Wenn die Pres­se­frei­heit hüstelt…“

Datum
27. Juni 2018
Autor*in
Lennart Glaser
Redaktion
politikorange
Thema
#pressefreiheit18
Foto: Jugendpresse Deutschland / Lennart Glaser

Foto: Jugendpresse Deutschland / Lennart Glaser

Plakatbike des BDZV auf dem Gendarmenmarkt

Wieder einmal war poli­ti­ko­range am Inter­na­tio­nalen Tag der Pres­se­frei­heit in Berlin mit einem Plakat­bike des Bundes­ver­bands Deut­scher Zeitungs­ver­leger (BDZV) unter­wegs, um auf das Thema aufmerksam zu machen und mit Passan­tinnen und Passanten ins Gespräch zu kommen. 2018 haben sich Sascha Kemper und Lennart Glaser am 3. Mai aufs Rad geschwungen.

#Free­The­mAll – ein quasi omni­prä­senter Hashtag der heutigen Zeit. So omni­prä­sent, dass man sich eigent­lich schon daran gewöhnt hat. Er ist, zumin­dest hier­zu­lande, ein Über­bleibsel, ein Rudi­ment der Empö­rungs­wellen über die Fest­nahme sowie die Frei­las­sung Deniz Yücels in der Türkei. Dabei entwi­ckelt er sich eigent­lich zu einem Symbol des Kampfes für Pres­se­frei­heit welt­weit: Hinter jedem Tweet zu diesem Thema, hinter jedem Beitrag steckt ein brutales und vor allem unde­mo­kra­ti­sches Ereignis. Nach wie vor werden Jour­na­lis­tinnen und Jour­na­listen auf der ganzen Welt ange­feindet, fest­ge­nommen und getötet – nur weil sie ihre Arbeit machen. Mitglied einer terro­ris­ti­schen Verei­ni­gung“ zu sein, ist gerade als Vorwurf in Mode, um Repor­te­rinnen und Reporter aus dem Verkehr zu ziehen.

Das ist tragisch und erschre­ckend zugleich, spielt die Presse doch eine entschei­dende Rolle in einem Rechts­staat: Sie stellt eine Instanz dar, die von Regie­rung und Wirt­schaft unab­hängig ist und denen da oben“ auf die Finger schauen kann – was auch hier­zu­lande nicht jeder und jede verstanden hat und was weiterhin zu Anfein­dungen und Einschrän­kungen des Jour­na­lismus führt.

Um für diese Rolle des Jour­na­lismus einzu­stehen und weiterhin auf dieses Thema aufmerksam zu machen, war politikorange am 3. Mai, dem Inter­na­tio­nalen Tag der Pres­se­frei­heit in Berlin unter­wegs – mit einem Plakat­bike des Bundes­ver­bands Deut­scher Zeitungs­ver­leger, sowie mit Stift und Block und Kamera, um an diesem Tag Menschen zur Pres­se­frei­heit zu befragen.

Den Start in den Tag und gleich­zeitig das Motto des Tages lieferte der Haupt­ge­schäfts­führer des BDZV, Dietmar Wolff, der die Pres­se­frei­heit als Essenz für ein funk­tio­nie­rendes Zusam­men­leben sieht: Pres­se­frei­heit ist, genauso wie die Meinungs­frei­heit, konsti­tutiv für eine Gesell­schaft.“

Mit diesen Worten im Gepäck machte sich der Plakat­bike-Trupp um die beiden politikorange-Redak­teure Sascha und Lennart auf den Weg durch das poli­ti­sche und touris­ti­sche Berlin. Beginn war am Check­point Charlie, wo erwar­tungs­gemäß viele Touris­mus­gruppen Sight­seeing betrieben und junge Schü­le­rinnen und Schüler auf Abschluss­fahrt dem kompletten Platz sowje­ti­sche Flaggen, die sie an Stra­ßen­ständen erworben hatten, als Mitbringsel für ihre Groß­el­tern präsen­tierten. Reflek­tierter äußerten sie sich zur Pres­se­frei­heit. Sie sei wichtig, damit es nicht wieder dazu komme, dass Meinungen von Personen unter­drückt werden, wie es zum Beispiel zu Zeiten des Natio­nal­so­zia­lismus der Fall war.“ Eine Schü­lerin bemerkte, die Pres­se­frei­heit sei unver­zichtbar, wenn eine Demo­kratie funk­tio­nieren wolle.

