Wach­sender Tourismus zwischen Israel und Polen – Bildungs­reise oder Billig­ur­laub?

Datum
13. Juli 2018
Autor*in
Beatrice von Braunschweig
Redaktion
politikorange
Thema
#poTANDEM18
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Die Geschichte von Polen und Israel ist eng mitein­ander verknüpft – wenn auch nicht nur im posi­tiven Sinne. Dass beide Staaten heute inten­sive wech­sel­sei­tige Touris­mus­be­zie­hungen pflegen, war lange Zeit nicht vorstellbar. Israel dreht erfolg­reich an der Werbe­trommel, um polni­sche Gäste anzu­ziehen. Die israe­li­schen Touristen schwärmen in die polni­sche Einkaufs­meilen. Julian und Beatrice sind der Entwick­lung auf den Grund gegangen. 

Krakau

Krakaus Straßen füllen sich besonders in den Sommermonaten mit vielen Touristen - nicht wenige kommen dabei auch aus Israel.                                                                            Foto: Nils Brunschede.

Reisen. Welt­weit sehnen sich die Menschen an fremde Orte. Von einigen Reisen kehrt man braun gebrannt und mit einem prall gefüllten Koffer zurück. Gewisse Reisen erweiten den persön­li­chen Hori­zont. Bestimmte Reisen rufen Erin­ne­rungen der Vergan­gen­heit wach. So geht es vielen israe­li­schen Touristen, die sich auf den Weg nach Polen machen. Neben dem preis­werten Shop­ping werden sie mit der Geschichte des Zweiten Welt­krieges konfron­tiert. Damals gab es eine große Gemein­schaft von etwa 3,5 Millionen Juden in Polen, von denen nur 10% die Shoah über­lebten.

Zahl­reiche Juden schafften es, während des Zweiten Welt­krieges in das Heilige Land“ zu emigrieren, welches damals noch Paläs­tina hieß. 1948 grün­deten sie mit Unter­stüt­zung der Vereinten Nationen ihren eigenen Staat namens Israel. Um die Schre­cken des letzten Jahr­hun­derts nicht zu vergessen, reisen regel­mäßig 40.000 israe­li­sche Schü­le­rinnen und Schüler sowie Studie­rende nach Polen, um der Vergan­gen­heit zu gedenken. Wich­tige Stationen rund um die Stadt Krakau sind das Vernich­tungs­lager in Ausch­witz, die Fabrik von Oskar Schindler – welcher helden­haft rund 1200 Juden vor dem Tod rettete – und das jüdi­sche Viertel. Oft erleben die Besu­cher und Besu­che­rinnen sehr emotio­nale Momente, da viele Fami­li­en­an­ge­hö­rige ihr Schicksal in Konzen­tra­ti­ons­la­gern teilten.

Israe­li­sche Schul­reisen – auch trotz Holo­caust-Gesetz

Das polni­sche Gesetz, dass die Schuld­zu­wei­sung am Holo­caust unter­sagte und inzwi­schen abge­mil­dert wurde, entfachte Diskus­sionen, die orga­ni­sierten Schul­reisen zu verrin­gern oder sogar vorzeitig ganz einzu­stellen. Verän­de­rungen wurden jedoch bislang nicht vorge­nommen.

Die Nach­frage, ob das neue Gesetz der polni­schen Regie­rung auf Privat­rei­sende eben­falls Einfluss nehme, verneinen Experten der Touris­mus­branche. Wir spüren fast keine Folgen des Holo­caust-Gesetzes“, erklärt Jakub Łysiak von Taube Jewish Heri­tage Tours“, Die Kunden sorgen sich mehr darüber, dass neuer­dings an zwei Sonn­tagen im Monat die Geschäfte geschlossen bleiben“. Tatsäch­lich ist es für Israelis sehr viel güns­tiger, in Polen einkaufen zu gehen. In Shop­ping­zen­tren hört man neben der polni­schen Sprache viel ukrai­nisch und vor allem mordernes Hebrä­isch – die meist­ge­spro­chenste Sprache Israels.

