Was Unter­nehmen von der Bundes­wehr lernen können

Datum
03. Juli 2025
Autor*in
Raphael Cullmann
Redaktion
politikorange
Thema
#Leben
Rapahel im Gespräch mit Dominik Kieslich zu ARX Robotics II

Rapahel im Gespräch mit Dominik Kieslich zu ARX Robotics II

Raphael im Gespräch mit Dominik Kieslich zu ARX Robotics. Foto: Raphael Cullmann
Vom Kaser­nenhof ins Startup-Leben – Wie Dominik Kies­lich zu ARX Robo­tics kam und warum Vertrauen und Prag­ma­tismus in der Unter­neh­mens­füh­rung so wichtig sind.

Rapahel im Gespräch mit Dominik Kieslich zu ARX Robotics

Raphael im Gespräch mit Dominik Kieslich zu ARX Robotics. Foto: Raphael Cullmann

poli­ti­ko­range: Könn­test du dich bitte einmal vorstellen – wer bist du und was machst du bei ARX Robo­tics?

Dominik Kies­lich: Ich bin Dominik, noch 34 Jahre alt, verhei­ratet, habe ein Kind und wohne bei München. Seit September 2024 arbeite ich bei ARX Robo­tics als Projekt­ma­nager.

Bei einem Projekt­ma­nager glaubt jeder zu wissen, was dahinter steckt: Die ziel­ge­rich­tete Planung, Steue­rung und Kontrolle von Projekten. Aber bei ARX Robo­tics ist das mehr. Wir haben einen sehr starken Hard­ware- und Soft­ware-Bereich. Unser Projekt­ma­nage­ment-Team, das mitt­ler­weile aus vier Leuten besteht, macht alles dazwi­schen.

Das heißt, wir haben das ganze Thema Logistik über­nommen, das Thema Testen der Roboter, die Schu­lung bezie­hungs­weise Trai­nings von Robo­tern. Wir haben auch in der Produk­tion mitge­holfen, das heißt, beim Zusam­men­schrauben, beim Verpa­cken, beim Auslie­fern der Roboter. Außerdem kümmern wir uns darum, dass diese Bereiche optimal arbeiten können.

Wenn wir große Übungen über zwei, drei Wochen haben, über­nehmen wir auch oft die Rolle des Feel­good-Mana­gers. Wir orga­ni­sieren alles, von wie kommen die Leute dahin, haben die Leute Essen dort, wo schlafen die Leute bis zu wie kommt das Mate­rial dorthin.

Wie bist du damals von der Bundes­wehr zu ARX Robo­tics gekommen?

Nach 13 Jahren Bundes­wehr habe ich mich gefragt, was kann ich eigent­lich noch tun? Leider gibt es in der Bundes­wehr – außer viel­leicht im Perso­nal­ma­nage­ment – nur sehr wenige Über­schnei­dungs­punkte mit dem Thema Wirt­schaft, was ich studiert habe. Deswegen habe ich mir über­legt, noch einen MBA zu machen, um den Studi­en­in­halt aufzu­fri­schen.

Es ist eher unüb­lich, als Wirt­schafts­wis­sen­schaftler nochmal einen ameri­ka­ni­schen Master zusätz­lich zum euro­päi­schen zu machen. Aber davon ließ ich mich nicht abhalten und hatte so die Chance, verschie­dene Unter­nehmen – von Unter­neh­mens­be­ra­tung bis Rüstungs­in­dus­trie, aber auch normale zivile Unter­nehmen – zu besu­chen und deren Unter­neh­mens­kul­turen kennen­zu­lernen. Da ist mir aufge­fallen, dass mir Groß­kon­zerne nicht so sehr gefallen. Also musste ein Startup her.

Dann hat mich tatsäch­lich ein Head­hunter ange­rufen und gesagt, hier sei ein cooles Unter­nehmen, ich solle doch mal da anrufen. Und das war ARX Robo­tics.

Das hat einfach super gepasst. Es war immer mein Traum, in einem Startup zu arbeiten, aber sich bei einem Startup zu bewerben, braucht viel Glück, dass man gerade genau rein­passt und die Skills mitbringt, die gebraucht werden.