Ähnlich äußerten sich Passan­tinnen und Passanten bei den nächsten Stops am Gendar­men­markt, vor dem Reichs­tags­ge­bäude oder am Pots­damer Platz. Eine Touristin adelte die Pres­se­frei­heit gar als Grund­be­stand­teil der Frei­heit an sich“.

Allge­mein war auffällig, wie viele Menschen sich zu dem Thema äußern wollten und wie viele die gleiche, klare Meinung vertraten: Pres­se­frei­heit ist Grund­be­stand­teil der Demo­kratie. Kriti­sche Stimmen waren rar, ledig­lich ein nord­deut­scher Tourist am Bran­den­burger Tor, der nament­lich nicht erwähnt werden wollte, kriti­sierte primär die Homo­ge­nität deut­scher Medien. Anders sah das eine Berliner Medi­zin­stu­dentin: Pres­se­frei­heit bedeute für sie die Möglich­keit, die Medien, durch die sie sich infor­mieren möchte, frei wählen zu dürfen.

Über­ra­schend war aller­dings, wie sehr sich junge Menschen sträubten, ein State­ment vor der Kamera zu geben. Ältere Gesprächs­part­ne­rinnen und Gesprächs­partner hatten da deut­lich weniger Berüh­rungs­ängste und zogen diese Umfra­ge­va­ri­ante der schrift­li­chen teil­weise sogar vor.

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Sascha Kemper und Lennart Glaser interviewen bei der re:publica den YouTuber Mirko Drotschmann

Den Abschluss der Fahr­rad­tour bildete ein Spon­tan­be­such der Internet-Konfe­renz re:publica, der von einem Inter­view mit Fern­seh­mo­de­rator und YouTuber Mirko Drot­sch­mann gekrönt wurde. Als Insider der deut­schen Jour­na­lis­mus­szene betonte er die Wich­tig­keit der Pres­se­frei­heit, kriti­sierte aber auch die Situa­tion in Deutsch­land: Bedro­hungen gegen Jour­na­listen nehmen zu. Ich kenne Jour­na­listen, die nicht mehr ohne Perso­nen­schutz auf Demons­tra­tionen gehen können. (…) Es gibt Leute, die versu­chen (…), die Schere im Kopf zu erzeugen, dass man seine Arbeit nicht mehr frei ausüben kann und das ist eine Gefahr. Diese Gefahr nimmt zu und der müssen wir uns ganz entschieden entge­gen­stellen.“

Mit der anschlie­ßenden Rück­kehr endete ein Tag der gemischten Gefühle: Fast schon ein Fünk­chen Euphorie hinter­ließen die Äuße­rungen der Passan­tinnen und Passanten, die gene­ra­tio­nen­über­grei­fend die Pres­se­frei­heit als einen der funda­men­talsten Werte der Demo­kratie defi­nierten und um jeden Preis schützen wollten. Ande­rer­seits wurde auch deut­lich, welchen Gefahren die Pres­se­frei­heit ausge­setzt ist, welche sicht­baren und unsicht­baren Faktoren die objek­tive Bericht­erstat­tung einschränken können. Selbst in Deutsch­land hat die Pres­se­frei­heit Probleme: allein durch die finan­zi­elle Situa­tion der Verlage und Zeitungen, oder aber auch, wie Mirko Drot­sch­mann es formu­lierte, durch die Gefahr, die von mensch­li­chem Hass ausgeht. Unser Fazit an diesem Tag: Der Kampf für die Pres­se­frei­heit ist ein Kampf, den wir alle führen müssen. BDZV-Haupt­ge­schäfts­führer Dietmar Wolff bringt es auf den Punkt: Wenn die Pres­se­frei­heit hüstelt, krankt der ganze Staat.“


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