Narzissmus, Eitel­keit und der Wille zur Selbst­dar­stel­lung“

Datum
06. November 2014
Autor*in
Johannes Kolb
Redaktion
politikorange
Thema
#JMT14
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Rudolf Porsch im Gespräch mit Johannes Kolb. Foto: Inka Philipp

Rudolf Porsch ist stell­ver­tre­tender Direktor der Axel Springer Akademie, einer der renom­mier­testen deut­schen Jour­na­lis­ten­schulen. Im poli­ti­ko­range-Gespräch erklärt er, warum Jour­na­listen Narzissten sein sollten.

Herr Porsch, wie wichtig ist Selbst­ver­mark­tung im Jour­na­lismus?

Rudolf Porsch: Zum Berufs­stand des Jour­na­lismus gehört ein sehr ausge­wach­senes Maß an Narzissmus, Eitel­keit und Willen zur Selbst­dar­stel­lung. Das gehört wirk­lich dazu und ist in letzter Zeit deut­lich wich­tiger geworden, wir lehren das auch an der Axel Springer Akademie. Jour­na­lismus ist heute mehr Prozess als früher: Als ich in Ihrem Alter war, hatte ich eine Dead­line, zu der ich meinen Text abgeben musste und danach nichts mehr daran ändern konnte. Heute, in Zeiten des Inter­nets, fängt der Spaß zu dem Zeit­punkt eigent­lich erst an: Dann wird kommen­tiert, dann entwi­ckelt er sich weiter. Jeff Jarvis spricht von einem Wandel vom Alpha- zum Beta­jour­na­lismus. Ich muss die Beta-Vari­ante schon veröf­fent­li­chen. Um in diesem Ozean von Infor­ma­tionen und unter­schied­li­chen Strö­mungen zu bestehen, muss ich ein Profil entwi­ckeln.

Schon in den 90er Jahren gab es das Problem over­newsed but under­in­formed“. Durch die Flut an Neuig­keiten im Internet hat sich das nicht geän­dert. Um Nach­richten beur­teilen zu können, spielt es auch eine Rolle, dass ich weiß: wer sagt das? Wenn der Kölner Express schreibt GDL-Chef durch­ge­knallt“, hat das eine andere Bedeu­tung, als wenn die FAZ das titeln würde. Obwohl es dieselbe Aussage ist. Die Frage, wer etwas sagt, spielt immer eine Rolle und das heißt für den einzelnen Jour­na­listen, dass er sich ein sich ein Profil zulegen muss, um seine Nach­richten mit Rele­vanz zu füllen. Wenn mir ein Sport­re­porter sagt, Manuel Neuer ist nur der dritt­beste Torwart in Deutsch­land, hat das einen anderen Stel­len­wert, als wenn mir das ein Feuil­leton-Reporter sagt. Die Bedeu­tung eines Arti­kels steigt mit dem Marken­wert des Jour­na­listen. Von daher ist es ein drin­gendes Gebot, dass man sich in unserer Branche ein klares und konstantes Profil zulegt. Natür­lich darf das nicht in andau­ernde Selbst­dar­stel­lung und sinn­loses Chichi abdriften.

Wie vermit­teln Sie das Ihren Auszu­bil­denden an der Axel Springer Akademie?

Rudolf Porsch: Uns ist in aller­erster Linie wichtig, dass die Auszu­bil­denden Substanz entwi­ckeln – und die muss auch mehr als früher gezeigt werden. Beispiels­weise durch soziale Medien. Wir haben an der Akademie eine soge­nannte Profil-Agentin, eine freie Dozentin, die einmal im Halb­jahr den jungen Kollegen dabei hilft, ihr Profil zu entwi­ckeln. Sie können bestimmt, genau wie ich, 100 oder auch 500 Beispiele von jungen, freien Jour­na­listen nennen, die gute Texte schreiben und bei keiner Redak­tion genommen wurden oder nur schlechtes Geld bekommen haben, weil sie den falschen Weg gegangen sind.

Wenn ich hausieren gehe, muss ich mich gut verkaufen können. Ich will ein soziales Projekt im Baye­ri­schen Wald starten – kannst du mir Geld geben?“ wird nicht funk­tio­nieren. Mit solchen Anfragen wird man als Geld­geber ständig konfron­tiert. Wenn ich aber sage Ich bin ein abso­luter Erfolgs­ga­rant, Sie können Teil einer Erfolgs­ge­schichte werden, wenn Sie mit mir gemeinsam arbeiten“, sind die Leute viel eher inter­es­siert. Anders­herum gesagt: Sie müssen sich als Jour­na­list einen Ruf erar­beiten, damit die Redak­tionen Sie anrufen und dann auf frühere Beiträge anspre­chen: Sie haben da vor zwei Wochen etwas gemacht, würden Sie das auch für uns schreiben?“ Und dazu ist es wichtig, dass sie Lärm um sich und Ihre Projekte machen auf Face­book, Twitter, Insta­gram, Vine, Google+ oder Ähnli­chem. Dieses Credo lehren wir daher an der Axel Springer Akademie, denn die Entwick­lung geht vom Produkt in Rich­tung Marke.


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