­ellen Beläs­ti­gung am Arbeits­platz der Fall und auch als Reak­tion auf #metoo und auf #Aufschrei war eine starke anti­fe­mi­nis­ti­sche Mobi­li­sie­rung zu beob­achten.“ Deshalb formu­liert Rebekka Blum als Antwort auf Anti­fe­mi­nismus: Als femi­nis­ti­sche und LGTBQI*-Bewegung sollte man immer an den eigenen Themen dran­bleiben und gute Arbeit machen.“

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