Ich habe vor, die Welt zu retten“

Datum
27. August 2017
Autor*in
Christopher Folz
Redaktion
politikorange
Thema
#KJD17
Ali Can in Aktion

Ali Can in Aktion

Beim Kongress junger Demokrat_​Innen“ haben Chris­to­pher Folz und Henri Maiworm den Autor und inter­kul­tu­rellen Frie­dens­stifter“ Ali Can inter­viewt.

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Ali Can sprach über Weltrettung, Demokratie - und über einen Schoko-Osterhasen / Foto: politikorange

Was machst du hier?

Ich bin hier beim Kongress junger Demokrat_​Innen, weil ich mit anderen jungen Menschen zusammen ein Zeichen setzen möchte für die Demo­kratie und für die Jugend, die sich mehr enga­gieren und wählen gehen sollte.

Wie ist der Kongress entstanden?

Ich hatte irgend­wann mal die Idee, dass ich auch einen Kongress starten möchte, nachdem Rechts­po­pu­listen wie Frauke Petry, Geert Wilders und Marine LePen einen Kongress in Koblenz abge­halten haben. Da habe ich mich gefragt, wieso nicht andere Parteien auch auf die Idee kommen, sich über­re­gional zu orga­ni­sieren. Ich habe dann gesagt, ich mach so nen Kongress! Ich habe einen Face­book­post gemacht und den Kongress Junger Demokrat_​Innen“ genannt. Tatsäch­lich wollte ich aber keinen Konter-Kongress gegen die AfD haben – theo­re­tisch hätte auch jemand aus dieser Partei hier dabei sein können. Es sollte einfach nur ein großer Kongress sein, der gewisse Werte wie die Demo­kratie und Europa befür­wortet, bei dem man aber auch ins Gespräch mitein­ander kommt.

Was bedeutet Demo­kratie für dich?

Parti­zi­pa­tion. Demo­kratie heißt für mich, dass wir uns alle für unsere Inter­essen einsetzen. Es bedeutet aber auch Argu­mente – und die, die die besten haben, werden letzten Endes entscheiden.

Du wählst dieses Jahr zum ersten Mal. Warum das?

Ich hatte bis vor zwei Jahren die türki­sche Staats­an­ge­hö­rig­keit. Deswegen konnte ich lange Zeit nicht wählen, obwohl ich jetzt 23 bin und vor vier Jahren theo­re­tisch meine Stimme hätte abgeben können.

Gestern ist dein erstes Buch heraus­ge­kommen: Hotline für besorgte Bürger“. Worum geht’s?

Das Buch handelt von meinem Projekt: einem Bürger­te­lefon für besorgte“ Bürge­rinnen und Bürger, die aufgrund der Einwan­de­rung von Flücht­lingen Sorgen, Bedenken, Zweifel entwi­ckeln oder schlechte Erfah­rungen gemacht haben und sich deshalb auflehnen. Ich möchte ein Brücken­bauer für diese Menschen sein: Ich möchte Verständnis schaffen. So habe ich gemerkt, dass man sich auch mit nach rechts tendie­renden Menschen zusam­men­setzen, durch wert­schät­zende Kommu­ni­ka­tion ins Gespräch kommen und einen Dialog haben kann. Der Sinn ist, mit dem Buch zu veran­schau­li­chen, wie man solche Gespräche führen kann. Es soll aber auch infor­mieren, worüber die besorgten Bürge­rinnen und Bürger spre­chen und wie ihre Ansichten zustande kommen. Im Epilog geht es darum, was heute die Anfor­de­rungen an die Politik und Gesell­schaft sind. Zudem gibt es eine Check-Liste, wie man Gespräche mit besorgten“ Bürgern auf Augen­höhe führen kann.

Gibt es ein Gespräch, das du als das Inter­es­san­teste beti­teln kannst?

