„Es ist nie nur ein ostdeutsches Problem“

Was der Osten über (fehlende) Gene­ra­tio­nen­ge­rech­tig­keit verrät

Datum
01. Dezember 2025
Autor*in
Leni Klehr
Redaktion
politikorange
Thema
#JMWS25
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ProNoticias

Obwohl die Mauer gefallen ist, ziehen sich manche Grenzen weiter: durch die Vertei­lungen von Vermögen, Erbschaften oder Spit­zen­po­si­tionen. Dabei zieht vor allem der Osten den Kürzeren, außer bei rechten Wahl­er­geb­nissen. Galten diese Ergeb­nisse bisher als ostdeut­sches Phänomen, können sie uns einiges über die Zukunft Deutsch­lands und (fehlende) Gene­ra­tio­nen­ge­rech­tig­keit verraten. Ein Kommentar von Leni Klehr.

Nach einer langen Tren­nung wieder zuein­an­der­zu­finden, ist nicht unbe­dingt leicht. Es braucht Kompro­misse, viel Zuhören und Verständnis. Was zwischen­mensch­lich schon schwer ist, birgt auf natio­naler Ebene ganz andere Heraus­for­de­rungen. Deutsch­land ist dafür wohl das Para­de­bei­spiel schlechthin. Die deutsch-deut­sche Grenze trennt uns nicht mehr physisch, aber ist dennoch zu spüren — und beein­flusst so Gene­ra­tio­nen­ge­rech­tig­keit.

Es sind die kleinen, nicht unsicht­baren, aber unbe­wussten Dinge, die dazu führen, dass bestimmte Kreise sich einfach nicht für Ostdeut­sche öffnen“, sagt Claudia Müller, derzeit einzige Bundes­tags­ab­ge­ord­nete der Grünen aus Meck­len­burg-Vorpom­mern. Die Rede ist von fehlendem Wissen über Zugänge zu Stipen­dien oder Führungs­po­si­tionen. Was Eltern nicht kennen, können sie ihren Kindern nur schwer beibringen. Auch die Bran­den­bur­gerin Isabelle Vandre (MdB, Die Linke) betont dieses Problem und verweist zudem auf das Lohn­ge­fälle zwischen Ost und West. Ihre Eltern rutschten nach der Wende selbst in die Arbeits­lo­sig­keit, wie eine Million andere Ostdeut­sche. Als Folge dieser biogra­fi­schen Brüche konnte im Osten nur schwer Vermögen aufge­baut werden, geerbt wird weniger als im Westen und auch bei Führungs­po­si­tionen sind Ostdeut­sche gemessen an ihrem Bevöl­ke­rungs­an­teil unter­re­prä­sen­tiert. Diese Probleme sind bekannt, doch kritisch ist, wie damit umge­gangen wird.

Nicht das Was, sondern das Wie

Auch in diesem Text fällt einfach­heits­halber der Begriff Osten“ – hier ist jedoch nicht das Was, sondern das Wie von Bedeu­tung. Wenn medial über den Osten berichtet wird, dann über­durch­schnitt­lich oft in Verknüp­fung mit rechter Ideo­logie und Demo­kra­tie­feind­lich­keit, wie Forschende analy­sierten. Beson­ders nach Wahlen wird dieses verein­fachte Bild repro­du­ziert. Die ostdeut­schen Bundes­länder, denen durch plumpe Bezeich­nungen ihre verschie­denen Facetten abge­spro­chen werden, sind aber nicht die Übel­täter.

Die Frage der Gerech­tig­keit geht viel tiefer, so ist es viel­mehr eine Sache der Struk­tur­stärke einer Region, die Ungleich­heit und Wahl­er­geb­nisse beein­flusst. Am stärksten ist die AfD weiterhin in ostdeut­schen Bundes­län­dern. Den verhält­nis­mäßig größten Zuwachs erhielt sie jedoch nach der Bundes­tags­wahl 2025 im Westen, was stei­gende Zahlen in Nieder­sachsen oder Schleswig-Holstein zeigen. Dass der Westen dem Osten bei der Zustim­mung zur AfD nur knapp vier Jahre hinter­her­hinkt und immer schneller aufholt, stellt auch die Amadeu Antonio Stif­tung fest. Es wäre fatal zu vergessen, dass es im Westen genauso Unzu­frie­den­heit und struk­tur­schwache Gebiete gibt – oder wie Claudia Müller es sagt: Es ist nie nur ein ostdeut­sches Problem“.

Die Menschen hinter den Para­me­tern

Struk­tu­relle Unter­schiede, die Teil­habe und damit auch Gene­ra­tio­nen­ge­rech­tig­keit beein­träch­tigen, beschäf­tigen auch die Kommu­nal­po­litik. Beson­ders im länd­li­chen Raum müssen Struk­turen gestärkt werden, um dem Vakuum von Jugend­an­ge­boten entge­gen­zu­wirken, genauso wie es häufi­gere ÖPNV-Verbin­dungen und bessere Möglich­keiten zur zivil­ge­sell­schaft­li­chen Parti­zi­pa­tion braucht. Es werde vor Ort bereits gute Arbeit geleistet, beschreibt Sonja Eich­wede (SPD), doch es sei ein Kampf auf kommu­naler Ebene, denn die nötigen Mittel vom Bund fehlen. Eine Frage der Finan­zie­rung also.

Aus diesen Beob­ach­tungen lässt sich einiges ableiten, ein beson­deres Augen­merk sollte jedoch immer auf den Menschen liegen, die hinter diesen Para­me­tern stehen. Leere Worte zahlen keine Miete und vergeben kein Stipen­dium. Zum Wohle einer heran­wach­senden Gene­ra­tion, für die gesell­schaft­liche Spal­tung zum Alltag gehört, sollten wir Struk­turen angehen und nicht an Ober­fläch­lich­keiten kratzen. Demo­kratie garan­tiert keine Gerech­tig­keit für alle, doch ehrliche Perspek­tiv­wechsel könnten ein Schritt in die rich­tige Rich­tung sein.

Dieser Beitrag ist im Rahmen des Jugendmedienworkshops im November 2025 entstanden. Das Projekt wird von der Jugendpresse Deutschland, dem Deutschen Bundestag und der Bundeszentrale für politische Bildung organisiert.


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