Als Jour­na­list in Syrien ist man immer nah daran, Regie­rungs­gegner zu sein“

Datum
02. September 2015
Autor*in
Claudia Hammermüller
Redaktion
politikorange
Thema
#Vielfalt im Journalismus 2015
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Claudia Hammermüller im Gespräch mit Yahya Al-Aous. Foto: Jonas Walzberg

Yahya Alaous ist Jour­na­list und Akti­vist aus Syrien. Mithilfe von Repor­tern ohne Grenzen kamen er und seine Familie im April 2015 nach Deutsch­land.

Wir sitzen in der Ecke eines Döner­la­dens auf der Sonn­tags­straße in Berlin. Yayha Alaous stapelt sein Telefon, sein Ziga­ret­ten­etui und sein Feuer­zeug vor sich auf dem Tisch. Er bestellt eine Zitro­nen­li­mo­nade. Seit über zehn Jahren ist er Jour­na­list, schreibt unter anderem für das Online­ma­gazin Syrian Observer und die panara­bi­sche Tages­zei­tung Al-Hayat. Al-Hayat“, zu Deutsch Das Leben“. Das Leben als Journalist*in in Syrien ist jedoch alles andere als einfach. Während er über Syrien und sein Leben berichtet, verschränkt er immer wieder die Arme vor seinem Körper. Ab und zu blickt er kurz unruhig aus dem Fenster. Dann wieder schweift sein Blick ins Leere.

Jour­na­lismus nur mit Regie­rungs­er­laubnis

Syri­sche Medien sind die Zunge der Regie­rung. Es geht nicht darum zu berichten, sondern das zu sagen, was die Regie­rung will. Die Infor­ma­tionen kommen vom Infor­ma­ti­ons­mi­nis­te­rium“, erzählt der 41-Jährige. Die Bedin­gungen seien hart, der poli­ti­sche Druck ebenso wie die Verdienst­mög­licheiten. Nur wenige Journalist*innen arbeiten als Free­lancer. Yahya Alaous Stimme klingt fest, seine Worte wirken bewusst gewählt. Mit Nach­druck wieder­holt er, dass in offi­zi­ellen Medi­en­häu­sern eher Ange­stellte denn Jour­na­listen arbeiten. Ein Jour­na­list, der keine Erlaubnis der Regie­rung hat, darf nicht berichten – und einer, der sie hat, arbeitet letzt­end­lich für die Regie­rung.“ Er selbst hatte keine, nachdem er 2002 wegen eines Arti­kels über Korrup­tion und Menschen­rechte zu zwei Jahren Gefängnis verur­teilt worden war. In Syrien konnte ich kaum noch veröf­fent­li­chen“, sagt Alaous. Auch deswegen habe er das Land verlassen, das auf der Rang­liste der Pres­se­frei­heit Platz 177 von 180 einnimmt.

Yayha Alaous im Gespräch

Yahya Al-Aous erklärt im Gespräch seine Sicht auf Journalismus in Syrien. Foto: Jonas Walzberg

Damaskus – Beirut – Berlin

Mit Hilfe von Repor­tern ohne Grenzen konnte Yahya Alaous zusammen mit seiner Frau und seinen zwei Töch­tern über den Libanon nach Deutsch­land einreisen. Auf die Idee, nach Berlin zu kommen, brachte ihn eine befreun­dete deut­sche Jour­na­listin, mit der er in Damaskus in einem Netz­werk über Frau­en­rechte schrieb. Sie hat uns sehr unter­stützt – und ist sozu­sagen unsere Kontakt­person hier“, sagt Alaous und lächelt kurz. Dennoch war der Weg nicht einfach: Nach seiner Inhaf­tie­rung durfte er Syrien bis 2015 nicht verlassen. Bereits im Januar 2014 hatten Reporter ohne Grenzen über ein huma­ni­täres Aufnah­me­pro­gramm der Bundes­re­gie­rung Visa für die Familie Alaous bean­tragt. An dem Tag, an dem Yahya Alaous seinen Reise­pass abholen durfte, verließ er das Land. Seine Frau und die Kinder waren bereits vier Monate zuvor in den Libanon ausge­reist. Unsere Visa für Deutsch­land erhielten wir in der Deut­schen Botschaft in Beirut. Im Gegen­satz zu vielen anderen konnten wir das Mittel­meer so glück­li­cher­weise einfach über­fliegen.“ Während er spricht, legt sich seine Stirn in Falten.

