The kids are alright 

Datum
17. Juni 2025
Autor*in
Maria Hirsch
Redaktion
nah:dran
Thema
#genz
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Mir gegen­über sitzt eine junge Frau mit dunkel­blonden Haaren und Perlen­ohr­ringen. Sie ist adrett gekleidet, sehr freund­lich und weiß genau, dass sie nichts aus der Ruhe bringt. Rosalie ist 18 und steht kurz vorm Abitur. Inner­lich vergleiche ich sie mit der 18-jährigen Ria. 

Als ich in dem Alter“ war – ist ja schon mehr als eine halbe Dekade her – hatte ich Welt­schmerz und Ambi­tionen, aber keinen Plan. Ich wollte viel, ich hatte wenig und ich wusste nicht, wo mein Platz ist. Ging doch allen so, oder? Es ging nicht allen so und das tut es auch heute nicht. Rosalie weiß genau, was als nächstes auf sie zukommt: Eine eigene Wohnung, ihr Studium und neue Freund*innen. Sie ist aufge­regt, weil ganz viel Neues auf sie zukommt. Viel­leicht zieht sie aus Alten­burg weg, even­tuell nach Mitt­weida. Sie will Medi­en­ma­nage­ment studieren, was an der dortigen Hoch­schule ange­boten wird. 


Ich habe auch direkt nach dem Abi ein Studium aufge­nommen – Deutsch als Fremd­sprache an der Uni Jena. Das Fach, weil es keine Zugangs­be­schrän­kung hatte, und weil es mich grund­le­gend inter­es­siert hat. Jena, weil ich sowieso dort gelebt habe. Es wäre mir völlig zuwider gewesen, mein gewohntes Umfeld, meine hood“ zu verlassen – und das für den Beginn einer Karriere… 
Ich habe nie etwas ernst gemeint, ernst gehan­delt oder gar mit ernst­haften Konse­quenzen gerechnet. Meine Exis­tenz war mehr ironisch als ikonisch – das kann ich mit fast voll­ständig entwi­ckeltem Fron­tal­lappen mitt­ler­weile einordnen. 


Rosalie ist gar nicht so, was ich sehr beachte. Mit 18 dachte ich, mit Mitte 20 hat man alles im Griff. Mit Mitte 20 sitze ich hier und bewun­dere eine 18-Jährige für ihren Mut: Rosalie sagt, dass es ihr eher leicht­fallen werde, neu zu starten. Sich in einem neuen Umfeld zurecht­zu­finden, stellt sie sich schwer vor. Trotzdem freut sie sich genau darauf: Auf neue Freund*innen und Gewohn­heiten, darauf, sich selbst neu kennen­zu­lernen. 


Der globalen Lage blickt sie auch sehr reflek­tiert entgegen: Obwohl sie Angst habe, wolle sie sich nicht davon bestimmen lassen. Bisher sei immer alles gut ausge­gangen. So solle man nega­tive Gedanken nicht die eigene Zukunft über­schätzen lassen. 


Das hätte ich mit 18 auch gern gehört. Ob ich es ange­nommen hätte, steht auf einem anderen Blatt. Ich wusste nur, dass ich in Erin­ne­rung bleiben will – egal wie. 

Rosalie weiß, dass auf ihrer zukünf­tigen Wiki­pedia-Seite ihr gesell­schaft­li­ches Enga­ge­ment und ihre starke Persön­lich­keit Aner­ken­nung finden werden. Sie weiß, dass künf­tige Projekte oder eine eigene Firma das sind, woran man sich bei ihr erin­nern wird. 

Solche großen Gedanken habe ich mich damals gar nicht gewagt. Zu groß war die Angst, verletzt zu werden, wenn ich geschei­tert wäre. 


Und dann sitzt mir diese 18-Jährige gegen­über – Rosalie, nicht Vergan­gen­heits-Ria – und eröffnet mir Folgendes: Würde ihr zukünf­tiges Ich ihr mitteilen, dass keiner ihrer Pläne aufge­gangen wären, fände sie das nach dem anfäng­li­chen Schre­cken nicht mehr so schlimm. Es käme immer etwas Besseres umher, als man sich eigent­lich wünscht. Zukunfts-Rosalie bekäme den Rat, sich nicht zu verschließen und ein posi­tiver Einfluss für andere zu sein. 


Viel­leicht braucht Rosalie diesen Rat in der Zukunft gar nicht, aber ich brauche ihn heute. Nach einer halben Stunde mit Rosalie kann ich sagen: The kids are alright. 

*Dieser Beitrag ist im Rahmen einer eintägigen Jugendredaktion entstanden. 

 

Die mobile Jugendredaktion ist Teil des Projekts nah:dran – Medien für alle. Im Mittelpunkt stehen die Themen, Wünsche und Anliegen junger Menschen aus strukturschwachen Regionen. Ziel ist es, ihnen eine Plattform zu bieten und ihre Perspektiven in der Medienlandschaft sichtbar zu machen. Das Projekt wird im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!” durch das Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert. 

BMBFSFJ DL mit Foerderzusatz

»Für inhaltliche Aussagen und Meinungsäußerungen tragen die Publizierenden dieser Veröffentlichung die Verantwortung.« 

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