Viel­schichtig und über­ra­schend – Ali Cans Buch Hotline für besorgte Bürger“

Datum
26. August 2017
Autor*in
Christopher Folz
Redaktion
politikorange
Thema
#KJD17
Ali Can

Ali Can

Ali Can

Hotline für besorgte Bürger“ heißt das erste Buch von Ali Can. Chris­to­pher Folz hat es gelesen und findet: weit mehr als nur ein Tele­fon­ge­spräch.“

Ali Cans neues Buch:
"Hotline für besorgte Bürger - Antworten vom Asylbewerber Ihres Vertrauens"

Ali Cans neues Buch: "Hotline für besorgte Bürger - Antworten vom Asylbewerber Ihres Vertrauens"

Ali Can, selbst­er­nannter Asyl­be­werber Ihres Vertrauens“, beschreibt einen Teil der Geschichte seiner kosten­losen Tele­fon­hot­line. Jede und jeder kann ihn anrufen, um über Flücht­linge, PEGIDA und eigent­lich auch sonst jedes Thema, das irgendwie mit Migra­tion zu tun hat, zu reden.

Moment mal: Wie kann man ein Buch über eine Hotline schreiben? Das war mein erster Gedanke, als ich den Titel las. Klar: Es geht noch um viel mehr als das. Um Migra­tion und Poli­tik­ver­dros­sen­heit in Deutsch­land zum Beispiel. Aber sind diese Themen nicht langsam mal erschöpft?

Weit gefehlt.

Ali Can zeigt ganz neue Seiten der Flücht­lings­the­matik, die man als Nicht-Betrof­fener gar nicht erahnt. Der Migrant unseres Vertrauens“ beginnt sein Buch mit einer für ihn sehr emotio­nalen Reise in seine ehema­lige Heimat, Pazarcik in der Türkei. Dort wurde er zum ersten Mal mit der grau­samen Vergan­gen­heit über die Kämpfe zwischen der PKK und dem türki­schen Militär konfron­tiert. Es folgen ein Kapitel über seine PEGIDA-Erfah­rungen und der ersten Begeg­nung mit besorgten Bürgern. Skurril: Bei der führte Can einen Scho­ko­la­den­os­ter­hasen mit sich.

Und dann fängt das Buch eigent­lich erst an.

Nach einem kurzen Kapitel über den Start der Hotline folgt ein Gespräch mit Frau Linde, 64 Jahre alt und unglaub­lich liebens­würdig, wenn auch etwas naiv. Sie redet über türki­sches Essen und scheint sich dort sogar besser auszu­kennen als Ali Can selbst, was unge­wöhn­lich und logisch zugleich ist. Denn wie man später im Buch erfährt, ist Can so deutsch, dass er selbst mehr über die Kultur sagen kann als ein AfD-Poli­tiker.

Fazit: Wenn ich auch anfangs mal über einen Satz gestol­pert bin, hat es Ali Can dennoch geschafft, mir mit diesem Buch die ein oder andere Gänse­haut zu bescheren. Auch spätere Gespräche, über die er schreibt, geben einen inter­es­santen Einblick in die Gedanken Anderer. Dabei macht es ein wenig traurig, dass manche Menschen gehässig werden – und das nur, um andere zu verletzen. Beson­ders cool: Das Buch hilft sogar heraus­zu­finden, wie deutsch man als Leser selbst ist. Wie das geht? Mit einem Einbür­ge­rungs­test ganz nach Ali Cans Geschmack. Ich habe den Test gemacht und musste fest­stellen: So wirk­lich deutsch bin ich auch nicht. Mein Ergebnis ist „(E) beson­ders indi­vi­duell“. Netter­weise wird dabei auch erklärt: Das Deut­sche“ gibt es gar nicht. Zwischen Frei­burg und Kiel liegen so viele Unter­schiede, dass es totaler Unsinn wäre, zu behaupten, es gäbe eine rein deut­sche Kultur.

Zusam­men­fas­send lässt sich sagen:

Ali Cans Buch ist ebenso berüh­rend wie abschre­ckend, ebenso infor­mativ wie unter­hal­tend. Empfeh­lens­wert für jeden, der sich auch nur im Entfern­testen für Politik und Migra­tion inter­es­siert. Ali Can beschreibt Zusam­men­hänge, die man so gar nicht erwartet hätte.

Auf eine Fort­set­zung lässt sich deshalb nur hoffen.


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