Wahl­er­folg dank Diskri­mi­nie­rung

Datum
07. Juni 2018
Autor*in
Julian Lesniewski
Redaktion
politikorange
Thema
#IWgR 2018
Hat jüngst bekannt gegeben, dass sie den Front National in "Rassemblement National" umbenennen will: Marine Le Pen. / Foto: gregroose (Pixabay / CC0)

Hat jüngst bekannt gegeben, dass sie den Front National in "Rassemblement National" umbenennen will: Marine Le Pen. / Foto: gregroose (Pixabay / CC0)

Hat jüngst bekannt gegeben, dass sie den Front National in "Rassemblement National" umbenennen will: Marine Le Pen. / Foto: gregroose (Pixabay / CC0)
Wladimir Schi­ri­no­wski und Marine Le Pen haben viel gemeinsam. Sie sind Vorsit­zende rechts­po­pu­lis­ti­scher Parteien und haben um das russi­sche bzw. fran­zö­si­sche Präsi­den­tenamt kandi­diert. Dabei schreckten sie nicht vor Miso­gynie und Rassismus zurück, um die Gunst auch rechts­extremer Wähle­rinnen und Wähler zu gewinnen. Von Julian Lesniewski.

Wladimir Schi­ri­no­wski und Marine Le Pen haben viel gemeinsam. Sie sind Vorsit­zende rechts­po­pu­lis­ti­scher Parteien und haben um das russi­sche bzw. fran­zö­si­sche Präsi­den­tenamt kandi­diert. Dabei schreckten sie nicht vor Miso­gynie und Rassismus zurück, um die Gunst auch rechts­extremer Wähle­rinnen und Wähler zu gewinnen. Von Julian Lesniewski.

Chau­vi­nismus als poli­ti­sches Kalkül

Laut aktu­ellen Umfragen ist Wladimir Wolfo­witsch Schi­ri­no­wski nach Wladimir Putin und Sergej Lawrow zurzeit der dritt­be­lieb­teste Poli­tiker Russ­lands. Sein Verständnis von gelun­gener Politik ist, gelinde gesagt, rabiat: Während einer im Februar 2017 gehal­teten Präsi­dent­schafts­de­batte im russi­schen Fern­sehen belei­digte Schi­ri­no­wski Xenia Sobt­schak, seine Gegnerin und gleich­zeitig die einzige weib­liche Kandi­datin für das Amt, mit den tabui­sierten Mat“-Begriffen*. Diese stehen im Russi­schen für eine Ansamm­lung beson­ders derber, expres­siver und vulgärer Schimpf­wörter.

Bei einer anderen poli­ti­schen Debatte wurde Sobt­schak so stark denun­ziert, dass sie unter Tränen das Fern­seh­studio verließ. Auch an dieser öffent­li­chen Demü­ti­gung war Schi­ri­no­wski betei­ligt.

Bei den russi­schen Präsi­dent­schafts­wahlen 2018 hat der Partei­vor­sit­zende der natio­na­lis­ti­schen Liberal-Demo­kra­ti­schen Partei Russ­lands (LDPR) das dritt­beste Ergebnis einge­fahren. Seine Denun­zia­tionen in den russi­schen Medien sind Kalkül: Schi­ri­no­wski nutzt sie, um an Wähle­rinnen- und Wähler­stimmen zu gelangen.

Ein beson­deres Rede­recht erlaubt es dem Hard­liner, sich auf Wahl­kampf­ver­an­stal­tungen abwer­tend gegen­über poli­ti­schen Gegne­rinnen und Gegnern zu äußern. Davon machte Schi­ri­no­wski in der Vergan­gen­heit gern und ausgiebig Gebrauch.

Ende Januar traf er bei einer Präsi­dent­schafts­de­batte in der Stadt Serpuchowo erneut auf Xenia Sobt­schak – und wieder wurde die 36-Jährige zum Opfer wüster Beschimp­fungen. Schi­ri­no­wski ätzte, dass Sobt­schak es in ihrem Alter gerade noch so geschafft hätte, zu heiraten. Darüber hinaus sei sie völlig unge­eignet, Präsi­dentin zu werden: Wenn jemand wie sie sich aufstellen lassen könne, werde nächstes Mal womög­lich sogar eine Masseurin kandi­dieren!

