Die Demo­kratie der Alten: Warum gerade junge Menschen wieder an die Urne gehen sollten

Datum
25. August 2017
Autor*in
Marlene Resch
Redaktion
politikorange
Thema
#KJD17

Brexit, Trump und Co. haben gezeigt, was passiert, wenn die Rent­ner­de­mo­kratie“ die Wahl beherrscht. Immer weniger junge Erwach­sene gehen wählen: Dabei sind die Alten sowieso schon zahlen­mäßig über­legen. In einem Monat wird es daher gerade für junge Leute Zeit, ihr Kreuz zu setzen, findet Marlene Resch.

Wahlzettel, Foto: Johannes Kolb

Foto: Johannes Kolb

Meine Eltern waren die ersten Menschen, mit denen ich konfron­tiert wurde, die die Ehe für alle nicht gut finden“, erzählt ein Freund. Wir spre­chen über die Unter­schiede der Gene­ra­tionen, unser Leben in der Jung-und-studen­tisch-Blase, in der wir von Gleich­be­rech­ti­gung, Globa­li­sie­rung und gren­zen­loser Frei­heit träumen. Da hakt Marie ein: Diese Kontraste gibt es doch nicht nur zwischen den Gene­ra­tionen. Meine Schwester meinte letz­tens zu mir, dass sie nicht wählen gehen wird.“ Wir sitzen bei Raki und Mezze in der Türkei und schauen uns betreten an. Nach einem Jahr in der Türkei, in der momentan so viele Menschen verzwei­felt um Demo­kratie ringen, leuchtet mir eines defi­nitiv nicht mehr ein: Menschen, die ihr demo­kra­ti­sches Recht verwerfen und nicht wählen gehen.

Und doch ist Marie Schwester keines­wegs ein Einzel­fall. Die Wahl­be­tei­li­gung sinkt beständig – in allen Alters­schichten. Und die jungen Menschen, sie bilden das abso­lute Schluss­licht. Bei der Bundes­tags­wahl 2013 gingen nur 60 Prozent der 21- bis 25-Jährigen zur Wahl. Von den 60- bis 70-Jährigen setzten 80 Prozent ihr Kreuz. Das wiegt umso schwer­wie­gender, betrachtet man den demo­gra­phi­schen Wandel: Die Alten über­treffen uns zahlen­tech­nisch sowieso schon. Rund 9,4 Millionen Wähle­rinnen und Wähler zwischen 18 und 30 Jahren stehen am 24. September rund 22,3 Millionen Stimm­be­rech­tigten über 60 gegen­über. Wir müssten also umso lauter sein, umso zahl­rei­cher zu Wahl gehen, um diese Kluft ein wenig kleiner zu machen.

Wenn Wähler und Wähle­rinnen alt sind, wird für diese Ziel­gruppe Politik gemacht

Damit setzen wir nicht nur ein Zeichen an die ältere Gene­ra­tion, sondern auch an die Poli­ti­ke­rinnen und Poli­tiker. Was in der Poli­tik­wis­sen­schaft so schön als Einfluss auf das Agen­da­set­ting“ bezeichnet wird, bedeutet konkret: Politik wird für alte Menschen gemacht, weil das die Wähler sind. Was 2009 Renten­ga­rantie und 2013 Renten­er­hö­hung waren, ist im jetzigen Wahl­kampf das Thema Halte­linie beim Renten­ni­veau. Warum sollten die Parteien auch Dinge bewerben und umsetzen, die der Jugend zu Gute kommen, wenn die doch eh nicht zur Urne geht? Es ist ein Teufels­kreis. Werden wir erst aufwa­chen, wenn für uns plötz­lich keine Rente mehr übrig bleibt? Wenn der Klima­wandel uns mit all seinen Ausmaßen trifft? Wenn die Nach mir die Sintflut“-Politik ihr wahres Gesicht zeigt?

Wir müssen den Teufels­kreis durch­bre­chen, indem wir poli­tisch werden, indem wir wählen gehen und damit eines klar­ma­chen: Hey, uns gibt es auch noch! Beim Brexit und der Wahl von Trump haben wir gesehen, was passiert, wenn die Jungen auf der Couch bleiben. Nur 37% der jungen Briten ging zur Wahl. 100% von ihnen wachten am nächsten Morgen in einem Land fern des euro­päi­schen Traums auf: Eine Zukunft, die sie inten­siver und länger miter­leben werden als ihre Eltern und Groß­el­tern, die größ­ten­teils für den Austritt aus der EU gestimmt haben.

Wer nicht wählt, spielt rechten Parteien zu

Doch wen soll ich wählen bei den Parteien, die alle gleich erscheinen? Wenn ich mich von niemandem reprä­sen­tiert fühle, niemandem mehr vertraue – oder wenn ich selbst nicht glaube genug über Politik zu wissen, um zu wählen? Die einfachste Antwort: Setz‘ ein Zeichen gegen Rechts! Je höher die Wahl­be­tei­li­gung, desto geringer sind die Chancen für rechts­po­pu­lis­ti­sche Parteien wie die AfD, in den Bundestag einzu­ziehen. Doch wer sein Kreuz nicht macht, verschenkt seine Stimme an jemand Anderen. Das ist nicht die Idee von Demo­kratie. Demo­kratie gelingt nur mit Bürger­be­tei­li­gung. Und mit der Wahl wird es dir so verdammt einfach gemacht, dich zu betei­ligen. Raff‘ dich auf – sonst hast du im Nach­hinein auch kein Recht, dich über die Poli­ti­ke­rinnen und Poli­tiker und ihre Entschei­dungen zu beschweren.


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