Vertrauen vor Vorschrift – Die gelebte Unter­neh­mens­kultur bei ARX Robo­tics

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UGV (Unmanned Ground Vehicle) in der Fabrikhalle von ARX Robotics in Oberding nähe des Münchener Flughafens. Foto: Raphael Cullmann

Wie würdest du die Unter­neh­mens­kultur bei ARX Robo­tics mit drei Werten beschreiben und warum genau diese?

Ich fange mal mit dem wich­tigsten Wert an, der mir so einfällt, und das ist tatsäch­lich Vertrauen. Das wurde so auch in der Bundes­wehr gelebt. Man musste Vertrauen in die Leute haben – einen Vertrau­ens­vor­schuss geben sozu­sagen.

Es gibt keine Kontroll­gre­mien. Das heißt, wenn man etwas macht, macht man es im besten Wissen und Gewissen für das Unter­nehmen und man hat auch das Vertrauen, dass alle anderen ihre Arbeit mit bestem Wissen und Gewissen für das Unter­nehmen machen.

Das hat mir Stefan Röbel [COO von ARX Robo­tics A.d.R.] damals gesagt: Wenn du irgend­etwas siehst, was verbes­sert werden muss, dann frag mich nicht, sondern mach es einfach – ich glaube dir, wenn du sagst, dass es das Rich­tige ist.“

Fleiß ist eben­falls ein Begriff, der zur Unter­neh­mens­kultur passt. Wir haben offi­ziell eine 40-Stunden-Woche. Aber ich glaube, niemand in diesem Unter­nehmen bleibt unter diesen 40 Stunden. Das ist eher das Minimum.

Und da gehen alle mit?

Hier beginnt man gerne zwischen acht oder neun Uhr und hört zwischen 18 und 20 Uhr auf – aber nicht, weil man muss, sondern weil man es möchte. Ich glaube, das ist das Wich­tigste. Diese längeren Arbeits­tage sind aller­dings die Ausnahme, wenn es wirk­lich notwendig ist. Wenn es aktuell passt, kann man auch schon früher gehen.

Über­stunden am Wochen­ende können eben­falls vorkommen und werden natür­lich vergütet. Unter der Woche muss zudem oft spontan etwas erle­digt werden. Dann schaue ich nicht auf die Uhr und denke: Eigent­lich wollte ich in einer halben Stunde gehen, das fange ich jetzt nicht mehr an.” Sondern es wird erle­digt.

Dritter Punkt… hmm, lösungs­ori­en­tiert even­tuell? Ist das ein Wert?

Prag­ma­tismus viel­leicht?

Ja, also Prag­ma­tismus würde auch gut passen. Viele sehen das eher ein biss­chen negativ, wenn jemand prag­ma­tisch ist. Aber es geht einfach darum, Lösungen zu finden. Leute, die problem­ori­en­tiert denken, können in großen Unter­nehmen lange über­leben, aber sie zeigen meist nur auf, wo die Fehler oder Hürden sind.

Natür­lich schauen wir uns auch an, wo Hürden bestehen, aber es wird eigent­lich für alles eine Lösung gefunden. Das kann spontan passieren, das kann durch Kommu­ni­ka­tion entstehen. Und auch wenn das Ergebnis viel­leicht nicht immer zu 100 % das Schönste oder Beste ist, aber es gibt eins und das ist, glaube ich, das Entschei­dende.

Führen ohne Chefal­lüren

Viele, die bei der Bundes­wehr waren, sagen, in der Corpo­rate Welt gäbe es keine gute Führung bezie­hungs­weise keine gute Team­dy­namik – stimmt das?

Im Militär gibt es zwei Grund­kon­zepte: Auftrags­taktik und Befehls­taktik. Tatsäch­lich nutzen die Ameri­kaner im Militär die Befehls­taktik. Das bedeutet: Wenn ich dir sage, wir treffen uns draußen im Hof unseres Gebäudes, dann würdest du erst einmal nach­fragen, wie du dahin kommst, was du anziehen sollst, viel­leicht sogar warum du dort sein sollst.

Dann müsste ich dir klipp und klar sagen: Du sollst zur Tür gehen, dir eine Regen­jacke anziehen und draußen sein. Das, was befohlen wird, wird genauso ausge­führt – ohne darüber nach­zu­denken.

Und in der Bundes­wehr?