Das Gespräch mit einem AfD-Wähler war das inter­es­san­teste Gespräch, weil dabei auch ich etwas gelernt habe. Der Gesprächs­partner hat mich dafür sensi­bi­li­siert, dass wir alle hier mit unserem Life­style und unserem Konsum­ver­halten ein Stück weit dazu beitragen, dass Flucht­ur­sa­chen über­haupt exis­tieren. Kinder­ar­beit, Hunger, unfaire Arbeits­be­din­gungen, Chancenlosigkeit.…Der Teufels­kreis der Armut besteht ja auch unter anderem dadurch, dass wir eben güns­tige Klei­dung kaufen, dass wir Technik haben, die aus bestimmten Rohstoffen oder von Kinder­händen herge­stellt ist.

In deinem Buch erzählst du, dass du einen Schoko-Oster­hasen auf der Pegida-Demo dabei hattest. Wie kam es denn dazu?

Als ich bei Pegida war, habe ich gemerkt, dass ich Schwie­rig­keiten habe, Gespräche zu beginnen, weil die Menschen dort oft in ein Schub­la­den­denken verfallen. Ist ja klar: Ich als jemand, der migran­tisch aussieht, fällt eben auf. Da denken die Leute nicht unbe­dingt: Mit dem rede ich jetzt!“ Statt­dessen sind sie erst einmal verwun­dert und irri­tiert.

Irgend­wann kurz vor Ostern hatte ich dann einen Schoko-Oster­hasen in meiner Tasche. Den wollte ich essen. Aber als ich den Hasen heraus­ge­holt habe, habe ich gemerkt, wie das Paar neben mir geschmun­zelt hat. Da habe ich mich an einen Artikel aus einer Zeit­schrift erin­nert, den mir ein Freund geschickt hat. Da stand drin, dass man zum Beispiel bei Frauen besser ankommt, wenn man Neugier schafft und Frage­zei­chen hinter­lässt. Mit dem Oster­hasen in der Hand habe ich Frage­zei­chen hinter­lassen. Die Leute waren positiv über­rascht, weil ein Oster­hase ja eigent­lich auch ein schönes Symbol ist, das irgendwo mit dem Chris­tentum in Verbin­dung steht. Der Hase zeigte also gewis­ser­maßen meine posi­tive Absicht gegen­über der christ­li­chen Kultur, was es leichter machte, Gespräche anzu­fangen.

Was planst du für die Zukunft?

Die Welt zu retten. Ich glaube, dafür werde ich erstmal mich selbst retten. Indem ich mich selbst ändere, werde ich versu­chen, die Menschen zu ändern. Das heißt: Ich werde versu­chen mich weiter­zu­bilden, reflek­tierter zu sein, fried­liche Kommu­ni­ka­tion besser zu lernen, mich besser zu orga­ni­sieren, um dann hin und wieder Projekte wie diesen Kongress hier zu machen.

Gibt es eine Frage, die du schon immer mal gefragt werden woll­test?

Ja. Eine Frage, die ich mir selbst gestellt habe, ist: Was lerne ich aus alledem? So dem ganzen Projekt; was ist mein Ausblick?“

Ich glaube, dass wir viel mehr Brücken­bauer brau­chen – und Menschen, die Kulturen wert­schät­zend zusam­men­bringen: Menschen des Vertrauens. Ob das ein Syrer des Vertrauens, Migrant des Vertrauens, Muslim des Vertrauens, Jude des Vertrauens, Deut­scher des Vertrauens ist, ist egal. Oft braucht man erst einmal Menschen, die einem das Gefühl geben, dass man den Kontakt haben, dass man nett sein kann. Das habe ich gelernt. Ich hoffe, dass ich damit irgend­wann auch mein Geld verdiene und mich über die Runden halten kann – mit so einem Job als sinn­bild­li­cher Brücken­bauer, das wäre doch schön.

Ali Can

Ali Can ist 23, studiert Deutsch und Ethik auf Lehramt. Er ist im Südosten der Türkei geboren und im Münsterland aufgewachsen. /Foto: politikorange


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