Wir verhalten uns so, wie wir es gewöhnt sind.“

Datum
27. Juni 2016
Autor*in
Lara Render
Redaktion
politikorange
Thema
#Jugendforum Stadtentwicklung 2016
250616_po_JuFo_Stadtentwicklung_InterviewWSlara_JonasWalzberg_Teaserbild

250616_po_JuFo_Stadtentwicklung_InterviewWSlara_JonasWalzberg_Teaserbild

Jonas Walzberg

Im Rahmen des 9. Jugend­fo­rums Stadt­ent­wick­lung erfuhren die Teil­neh­menden durch den Mobi­li­täts­experten Dr. Daniel Hinkeldein, wie Mobi­lität in Zukunft aussehen könnte. Lara Render führte mit ihm ein Gespräch über Wege und Möglich­keiten, Inno­va­tionen in die Mitte der Gesell­schaft zu bringen.

260616_po_JuFo_Stadtentwicklung_InterviewWSlara_JonasWalzberg

Bereitstellung von kostenlosen Tickets in Reallaboren kann zu neuen, nachhaltigeren Routinen führen.Foto: Jonas Walzberg

Ideen für Fahr­zeuge und Mobi­lität, die unser Leben nach­hal­tiger gestalten, gibt es viele. Erste Konzepte sind so weit ausge­ar­beitet, dass sie theo­re­tisch heute schon reali­sierbar wären. Was hält uns davon ab, diese Produkte zu nutzen?

Kurt Tucholksy sagte einmal: We ought to, but we don’t.“ Obwohl wir wissen, dass wir etwas tun sollten, tun wir es nicht. Wir verhalten uns so, wie wir es gewöhnt sind. In der Psycho­logie nennt man dies routi­niertes Verhalten“. Routinen verein­fa­chen unser Leben, sonst wäre unser Gehirn über­for­dert.

Wie bewegen wir Menschen dazu, sich anders zu verhalten, als sie es gewohnt sind?

Wir müssen alte Routinen durch neue ersetzen. Dies wird nur möglich, wenn wir den Ziel­gruppen die Gele­gen­heit dazu geben, neue Routinen auszu­pro­bieren, selbst die Leich­tig­keit zu erfahren und die Vorteile zu erleben.

Eine neue Routine auspro­bieren, das hört sich inter­es­sant an. Aber wie und warum sollte ich das tun?

In soge­nannten urbanen Real­la­boren wird es beson­ders leicht und inter­es­sant gemacht, neue Routinen auszu­pro­bieren und für sich zu entde­cken. Bei einem urbanen Real­labor nimmt man einen bestimmten Raum, in dem man eine mögliche und wünschens­werte Situa­tion aus der Zukunft schafft. Konkret könnte dies bedeuten, dass man es erleich­tert, einer bestimmten Gruppe, die beson­ders attraktiv ist, neue Verhal­tens­rou­tinen bei der Verkehrs­mit­tel­wahl anzu­ge­wöhnen. Legen wir als unsere Ziel­gruppe gut gebil­dete Personen mit zwei Autos und guter Anbin­dung an den öffent­li­chen Perso­nen­nah­ver­kehr fest. Das Ziel ist es, diese Personen dazu zu bewegen, den öffent­li­chen Perso­nen­nah­ver­kehr stärker zu nutzen. Dazu ergreift man mehrere Maßnahmen. Eine erste ist, die Ziel­gruppe zu infor­mieren. Viele über­schätzen Fahr­zeiten und Tarife. Im nächsten Schritt händigt man der Ziel­gruppe für einen Monat kostenlos ein Bahn­ti­cket aus. Wenn die Teil­nehmer des Expe­ri­ments sehen, dass die Nutzung des ÖPNV einfach und bequem ist, entwi­ckelt sich auch lang­fristig aus diesem Auspro­bieren und Infor­mieren eine neue, eine nach­hal­tige Routine. Idea­ler­weise gestalten die betei­ligten Menschen den Prozess aktiv und tragen dazu bei, dass sich der gesell­schaft­liche Lern­pro­zess fort­setzt.

Solche urbanen Labore sind oft mit erheb­li­chen Kosten verbunden. Wer hat ein Inter­esse daran, diese beson­deren Expe­ri­mente durch­zu­führen?

Real­la­bore sind Inter­ven­tionen von einem inter­es­sierten Akteur. Als Auto­her­steller beispiels­weise möchte ich Kunden neue Auto­mo­delle vorstellen und sie zum Kauf moti­vieren. In diesem Fall ist es für mich sinn­voll ein Real­labor durch­zu­führen. So kann ich neue Kunden gewinnen. Größere Ziele, wie die Entwick­lung eines nach­hal­tigen Verhal­tens bei der gesamten Bevöl­ke­rung, gehen über die Inter­essen einzelner Firmen hinaus. Diese Inter­essen sind meist Anliegen des Staates. Dann kann es sinn­voll sein, die Bereit­schaft der Menschen zu fördern, ihr eigenes Mobi­li­täts­ver­halten zu reflek­tieren, sich darüber auszu­tau­schen und – hoffent­lich – im Sinne der Nach­hal­tig­keit ändern.

Wie wahr­schein­lich ist es, dass wir in Zukunft an einem Real­labor teil­nehmen?

Diese Frage ist schwer zu beant­worten. Wenn sich bei einer Unter­su­chung Real­la­bore als die beste Möglich­keit zur Beein­flus­sung des Verhal­tens signi­fi­kanter Bevöl­ke­rungs­gruppen heraus­stellen, könnten sie auch uns in Zukunft errei­chen. Dies voraus­ge­setzt, wäre es sicher­lich wünschens­wert, dass in zwei bis drei Jahren zumin­dest jeder jemanden kennt, der an einem Real­labor teil­ge­nommen hat. Dies bei einer Bevöl­ke­rung von 80 Millionen Menschen zu schaffen, ist jedoch eine große Heraus­for­de­rung.


Empfohlene Beiträge

Werde Teil unserer Community

Entdecke spannende Geschichten, vernetze dich mit anderen jungen Journalist:innen und gestalte die Medienlandschaft von morgen mit. Melde dich jetzt an und bleibe immer auf dem neuesten Stand.

Wehrpflicht Redaktion Gruppenbild