Läuft“ in Berlin – eine Ausstel­lung über Mens­trua­tion

Datum
27. Januar 2025
Autor*in
Alma Jung
Redaktion
politikorange
Thema
#Leben
Foto: Alma Jung/ Jugendpresse

Foto: Alma Jung/ Jugendpresse

Eine Jour­na­listin malt Donald Trump mit ihrem eigenen Blut. Ihr Bild hängt in der Ausstel­lung Läuft“ in Berlin Dahlem neben Gebär­mut­ter­hals­un­ter­stüt­zern“.

Eine Jour­na­listin malt Donald Trump mit ihrem eigenen Blut. Ihr Bild hängt in Berlin Dahlem neben Gebär­mut­ter­hals­un­ter­stüt­zern“. Eine Ausstel­lung, die mit jegli­chen Tabus bricht.

Dass Donald Trump nicht gerade für seine femi­nis­ti­sche Haltung oder einen wert­schät­zenden Umgang mit Frauen bekannt ist, ist für die meisten wohl kaum eine Über­ra­schung. Dass eine Jour­na­listin ihn deshalb mit ihrem eigenen Blut auf Leinen gemalt hat, dagegen schon.

Eines der vielen Info­käst­chen an den Wänden der Ausstel­lung Läuft“ verrät die Geschichte hinter dem Bild. So hatte der zukünf­tige US-Präsi­dent 2015 in einem Inter­view auf ihm unan­ge­nehme Fragen der Mode­ra­torin Megyn Kelly entgegnet, sie menstru­iere doch“ und ihr im Zuge dessen gleich einmal die Kompe­tenz abge­spro­chen, ihre Arbeit richtig zu machen. Das ist nur eine der vielen poli­ti­sierten und entset­zenden, manchmal auch schier komi­schen Geschichten, die sich rund um die Periode spinnen.

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Megyn Kelly malte Trump mit ihrem eigenen Blut. Foto: Alma Jung/Jugendpresse Deutschland e.V.

Im Museum in Berlin Dahlem geht es inter­aktiv zu — in einem gut ausge­leuch­teten Spiegel darf sich jede*r einmal in alter Peri­oden­un­ter­wä­sche oder in kompli­zierten Konstruk­tionen begut­achten, die dafür gedacht waren, den Blut­fluss zu stoppen. Spie­le­risch wird man/​frau aufge­klärt und mit Fun Facts und Not so Fun Facts gefüt­tert. Unge­wohnt viele Kurz­bio­gra­fien von Frauen sind hier auf dem demons­tra­tiven Zeit­strahl der Hygie­ne­pro­dukte und Unter­wä­sche zu finden — beispiels­weise Brigitta Hoch­felden, die 1907 eine Anlei­tung veröf­fent­lichte, um Wäsche für beson­dere Tage“ zu nähen.

Not macht erfin­de­risch – Gesund­heits­ri­siko Blutung

Viele weib­liche Erfin­de­rinnen standen zu Beginn der Entwick­lung enspre­chender Hygie­ne­ar­tikel ohne Vorbild und wie Hoch­felden auch oft ohne Alter­na­tiven da. Sie expe­ri­men­tierten mit Schnitt­mus­tern und Mate­ria­lien, die einen heute schnell verwirren, sind wir doch die Wegwerf-Binden gewöhnt. Komfort kam erst bedeu­tend spät in die Welt der Peri­oden­pro­dukte. Davor hieß es: hand­ge­strickte, krat­zende Woll­un­ter­hosen, Binden­gürtel oder auch Gebär­mut­ter­hals­un­ter­stützer“ („uterine supporters“), welche noch aben­teu­er­li­cher aussehen, als so manches Bauge­rüst.

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Die Funktionsweise des „Gebärmutterhalsunterstützers". Foto: Alma Jung/Jugendpresse Deutschland e.V.

Aber was war über­haupt davor? Bevor Unter­wä­sche von allen, dem Prole­ta­riat einge­schlossen, getragen wurde? Let it run! Die vielen Schichten der Klei­dung verbargen Blut­fle­cken und Schleim­haut­reste und das Infek­ti­ons­ri­siko war höher zur Mens­trua­tion oder Erdbeer­woche“.

Statt steriler, weißer Tampons gab es zeit­weise auch Abhilfe aus dem Koral­len­riff. Der Mens­trua­ti­ons­schwamm wurde früher teils in femi­nis­ti­schen Kreisen hoch­ge­lobt, da er orga­nisch im Meer wächst und nicht so einfach gewinn­ori­en­tiert von Firmen produ­ziert werden kann. Denn es gab Zeiten, in denen parfü­mierten Binden keinerlei Vermerke über ihren Herstel­lungs­pro­zess beigefügt war und frau sich dann meist selbst über­legen konnte, was am risi­ko­ärmsten ist.

Tabus, Tanten und Tipps

Doch nicht nur bei den Hygie­ne­ar­ti­keln, auch bei der Benen­nung unserer Periode selbst wurden die Menschen über die Jahr­hun­derte kreativ. Auf einem Banner sind viele Wort­schöp­fungen für Sprach­be­geis­terte aufge­reiht. Tante Rosa“ kommt bei vielen monat­lich zu Besuch, andere haben ihre Ketchup-Woche“. Da hat man schon fast Mitleid mit den Tanten dieser Erde, dass die Monats­blu­tung ausge­rechnet als eine aus ihren Reihen beti­telt wurde. Dass diese Vernied­li­chungen und Meta­phern aus Scham und Tabui­sie­rung der Periode hervor­gehen, ist leider weniger witzig.

