Rang­liste der Pres­se­frei­heit 2023 – Lotte Laloire im Inter­view

Datum
03. Mai 2023
Autor*in
Hannah Sturm
Redaktion
politikorange
Themen
#Pressefreiheit23 #Medien
Titelbild_LotteLaloire_Reporter ohne Grenzen

Titelbild_LotteLaloire_Reporter ohne Grenzen

Die politkorange Redaktion zum Thema Pressefreiheit war in Leipzig und hat dort unter anderem mit Lotte Laloire interessante Inputgespräche geführt. Foto: Jugendpresse Deutschland e.V./ Ella Sophie Seeger
Lotte Laloire arbeitet als Pres­se­re­fe­rentin bei Reporter ohne Grenzen in Berlin und setzt sich täglich für die Pres­se­frei­heit auf der ganzen Welt ein. Im Inter­view erzählt sie von ihrer Arbeit und gibt Einblicke in die dies­jäh­rige welt­weite Rang­liste.

Lotte Laloire arbeitet als Pres­se­re­fe­rentin bei Reporter ohne Grenzen in Berlin und setzt sich täglich für die Pres­se­frei­heit auf der ganzen Welt ein. Nebenbei ist sie als freie Jour­na­listin tätig. Im Inter­view erzählt sie von ihrer Arbeit und gibt Einblicke in die dies­jäh­rige welt­weite Rang­liste zur Pres­se­frei­heit.

poli­ti­ko­range: Wieso hast du dich dafür entschieden, für Reporter ohne Grenzen zu arbeiten?

Lotte Laloire: Ich war selbst freie Jour­na­listin und habe in dem Rahmen Poli­zei­ge­walt erlebt. Das war für mich ein sehr einschnei­dendes Erlebnis und hat mir defi­nitiv vor Augen geführt, wie wichtig es ist, das Grund­recht auf Pres­se­frei­heit zu haben und zu wahren. Gerade ange­sichts der vielen Angriffe, die wir auch in Deutsch­land erleben. 2021 gab es 80 gewalt­same oder physi­sche Angriffe auf Journalist*innen.

Was genau ist deine Funk­tion in der Orga­ni­sa­tion? Was sind deine Aufgaben?

Ich bin Refe­rentin im Kommu­ni­ka­ti­ons­team und beant­worte Pres­se­an­fragen. Ich schreibe Pres­se­mit­tei­lungen, gebe Inter­views und versuche, in diesem Rahmen auf Über­griffe auf die Presse aufmerksam zu machen. Unser Ziel ist es, jegliche Angriffe auf die Pres­se­frei­heit laut und entschlossen in der Öffent­lich­keit zu kriti­sieren und zu skan­da­li­sieren, damit die ganze Gesell­schaft das mitbe­kommt und das unter­bunden werden kann. Konkret bin ich zuständig für Deutsch­land, Türkei und die Länder südlich der Sahara. Wir sind mehrere Referent*innen hier im Team, die sich die 180 Länder der Welt unter­ein­ander aufteilen. Dann gibt es noch ganz viele andere Refe­rate. Welt­weit gibt es Büros und Repräsentant*innen, mit denen wir zusam­men­ar­beiten.

Wie genau geht ihr als Orga­ni­sa­tion beim Schutz der Pres­se­frei­heit welt­weit vor?

Grund­sätz­lich leistet Reporter ohne Grenzen Nothilfe, das heißt wir unter­stützen ganz akut einzelne Journalist*innen. Ein Beispiel ist Afgha­ni­stan: Die Taliban über­nehmen die Macht und bedrohen Journalist*innen teil­weise mit dem Tod. Dort haben wir mit der Kabul Luft­brücke dafür gesorgt, dass möglichst viele Personen das Land verlassen können. Dann haben wir dieses Jahr den JX Fond gegründet, an den alle, die Jour­na­lismus im Exil unter­stützen wollen, spenden können. Dieser Fond soll dabei helfen, dass geflüch­tete Journalist*innen ihre Redak­tionen im Exil wieder aufbauen und ihre Arbeit fort­setzen können. Unsere Nothilfe macht auch ein Stipen­di­en­pro­gramm. Neulich war ein ziem­lich berühmter Jour­na­list aus Mexiko, der dort mit dem Tod bedroht wurde, hier und hatte durch unser Stipen­di­en­pro­gramm die Möglich­keit, ein paar Wochen aus seinem Land raus­zu­kommen.

Gibt es gerade weitere Brenn­punkte? Du hast einige erwähnt, aber gibt es noch andere Orte, an denen ihr gerade aktiv seid?

