Vom Privileg, privi­le­giert zu sein

Datum
12. Mai 2019
Autor*in
Lilian Sekkai
Redaktion
politikorange
Thema
#JPT19
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Foto: Jugendpresse Deutschland/Christopher Folz

Deutsch­land: Ungleiche Chan­cen­ver­tei­lungen trotz Sozi­al­staat. Ist das gerecht? Auf den Jugend­po­li­tik­tagen disku­tierten Jugend­liche über das Thema. Unsere Repor­terin Lilian Sekkai war dabei. 

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Chancengleichheit für Frauen – Rezan Oraki.   Foto: Christopher Folz

Chan­cen­gleich­heit hört bereits im Eltern­haus auf. Der Zugang zu Bildung entscheidet sich, sobald du geboren bist. Entweder du hast Glück – oder eben nicht. Förder­mög­lich­keiten ziehen sich von der Grund­schule über die weiter­füh­rende Schule bis hin zum Schul­ab­schluss. Für manche junge Menschen endet der Bildungsweg bereits beim Haupt­schul­ab­schluss. Dies belegt auch der Hoch­schul-Bildungs-Report, eine neue Studie des Stif­ter­ver­bands und der Unter­neh­mens­be­ra­tung McKinsey. Durch­schnitt­lich besu­chen nur 21 von 100 Kindern aus Arbei­ter­fa­mi­lien Univer­si­täten, während 74 von 100 Akade­miker-Kinder studieren gehen. Wer in der gesell­schaft­li­chen Pyra­mide unten“ steht, hat auch im Sozi­al­staat weniger Möglich­keiten aufzu­steigen. Trotz einiger Maßnahmen zur Förde­rung der Chan­cen­gleich­heit ist es klar, dass der Weg nach oben für jene die sowieso schon oben“ sind immer kürzer und vor allem leichter ist. Dieser Meinung ist auch Kevin Saukel. Kinder aus besseren Bildungs­schichten, die Hilfe vom Eltern­haus oder Nach­hil­fe­mög­li­chen bean­spru­chen können, haben es immer einfa­cher, als junge Bürger aus ärmli­cheren und bildungs­fernen Fami­lien, die auf sich alleine gestellt sind“, sagt der 18-jährige. Indi­vi­dua­lität und Diver­sität bieten die Möglich­keit für eine viel­fäl­tige Gesell­schaft, sorgen aber auch für Ungleich­heit zwischen Geschlech­tern, Herkunft, Einkommen und sozialer Schicht. Ich finde inter­es­sant, was die Jugend­li­chen dies­be­züg­lich von Deutsch­land oder von Europa erwarten und wie sie mit dieser Unge­rech­tig­keit umgehen“, sagt Saukel.

Gleiche Bedin­gungen für alle vs. gleiche Chancen für alle.…

… das ist nicht das Gleiche. Soll der Staat sich für Frau­en­quoten einsetzen, um das benach­tei­ligte Geschlecht zu stützen oder wird dadurch das männ­liche Geschlecht in Teilen seiner Chan­cen­gleich­heit beraubt? Jeder hat einen unter­schied­li­chen Hilfe-Bedarf, und der sollte auch herge­stellt werden“, sagt Saukel. Genauso sieht das auch Rezan Oraki. Die 21-jährige Studentin aus Bonn wünscht sich, dass Frauen nicht mehr zwischen Familie und Karriere abwägen müssen. Es müssen Bedin­gungen geschaffen werden, sodass Frauen die glei­chen Chancen wie Männer haben“, sagt Oraki.

Nur eine Quote

Oraki, die in Nieder­sachsen das Gymna­sium besuchte und aus einer einge­wan­derten Familie stammt, erlebt das selbst. Als Schü­lerin mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund bist du oftmals nur eine Quote und wirst auch anders behan­delt“, sagt sie. In Fami­lien mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund herr­schen andere Bedin­gungen und das müsse auch in der Schule berück­sich­tigt werden.

Meinungs­bil­dung beginnt in der Schule, was Oraki und Saukel nur bestä­tigen können. Die Schule ist der beste Ort dafür, zu lernen, sich eine Meinung zu bilden – aber nicht in der momen­tanen Form“, sagt Saukel. Es müsse sich pädago­gisch grund­lie­gend etwas ändern.

Alles Neu in der Schule

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Pädagogische Veränderung und Chancengleichheit fordert Kevin. Saukel Foto: Christopher Folz

Schule in der heutigen Form fördere für viele keine vernünf­tige Bildung und müsse umstruk­tu­riert werden, so Saukel. Auch Schnitt­stellen zwischen unter­schied­li­chen Diskri­mi­nie­rungen sollten behan­delt und aufge­zeigt werden. Die so genannte inter­sek­tio­nale Pädagogik sei eine Chance auch durch Bewe­gungs- und Tanz­päd­agogik die Gesell­schaft wider­zu­spie­geln und bewusst wahr­zu­nehmen.

Durch die spie­le­ri­schen Übungen könnten die Schüler die Dimen­sionen und das Ausmaß von Chan­cen­un­gleich­heiten viel besser vor Augen geführt bekommen. Außerdem solle Bildung nicht immer nur aus Büchern gelehrt, sondern span­nend gestaltet werden. Dies schaffe mehr Inter­esse und fördere die Meinungs­bil­dung der jungen Menschen, sagt Saukel.

Dabei benennt Saukel eine Digi­ta­li­sie­rung von Schulen als mögliche Lösung. Das sei zwar kein Ersatz für analoge Mittel, aber ein Start. Digi­tale Medien zerstören alte Grenzen und schaffen viel­sei­tige, neue Möglich­keiten“, sagt Saukel. Das Schreiben mit Papier und Stift solle aber unbe­dingt weiter­ge­führt werden. Hierfür müssten nicht nur neue Lehr­kräfte fort­ge­bildet werden, auch digi­tale Geräte müssten in Medi­en­zen­tren zur Verfü­gung stehen. Nur so hätten alle Jugend­li­chen die glei­chen Chancen.

Lösungs­an­sätze

Als mögliche Lösungs­an­sätze, um ausge­gli­chene Bildungs- und Arbeits­chancen zu schaffen, wurden auch bei den Jugenpo­li­tik­tagen 2019 einige Vorschläge erar­beitet.

  1. Kosten­lose Kita­plätze für ALLE.
  2. Ein kosten­loses öffent­li­ches Perso­nen­nah­ver­kehrs- Ticket (ÖPNV-Ticket) beson­ders für Schü­le­rinnen und Schüler, Aaus­zu­bil­dende und Studie­rende in ganz Deutsch­land.
  3. Anonyme Bewer­bungen, die die selben Möglich­keiten für alle schaffen.


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