Mit seinen miso­gynen Äuße­rungen versucht Schi­ri­no­wski, bei Wähle­rinnen und Wählern stereo­type Geschlechter-Vorstel­lungen à la Frauen sollen zu Hause bleiben und sich um den Haus­halt kümmern“ zu bestä­tigen. Dass er damit zumin­dest einen hohen Schau­wert hat, zeigt sich auf YouTube: Ein Video, das einen der verbalen Ausfälle des 71-Jährigen gegen Xenia Sobt­schak zeigt, ist auf YouTube bereits 200.000 Mal geklickt worden.

Hetze gegen den Islam

Was Schi­ri­no­wski wohl dazu sagen würde, dass es in Frank­reich eine Frau an die Spitze einer poli­ti­schen Partei geschafft hat, die der LDPR gar nicht mal unähn­lich ist? Die Rede ist von Marine Le Pen. Wie ihr Vater Jean-Marie Le Pen vor ihr führt sie den rechts­po­pu­lis­ti­schen Front National an – und hat es binnen weniger Jahre bewerk­stel­ligt, die Partei von einer rechts­ra­di­kalen, anti­se­mi­ti­schen Protest­grup­pie­rung zu einer natio­na­lis­ti­schen Volks­partei umzu­bauen, die unter den Fran­zö­sinnen und Fran­zosen immer mehr Zustim­mung findet. So erhielt Marine Le Pen bei der Präsi­dent­schafts­wahl 2017 ein Drittel aller Stimmen. Unter Jean-Marie Le Pen war sie auf höchs­tens zwölf Prozent gekommen.

Der Front National scheint massen­taug­lich geworden zu sein. Womög­lich liegt das daran, dass in den letzten Jahren anti­mus­li­mi­sche Gewalt­taten in Frank­reich stark zuge­nommen haben. Marine Le Pen weiß, wie sie sich die anti­mus­li­mi­sche Stim­mung – die sich auch in anderen euro­päi­schen Staaten immer mehr auszu­breiten scheint – für ihre Partei zunutze machen kann. So behaup­tete sie unter anderem, dass die fort­schrei­tende Isla­mi­sie­rung“ Frank­reichs das Über­leben der Zivi­li­sa­tion“ infrage stelle.

Inhalt­lich hat sich die auslän­der­feind­liche Ausrich­tung des FN unter Marine Le Pen kaum geän­dert; ledig­lich der Ton ist etwas gemä­ßigter geworden, seit die frühere Abge­ord­nete des Euro­päi­schen Parla­ments im Jahr 2011 den Vorsitz der Partei über­nommen hat. Auch in Sachen Frau­en­rechte hat sich der Front National, entgegen jeder Erwar­tung, unter Le Pen nicht nach vorn bewegt. Erwähnt wird das Thema nur, wenn im glei­chen Zug der Isla­mismus“ kriti­siert werden kann: so zum Beispiel, wenn der FN behaupten kann, dass er Frauen die grund­sätz­lichsten Frei­heiten“ wegnimmt.

Rassismus und die Diskri­mi­nie­rung von bestimmten Gruppen sind sowohl in Ost- als auch in West­eu­ropa ein zuneh­mend beliebtes Wahl­kampf-Instru­ment natio­na­lis­ti­scher und rechts­extremer Parteien. Von so etwas wie Anstand ist bei Poli­tiker und Poli­ti­ke­rinnen wie Schi­ri­no­wski und Le Pen nichts zu sehen.

Einen Podcast zum Thema Wahl­er­folg dank Diskri­mi­nie­rung“ findet ihr hier: https://​poli​ti​ko​range​.de/​2018​/​03​/​p​o​d​c​a​s​t​-​1​-​i​n​t​e​r​n​a​t​i​o​n​a​l​e​-​w​o​c​h​e​n​-​g​e​g​e​n​-​r​a​s​s​i​smus/


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