Chan­cen­gleich­heit und Viel­falt in der Jugend

Datum
27. September 2022
Autor*in
Louis Skrabania
Redaktion
politikorange
Themen
#BuJuKo22 #Politik
BUJUKO22-28

BUJUKO22-28

Foto: Jugendpresse Deutschland / Ella Seegers

Junge Menschen sind sehr stark in der Parti­zi­pa­tion an der Politik einge­schränkt. Was aber, wenn ein*e Jugendliche*r noch zusätz­lich einer margi­na­li­sierten Gruppe ange­hört? Wie bewäl­tigen diese Jugend­li­chen ihren Alltag und welche Chancen haben sie, in der Politik mitzu­reden?

Die Bundes­Ju­gend­Kon­fe­renz 2022. Ein Saal mit etwa 100 Personen. Zahl­reiche Diskus­sionen über Politik in einer Talk-Runde mit jungen Abge­ord­neten aus dem Bundestag bzw. Repräsentant*innen der Jugend­or­ga­ni­sa­tionen der demo­kra­ti­schen Parteien. Das Thema Diver­sität steht im Fokus. Plötz­lich hebt ein junges Mädchen ihre Hand und der gesamte Raum verfällt in Stille. Sie kriti­siert, dass Menschen mit Behin­de­rung in der Diskus­sion bisher völlig außer Acht gelassen wurden – Diver­sität wurde zu kurz gedacht. Die Teilnehmer*inne der Talk-Runde, Marlene Schön­berger (Bündnis 90/​Die Grünen), Rachid Khenissi (Mitglied Juso-Bundes­vor­stand) Felix S. Schulz (ehem. Landes­spre­cher der Links­ju­gend solid Berlin), Constantin Borges (stellv. Bundes­vor­sit­zender Junge Libe­rale (JuLis)) sind wie vom Donner gerührt und zeigen sich sofort einsichtig. Man sieht also: Viel­falt ist viel mehr als man denkt und es braucht noch große Aufbe­rei­tung in unserer Gesell­schaft.
Politikerin Melanie Schönberger hält einen grünen Zettel hoch.

Bei einer Fragerunde sollten die jungen Politiker*innen ihre Haltung zu aktuell diskutierten Themen wie beispielsweise einer Senkung des Wahlalters auf 16 mit einem roten (für Ablehnung) bzw. grünen Zettel (für Zustimmung) zum Ausdruck bringen. Foto: Jugendpresse Deutschland / Ella-Sophia Seeger

Dass Jugend­liche in der Politik sowieso kaum Gehör finden, ist für viele von ihnen schon eine starke Belas­tung. So erläu­terte Rachid Khenissi aus dem Bundes­vor­stand der Jusos: Margi­na­li­sierte Jugend­liche brau­chen doppeltes Sitz­fleisch!“ Das stellt ein zusätz­li­ches Hindernis dar, in der Politik mitzu­wirken.

Der Kampf um Parti­zi­pa­tion

Jugend­liche im Alter von 15 bis 24 Jahren machen in Deutsch­land laut Statis­ti­schem Bundesamt rund 10 Prozent der Gesamt­be­völ­ke­rung aus. Aber sie werden oft vergessen, von der Politik nicht gehört und in ihren Parti­zi­pa­ti­ons­mög­lich­keiten einge­schränkt. Das nennt man Adul­tismus. Der demo­gra­phi­sche Wandel ist der Grund dafür, dass die Bevöl­ke­rung Deutsch­lands immer älter wird. Daher ist es umso wich­tiger, den Blick der Politiker*innen auf die jungen Menschen zu lenken und ihnen auch die Ziele der Jugend nahe­zu­legen.

Du bist doch noch grün hinter den Ohren!“– hat Marlene Schön­berger bei ihrem Einstieg in die Kommu­nal­po­litik zu hören bekommen. Kommen­tare wie diese waren jedoch kein Einzel­fall. Dass sie nichts zu sagen hätte, musste sie in ihrer poli­ti­schen Lauf­bahn des Öfteren hören. Bereits mit 19 Jahren trat sie in die Grüne Jugend ein und grün­dete den ersten queeren Verein in Nieder­bayern. Nun hat es Marlene Schön­berger mit nur 31 Jahren geschafft, in den Bundestag gewählt zu werden. Sie hat sich durch­ge­setzt und kämpft nun im Bundestag weiter für Jugend­rechte und die Rechte margi­na­li­sierter Gruppen.

Gen Z: Von Viel­falt bis zur Diskri­mi­nie­rung

Warum ist grün hinter den Ohren zu sein aller­dings so negativ konno­tiert? Genau diese Menschen sind es nämlich, die frischen Wind in die Politik bringen – die Jugend­li­chen.

