Wem schmeckt eigent­lich die Brom­beer-Koali­tion in Sachsen?

Datum
03. September 2024
Autor*in
Christian Lütgens
Redaktion
Jugendpresse Deutschland
Brombeeren.

Brombeeren.

Foto: pixaby / Bev

Seit Wochen spre­chen alle über eine säch­si­sche Koali­tion von CDU und BSW. Aus Sicht der Stimmen scheint die sinn­voll – aber inhalt­lich? Unsere Dresdner Autorin hat am Wahl­wo­chende nach Fans der Zusam­men­ar­beit gesucht.

Die CDU ist in Sachsen, wenn auch knapp, stärkste Kraft geworden. Jetzt heißt es: Brand­mauer aufrecht­erhalten. Quasi unaus­weich­lich scheint da das BSW, welches als neue Partei direkt den dritten Platz in der Wahl abge­räumt hat.

Die säch­si­sche CDU schließt ein Bündnis zwar nicht aus, jedoch gibt es viele Stimmen in der Partei, die sich von Sahra und Co. ganz klar distan­zieren. Glaubt man Michael Kret­schmer, ist fünf weitere Jahre Kenia keine Option. Also muss die CDU sich wahr­schein­lich mit dem BSW zufrie­den­geben.

Jetzt mal abge­sehen von partei­po­li­ti­schen Spiel­chen: Wollen das die Bürger*innen über­haupt? Eine Koali­tion, die nur mitein­ander koalieren muss, weil es das klei­nere Übel wäre? Und lohnt sich das Bündnis auf Kosten der Basis­partei?

Um das heraus­zu­finden, bin ich am Wahl­wo­chen­ende in Dresden mit den Leuten ins Gespräch gegangen.

Der nicht vorhan­dene Wahl­stand

Meine ersten Anlauf­punkte sind am Samstag vor den Wahlen: die Wahl­kampf­stände der CDU in Dresden. In Gorbitz sollen mehrere Stände entlang einer Straße sein. Und klar, mehrere Stände sind besser als einer. Also mache mich ich mich auf die weite Reise an den Rand Dres­dens und male mir schon aus, einen CDU-Fan nach dem anderen zum BSW zu befragen.

Doch als ich aus der Stra­ßen­bahn aussteige, ist kein einziges CDU-Mitglied in Sicht. Das kann ja nicht sein, denke ich. Ich laufe die ganze Straße ab, doch die Stände sind none­xis­tent. Nach knapp einer Stunde Spazier­gang gebe ich es auf. Die CDU hat mich enttäuscht. Das ist für mich zwar nichts Neues, aber ich hätte doch gedacht, dass sie wenigs­tens im Wahl­kampf moti­viert sind, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Aber macht nix, wir finden schon eine Lösung.

Kinder­garten im Parla­ment

Ich gebe natür­lich nicht auf. Es ist Zeit für Bürger*innen-Umfragen in meiner Nach­bar­schaft in Plauen. Das entpuppt sich schnell als gar nicht so kompli­ziert. Die Stim­mung ist hier eindeutig: Fast keiner ist vom BSW begeis­tert, und eine Regie­rung mit der CDU würde defi­nitiv keine fünf Jahre halten.

Die werden sich wahr­schein­lich kaum einigen können. Das wird nur Gezanke“, sagt mir ein Student. Damit liegt er bestimmt nicht falsch. Es wäre der reinste Kinder­garten. Wahr­schein­lich würde sich die CDU wie ein bockiges Kind verhalten, was jetzt mit dem komi­schen Nach­bar­kind spielen muss. Und das komi­sche Nach­bar­kind würde popu­lis­ti­sche und sowieso unrea­lis­ti­sche Forde­rungen aufstellen.

Taktisch wählen ohne rich­tige Taktik

Am Wahl­sonntag geht es weiter: CDU-Wähler*innen direkt vorm Wahl­lokal befragen. In Neustadt auf solche zu treffen, ist zwar keine einfache Aufgabe. Aber auch nicht unmög­lich, wenn man sich die Wahl­um­fragen anschaut.

Schließ­lich finde ich sie, viele mit einem klaren Wunsch: Stabi­lität. Die Krisen der vergan­genen Jahre machen Angst. Wir in Sachsen machten das anders, lerne ich, in Sachsen sollte es nicht so wie beim Bund laufen. Aber das BSW oder die AfD seien nicht die Lösung dafür.

Ich habe taktisch gewählt, damit die AfD nicht so viele Plätze abbe­kommt“, gibt eine Frau vor dem Wahl­lokal zu. Dass es dann am Ende keine ordent­li­chen Mehr­heiten mehr gibt, um eine Regie­rung gegen die AfD zu bilden, kann ja keine*r wissen.

Aus den eigenen Reihen folgt auch keine Begeis­te­rung

Um die Wahl­stand­bla­mage wieder auszu­glei­chen und am Ende doch noch einmal mit einem CDU-Partei­mit­glied spre­chen zu können, gehe ich zur Wahl­party der CDU. Auf der ist eigent­lich keine Presse einge­laden, aber wen inter­es­siert schon das Mädel von der Jugend­presse? Um rein­zu­kommen, soll ich auf den Pres­se­spre­cher verweisen, den ich an seinem gelben – ja, richtig – Pudel erkennen soll.

Es ist wenig los, gibt ein biss­chen Bier und Essen für die Wahlhelfer*innen, um gemeinsam die Ergeb­nisse anzu­schauen. Die Stim­mung ist entspannt. Die Wahl­er­geb­nisse des BSW werden bekannt gegeben, was für Tuscheln im Raum sorgt. Als die Brom­beer-Koali­tion vorge­stellt wird, wird nur lächelnd mit dem Kopf geschüt­telt.

Und dann endlich: Gespräche mit CDUler*innen! Es wird klar, die Wahl­er­geb­nisse machen es ihnen nicht leicht. Für viele kommt das BSW nicht infrage, und die Kenia-Regie­rung wäre ihnen lieber, aber auch nicht ideal. Es gibt CDU-Mitglieder, die austreten würden, würde es eine Koali­tion mit dem BSW geben. Das Vertrauen wird auf die Probe gestellt“, sagt mir eine Junge Unio­nerin.

Klingt sehr hart, aber die eigenen Reihen hätten Verständnis für Austritte. Und am Ende würden sie eine Lösung finden, so die Einschät­zung, schließ­lich seien sie ja alle erwachsen. An der Stelle bin ich mir nicht mehr so sicher.

Und nun?

Fakt ist: Keiner hat eine Ahnung, und niemand will mit dem BSW koalieren, aber wahr­schein­lich müssen sie es. Die Idee mit dem takti­schen Wählen war am Ende dann leider doch nicht so ausge­klü­gelt wie gedacht. Hoffent­lich haben wir dann bis zur nächsten Wahl eine Regie­rung in Sachsen. Steckste nicht drin!


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