In der Bundes­wehr wird hingegen die soge­nannte Auftrags­taktik verwendet. Das bedeutet: Ich sage dir, wir treffen uns draußen – und du findest selbst einen Weg dahin. Du schaust aus dem Fenster, siehst die Wolken, denkst dir: Es könnte regnen“, und nimmst dir eine Regen­jacke mit.

Du findest deinen eigenen Weg zum Ziel. Am Ende zählt nur das Ergebnis. Und ich glaube, genau das wird in vielen Unter­nehmen nicht gelebt. Dort heißt es zum Beispiel: Du sollst eine Präsen­ta­tion machen.“ Und dann kommen erst einmal zehn Gegen­fragen, wie das genau gemacht werden soll.

Das ist genau das, was in vielen Unter­nehmen schief­läuft. Die Mitar­bei­tenden haben zu wenig Vertrauen – oder zu viel Angst, etwas falsch zu machen –, und glauben, sie müssten es exakt so umsetzen, wie es sich der Vorge­setzte vorstellt.

Dadurch entsteht dieses stän­dige Micro-Control­ling. Die Vorge­setzten wollen über alles genau Bescheid wissen, weil sie das Gefühl haben, dass die Mitar­bei­tenden es sonst nicht richtig machen. Und auch da kommt man wieder auf das Thema Vertrauen zurück.

Militär trifft Corpo­rate – Wie Ex-Soldaten und Zivi­listen bei ARX Robo­tics gemeinsam wachsen

Was tust du, dass du viel­leicht auch aus der Bundes­wehr mitge­nommen hast, um die Team­dy­namik richtig gut zu gestalten?

Was unsere Team­dy­namik wirk­lich stark macht, ist, dass wir unser Produkt ständig weiter­ent­wi­ckeln. Wir arbeiten nicht zehn Jahre lang auf ein Ergebnis hin, das dann einmal präsen­tiert wird.

Jeder ist irgendwie in ein Projekt invol­viert und sieht, dass es Fort­schritt gibt. Und genau das schweißt uns zusammen. Wir erzielen gemein­same Erfolge.

Für alle, die nicht direkt in Projekte einge­bunden sind und viel­leicht nicht mitbe­kommen, was passiert, gibt es unser vier­tel­jähr­li­ches Quar­terly Meeting. Dort stellen die Head Ofs der einzelnen Bereiche sowie unser C‑Level-Team [CEO, COO, CFO A.d.R.] vor, was in den letzten drei Monaten passiert ist.

Bei euch treffen zivile Mitar­beiter mit Corpo­rate-Menta­lität auf Ex-Soldaten mit Vertrau­ens­kultur – wie geht ihr damit um?

Da machen unsere Human-Resources-Abtei­lung und die Head Ofs“ [Abtei­lungs­leiter A.d.R.], die bei jedem Inter­view dabei sind, wirk­lich gute Arbeit. Die achten von Anfang an darauf, dass die Leute gut ins Team passen.

Natür­lich brau­chen wir ein extrem hohes Skillset – etwa bei der Weiter­ent­wick­lung von KI oder beim auto­nomen Fahren. Aber tatsäch­lich liegt der Fokus noch mehr auf dem Cultural Fit“: Passt die Person in unsere Unter­neh­mens­kultur? Passt sie vom Denken her? Ist sie flexibel im Kopf, sodass sie sich bei uns einfügen kann? Und je mehr wir wachsen, desto unter­schied­li­cher werden natür­lich auch die Menschen.


Dominik Kies­lich hat im Inter­view auch noch über die Rolle von Startups in der deut­schen Rüstungs­in­dus­trie sowie ethi­sche Grenzen fern­ge­steu­erter Systeme gespro­chen und erklärt, warum Wehr­pflicht jungen Menschen Orien­tie­rung und Gemein­schaft geben kann. Wer mag, kann sich das komplette Gespräch über den Audio-Button anhören. Am Ende wird’s persön­lich mit klaren Gedanken zu Bezie­hungen, Selbst­wert und Zuge­hö­rig­keit.

Der Artikel ist im Rahmen der offenen Redak­tion entstanden. Bei Fragen, Anre­gungen, Kritik und wenn ihr selbst mitma­chen mögt, schreibt uns eine Mail an redaktion@​jugendpresse.​de 


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