Und diese junge Gene­ra­tion ist so divers wie noch nie. Laut einer aktu­ellen Umfrage von Gallup iden­ti­fi­ziert sich beispiels­weise jede*r sechste Bürger*in Amerikas im Alter zwischen 18 und 23 als queer. Darüber hinaus nimmt in Deutsch­land aber auch die kultu­relle Viel­falt stark zu: Durch Immi­gra­tion und inter­kul­tu­rellen Austausch wird Deutsch­land diverser. Aller­dings sind die meisten Menschen, die diese Viel­falt ausma­chen, stark von Ausgren­zung, sozialer Ungleich­heit und Benach­tei­li­gung betroffen.

Prof. Dr. Karin Böllert, Vorsit­zende der Arbeits­ge­mein­schaft für Kinder- und Jugend­hilfe, ist beispiels­weise der Meinung, dass wir in einer behin­der­ten­feind­li­chen Gesell­schaft leben“. Wenn alle berück­sich­tigt werden sollen, so dass keine Minder­heit auf der Strecke bleibt, muss das Thema Diver­sität also breiter gedacht werden. So haben selbst die verschie­densten Politiker*innen der unter­schied­li­chen Parteien in der Talk-Runde zur BuJuKo 2022 gesagt, dass sie sich selbst an die Nase fassen müssen, wenn es darum geht, das gesamte Spek­trum der Diver­sität in den Blick zu nehmen. So bedau­erten es die Politiker*innen sehr stark, Menschen mit Behin­de­rung in ihrem Talk nicht mit berück­sich­tigt zu haben.

Man sieht also: All diese margi­na­li­sierten Gruppen erfahren tagtäg­lich Diskri­mi­nie­rung in unserer Gesell­schaft. Struk­turen und die Gesetz­ge­bung unseres Landes tragen dazu bei.

Der Kampf um Inklu­sion

Um tatsäch­lich Initia­tive gegen Diskri­mi­nie­rung zu ergreifen, würde es aller­dings auch helfen, wenn mehr Jugend­liche margi­na­li­sierter Gruppen ihren Weg in die Parla­mente fänden. Denn die gesamte Jugend muss, wie Bundes­ju­gend­mi­nis­terin Lisa Paus auf der BuJuKo plädierte, unbe­dingt in ihrer Viel­falt abge­bildet werden“. Neben der Ziel­set­zung der poli­ti­schen Inklu­sion verriet die Bundes­ju­gend­mi­nis­terin im direkten Gespräch, dass insti­tu­tio­nelle Inklu­sion und Anti­dis­kri­mi­nie­rungs­pro­gramme poli­tisch stark geför­dert werden. Sie machte auf die Anti­dis­kri­mi­nie­rungs­stelle des Bundes aufmerksam. Dies ist eine Anlaufs- und Bera­tungs­stelle für von Diskri­mi­nie­rung betrof­fenen Personen.

Die Quint­essenz der Inklu­sion ist es, jegliche Hinder­nisse im Leben margi­na­li­sierter Gruppen abzu­schaffen und ein Leben in einer plura­lis­ti­schen Gesell­schaft zu ermög­li­chen. Deswegen muss auch die Gesetz­ge­bung fördernd für eine solche Gesell­schaft sein. Die Linken wollen daher den Artikel 3 Absatz 3 des Grund­ge­setzes, der sich der Sicher­stel­lung von Gleich­be­rech­ti­gung widmet, um die sexu­elle Iden­tität“ erwei­tern. Heidi Reichinnek, die Vorsit­zende der Linken Nieder­sachsen, sagte politikorange im Inter­view, dass sie dies als beson­ders wichtig erachtet. Das Thema sei zurzeit omni­prä­sent. So wurde beispiels­weise auf dem vergan­genen CSD in Münster ein 25-jähriger trans Mann totge­schlagen. Sie beteu­erte, dass es in diesem Bereich noch viel Nach­hol­be­darf gebe und noch weitere Schritte folgen müssten. So sei es jetzt ein wich­tiges symbo­li­sches Zeichen, das Grund­ge­setz um diesen Artikel zu erwei­tern.

Letzt­end­lich liegt es aber in unseren Händen – in den Händen der Jugend­li­chen. Das Größte, was in unserer Macht liegt, ist Druck auf die Politik, die Regie­rung und die Gesell­schaft auszu­üben. Was uns bleibt ist, progres­sive Parteien zu wählen, die sich für die Inter­essen der Jugend einsetzen und alle margi­na­li­sierten Gruppen fördern wollen. Umso wich­tiger ist es also, sich selbst zu enga­gieren und so seine Inter­essen mit einzu­bringen – so lange, bis die Jugend auf einen festen Platz auf dem Stuhl der Politik sitzen kann und um kein Sitz­fleisch mehr bangen muss.


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