Güns­tige Preise locken Party­ur­lauber nach Polen

Wenn ein Staat auslän­di­sche Touristen aufgrund der preis­güns­tigen Verhält­nisse anlockt, liegt es nahe, dass verruchte Party­freunde die Bedin­gungen miss­brau­chen. Anna Kartecka, eine erfah­rene Frem­den­füh­rerin in Krakau, macht sich darüber in Polen weniger Sorgen. Krakau beispiels­weise habe die Feiernden in den Griff bekommen. Früher sei ein sehr viel stär­kerer Alko­hol­miss­brauch fest­ge­stellt worden, auch hätte es mehr Gogo Clubs gegeben. Die Werbung muss ein posi­tives Bild über Polen und seine Städte vermit­teln, um andere Besu­cher anzu­ziehen. Die Jugend mag Sport, Senioren inter­es­sieren sich für Bildung und Kunst. Der Fami­li­en­tou­rismus sollte verbes­sert werden.“

Unter eben diesem Motto grün­dete Daniela Signer 2017 die face­book-Gruppe Urlaub in Warschau“, in der Israelis Reise­er­fah­rungen über Warschau und Polen austau­schen können. Diese Gruppe wuchs rasant an, sodass sie heute über 34.000 Mitglieder zählt. Im Februar 2018 veröf­fent­lichte Warschaus offi­zi­eller youtube-Channel ein Video, in dem Daniela Signer persön­lich für Attrak­tionen der Haupt­stadt wirbt. In einem Inter­view mit www​.thefirst​news​.com“ teilt sie ihre Erfah­rung: Ich denke, dass die Kombi­na­tion aus Polens jüdi­scher Geschichte, gemeinsam mit Unter­hal­tung und Shop­ping eine tolle Kombi­na­tion für Israelis ist. Mir scheint, dass sich die Diskus­sionen über Polen in den letzten Jahren verän­dert haben. Polen wird das Reise­ziel Nummer eins für Israelis.“

Israel wirbt um mehr polni­sche Touristen

Auch für die polni­sche Bevöl­ke­rung wird Israel als Reise­desti­na­tion zuneh­mend attrak­tiver. Lange Zeit war es für sie fast unbe­zahlbar, in den Nahen Osten zu reisen. Seitdem 2013 Billig­flug­ge­sell­schaften in den Markt einstiegen, zieht es nun nicht nur Pilger an, dem Fernweh Rich­tung Südosten nach­zu­geben. Anna Zohar Zak, die das israe­li­sche Touris­mus­mi­nis­te­rium in Polen vertritt, ruft auf, Israel nicht ausschließ­lich als das Heilige Land“ zu betrachten: Die polni­sche Auffas­sung muss geän­dert werden.“ Eine groß­an­ge­legte Image­kam­pagne in den sozialen Medien scheint erfolg­reich zu sein. Mit der Parole Two Sunny Cities – One Break“ wollen Tel Aviv und Jeru­salem poten­zi­elle Besu­cher anspre­chen.

Aleksandra

Aleksandra Mider aus Polen ist begeistert von Israel.                             Foto: Nils Brunschede.

Laut the jeru­salem post“, welche das israe­li­sche Touris­mus­mi­nis­te­rium zitiert, wurden im Jahr 2017 umge­rechnet 4,7 Billionen Euro dank des Touris­mus­zu­stroms in die Kassen gespült. 120.000 polni­sche Besu­cher trugen ihren Teil zu den Rekord­ein­nahmen bei: Vergli­chen zum Jahr 2016 stiegen ihre Zahlen um 89% an. Zu Beginn einer Reise sorgen sich viele Touristen um die Sicher­heit in Israel“, berichtet Zohar Zak von den Ängsten, doch, wenn sie wieder nach Hause kehren, werden sie selbst zu Werben­dene, zu Botschaf­tern. Ein besseres Zeichen gibt es wohl nicht.“ Alek­sandra Mider, eine 28-jährige junge Christin besuchte Israel das erste Mal vor vier Jahren: Ich war in Jeru­salem und Tel Aviv für etwa drei Wochen gemeinsam mit meinen Freunden – gar nicht so lange, um alles zu sehen. Ich möchte gerne wieder zurück­kehren, am besten jedes Jahr!“ Alek­sandra ist keine Ausnahme: 41% aller Touristen des letzten Jahres waren zuvor schon einmal in Israel.

Da die großen Städte dem großen Andrang nur schwer mit der Neuein­rich­tung von Hotel­zim­mern hinter­her­kommen, spie­gelt sich die Beliebt­heit Israels in den hohen Kosten der Unter­künfte wider. Das scheint die Atmo­sphäre vor Ort und die Attrak­ti­vität nicht zu betrüben. Das Wich­tigste ist schließ­lich: Wenn sowohl die emotio­nale Ebene als auch die Bildung bei einer Reise zum Zuge kommen, gibt man gerne auch einen Groschen mehr aus.


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