Gefängnis, Folter, Tod und Verschwinden.

Reporter ohne Grenzen zufolge verließen Syrien seit 2011 mehr als 300 Journalist*innen. Yahya Alaous bestä­tigt, dass er viele Syrer kenne, die im Ausland und für inter­na­tio­nale Medien tätig seien: In Syrien können wir nichts tun. Entweder die Regie­rung kontrol­liert alles oder man läuft Gefahr, gefangen genommen zu werden.“ Er selbst kenne viele, die im Gefängnis, verschwunden oder tot seien. Ich habe mich auch nicht mehr getraut, unter meinem tatsäch­li­chen Namen zu schreiben“, sagt er und rückt während­dessen auf seinem Stuhl nach vorn. Nach seiner Inhaf­tie­rung schrieb er vor allem über die Rechte von Frauen und Kindern. Das sei in den Augen der Regie­rung nicht ganz so wichtig. Denn unter­kriegen lassen wolle er sich nicht: Er sieht sich nicht nur als Jour­na­list, sondern auch als poli­ti­schen Akti­visten. Das sei nichts Beson­deres: Als Jour­na­list in Syrien ist man immer nah daran, Regie­rungs­gegner zu sein, vor allem, wenn man poli­ti­sche Themen betreut.“ Ledig­lich die Bericht­erstat­tung in den Berei­chen Bildung und Kultur sei etwas freier.

Einsei­tige Bericht­erstat­tungen

Auch vor Beginn der Proteste und des Kriegs in Syrien hatten Journalist*innen es nicht leicht. Was mich betrifft, so habe ich meine eigene Einstel­lung und Meinung, die nicht jener der Regie­rung entspricht. Auch vor der Revo­lu­tion“, sagt er nicht ohne Stolz. Die deut­sche Bericht­erstat­tung über die Gescheh­nisse in Syrien empfindet er als zu einseitig: Es gibt große Wissens­lü­cken. So scheinen die Deut­schen alles über Da‘sh [arabi­sche Abkür­zung für Isla­mi­scher Staat im Irak und der Levante, Anm. d. Red.] zu wissen, aber nichts über die Gesell­schaft, die ganz normalen Menschen.“ Er erklärt, dass Syrien nicht terro­ris­tisch sei, sondern in einem Krieg einer Regie­rung gegen das Volk versunken. Die Terro­risten kamen erst danach“, ergänzt er. In Bericht­erstat­tungen gebe es immer Dinge, die fehlen, aber das wich­tigste sei die Meinungs­frei­heit. In Syrien würden wir wie in Deutsch­land auch gern unsere Meinung äußern, berichten, was wir wichtig finden. Aber es gibt kaum Raum für Diskus­sionen und neben der staat­li­chen Zensur viel Korrup­tion“, schließt Yayha Alaous. Sobald wie möglich, möchte er nach Damaskus zurück­gehen und als freier Jour­na­list berichten. Bis dahin versucht er, in deut­schen Medien Beiträge zu veröf­fent­li­chen und ein Teil der neuen Gesell­schaft zu sein. Seine Eindrücke schil­derte er bereits auf sued​deut​sche​.de.

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Der syrische Journalist Yahya Alaous floh mit Reportern ohne Grenzen aus Damaskus über den Libanon nach Berlin. Foto: Jonas Walzberg

Zitate aus dem Engli­schen über­setzt von Claudia Hammer­müller.


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