Es gibt entspre­chend der poli­ti­schen Gesamt­lage Krisen­herde, in denen meis­tens auch die Presse bedrohter ist, in Kriegs­ge­bieten zum Beispiel. Aber es gibt auch Regime, die die Daumen­schrauben anziehen und plötz­lich Journalist*innen mehr verfolgen als vorher. Durch den großen Einfluss Chinas über Hong­kong ist dort die Lage der Pres­se­frei­heit sehr viel schlechter geworden in den letzten Jahren, ohne dass dort ein Krieg statt­findet. In Ägypten und Tune­sien werden immer wieder sehr viele Journalist*innen einfach inhaf­tiert. In Grie­chen­land wird Über­wa­chungs­soft­ware benutzt. Das sind nur ein paar Beispiele, um einen Eindruck zu vermit­teln, wie unter­schied­lich die Form der Verfol­gung ist. Der Punkt ist, auch ohne Krieg kann die Arbeit von Journalist*innen durchaus gefähr­lich sein.

Reporter ohne Grenzen veröf­fent­licht jähr­lich eine Rang­liste zur welt­weiten Pres­se­frei­heit. Du hast eben schon darüber gespro­chen, dass sich die Repres­sionen, mit denen Journalist*innen konfron­tiert werden, in den einzelnen Ländern unter­scheiden können. Wie geht ihr bei der Erstel­lung des Rankings vor, um einen Vergleich dieser verschie­denen Situa­tionen zu ermög­li­chen?

Wir befragen in jedem der 180 Länder Expert*innen. Das sind Journalist*innen, aber auch Medienrechtsprofessor*innen oder Mitglieder von Rund­funk­an­stalten, also Leute, die in Aufsichts­gre­mien arbeiten, die mit Medien zu tun haben und sich gut auskennen. Welt­weit sind es unge­fähr 600 Menschen, die an dieser Befra­gung anonym teil­nehmen. Es sind mehr als 100 Fragen, die wir stellen. Die Fragen lassen sich in fünf Kate­go­rien einordnen. Da geht es um ökono­mi­sche Faktoren, um die Geset­zes­lage, um die Sicher­heits­lage auf der Straße, aber auch im Internet. Hierzu haben wir letztes Jahr noch einige Fragen hinzu­ge­fügt, weil vor allem digi­tale Gewalt­formen gegen Journalist*innen immer mehr zunehmen. Es geht auch um die gesell­schaft­liche Stim­mung, die Wert­schät­zung gegen­über der Presse. Aber auch der Einfluss der Regie­rung auf die Redak­tionen spielt eine Rolle. Zu jedem dieser Bereiche werden jeweils unge­fähr ein Dutzend Fragen gestellt

Die Rang­liste für das Jahr 2023 erscheint heute am inter­na­tio­nalen Tag der Pres­se­frei­heit. Letztes Jahr stieg Deutsch­land von Rang 13 auf Rang 16 ab. Setzt sich dieser Trend fort?

Deutsch­land hat sich weiter verschlech­tert und ist von Rang 16 auf Rang 21 abge­stiegen. Das ist eine Verschlech­te­rung um 5 Plätze und der schlech­teste Rang, den das Land je hatte. Der Haupt­grund ist die schlechte Sicher­heits­lage, die hohe Gewalt gegen Journalist*innen auf der Straße. Die Gewalt hat während der Coro­na­pan­demie bei den Querdenker“-Protesten weiter zuge­nommen. Es ist wichtig klar­zu­stellen, dass es schon immer viel Gewalt gegen die Presse in extrem rechten und verschwö­rungs­ideo­lo­gi­schen Kontexten gab. Zuge­nommen hat sie nur, weil diese Menschen mehr auf der Straße unter­wegs waren und auch leider neue Personen mobi­li­sieren konnten. Die glei­chen Leute demons­trieren jetzt weiter, zum Beispiel bei den soge­nannten Frie­dens­demos. Dort ist zwar mit Russ­land und der Ukraine das Thema ein anderes, aber teil­weise werden sogar die glei­chen Plakate mitge­bracht.

Hast du abschlie­ßend noch ein paar Worte an jüngere Journalist*innen, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen? Wie kann man euch unter­stützen?

Wir setzen uns für die Pres­se­frei­heit und somit für euer aller Frei­heit ein und auch dafür, dass ihr frei und sicher arbeiten könnt. Deswegen freuen wir uns über Spenden oder sogar Mitglied­schaften. Es reicht aber auch, wenn ihr uns auf Social Media folgt und euch einen Eindruck macht. Lasst euch nicht entmu­tigen. Seid neugierig. Lasst euch nicht sofort von Kritik einschüch­tern. Arbeitet ordent­lich, aber arbeitet weiter. Und wenn ihr Unter­stüt­zung braucht, meldet euch bei uns oder anderen Orga­ni­sa­tionen.


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