Gene­relle Stig­mata rund um Bezeich­nungen und Begriff­lich­keiten finden in den drei Räumen von Läuft“ Platz. Beispiels­weise sind reli­giöse Texte ausge­stellt, in denen die Periode als etwas die Frau verschmut­zendes darge­stellt wird. Der Begriff des Unreinen“ ist maßgeb­lich für Glau­bens­sätze wie Geh nicht schwimmen“ oder Hab keinen Sex“ verant­wort­lich, während beides in der Regel unpro­ble­ma­tisch ist und sogar die verkrampfte Unter­leibs­mus­ku­latur entspannen kann.

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Die einen schwören auf Menstruationstassen, die anderen auf praktische Unterhosen. Foto: Alma Jung/Jugendpresse Deutschland e.V.

Heut­zu­tage sind die sozialen Medien voll mit Trends und Tipps rund um die Erdbeer­woche“. Die einen schwören auf Mens­trua­ti­ons­tassen, die anderen auf prak­ti­sche Unter­hosen. Kritik an unzu­rei­chender Hygiene oder schäd­li­chem Mikro­plastik in Tampons macht die Runde und es wird gemun­kelt, einige beigefügte Stoffe verstärkten die Blutung sogar, statt sie zu stoppen. Ein etwas dysto­pi­scher Gegen­ent­wurf zum eins­tigen anti-kapi­ta­lis­ti­schen Traum vom Mens­trua­ti­ons­schwämm­chen.

Kriegs­wich­tige“ Binden und Rassismus

Nicht dysto­pisch, sondern reell war aller­dings auch Furcht­bares in der Geschichte der Binde. Die jüdi­schen Besitzer der Camelia“, welche sich als Marken­name früher einmal à la Tesa­film wie ein Synonym zur Binde entwi­ckelt hatte, wurden 1934 enteignet und der neue Eigen­tümer der Firma bewarb diese als Utensil zur Pflicht­er­fül­lung“ und kriegs­wich­tige“ Produk­tion, die von Zwangsarbeiter*innen ange­fer­tigt wird. Deut­sche Frauen sollten so leis­tungs­fähig sein und bleiben.

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Die Camelia-Binde in der alten Verpackung. Foto: Alma Jung/Jugendpresse Deutschland e.V.

Und auch inter­na­tional kommt an Diskrim­mi­nie­rung nicht vorbei, wer zur Binde forscht. Mary Kenner hielt als einzige Schwarze Frau in den USA fünf Patente, einen Binden­gürtel einge­schlossen. Dieser war zwar bequemer als seine Alter­na­tiven, jedoch ließ eine Firma aus rassis­ti­schen Motiven einen Deal mit ihr platzen.

Einfache Diskrim­mi­nie­rung und vor allem veral­tete Stereo­type gibt es in Läuft“ auch genug zu bestaunen. Diverse Werbe­banner und Prospekte versetzen die Besucher*innen beim Lesen in eine Art Fremd­scham. Denn zur Wahr­heit gehört: Auch die Camelia“ wurde mit Sprü­chen wie Männer finden sie stets bezau­bernd“ beworben. Und gedruckte Werbe­bilder mit dem Satz Es [das Peri­oden­pro­dukt] muss recht jugend­lich wirken“ über­bieten sich gegen­seitig in ihrer Absur­dität. Die Redu­zie­rung der meisten Frauen auf ihr Äußeres wurde so selbst Gegen­stand von Werbungen für lebens­not­wen­dige Produkte.

Diskrim­mi­nie­rung und Denk­lü­cken

Einige verlassen die Ausstel­lung ein wenig ange­wi­dert, den Gesich­tern nach zu urteilen. Das ist aller­dings kaum, wie das Klischee meint, auf die Erwäh­nung von Blut zurück­zu­führen oder die vermeint­li­chen Unsau­ber­keiten, sondern auf den berech­nenden Umgang mit dem Körper von Milli­arden von Menschen. Wie die Gesund­heit von Menstru­ie­renden durch Chemi­ka­lien in Hygie­ne­ar­ti­keln gefährdet oder der biolo­gi­sche Prozess ein Aufhänger für Diskri­mi­nie­rung einer Perso­nen­gruppe wurde, scho­ckiert dann nämlich doch.

Dass zu dieser Gruppe nicht nur Frauen zählen, zeigt hier beispiels­weise ein Bericht über Männer, die bluten und für mehr Sicht­bar­keit demons­trieren. Was wäre, wenn alle Männer bluten würden, fragen sich die Kurator*innen der Ausstel­lung. Die US-ameri­ka­ni­sche Jour­na­listin Gloria Steinem antwortet: Mens­trua­tion would become an enviable, blast-worthy, masku­line event.“

Ein Denk­an­stoß, der Hoff­nung macht

Die bunt deko­rierte Ausstel­lung wäre schon fast insta­grammable, würde sie nicht auch die Stig­ma­ti­sie­rung der Periode in sozialen Netz­werken anspre­chen. Die Influen­cerin Rupi Kaur kriti­sierte Insta­gram massiv, nachdem das soziale’ Netz­werk ein harm­loses Bild von ihr löschte, weil Peri­oden-Blut auf ihrer Hose zu sehen war.

Dennoch, die Hoff­nung bleibt. Die Hoff­nung, dass der Algo­rithmus sich am Ende auch verän­dern wird. Mit den Menschen. Durch Aufklä­rung, Gerech­tig­keit und ein Stück weit viel­leicht auch durch diese Ausstel­lung. Jay Critchley machte einst eine Entde­ckung an einem Strand, die ihn später zum Akti­visten und Künstler Miss Tampon Liberty machen wird. Welche das war, das müsst ihr wohl selbst heraus­finden. Bis zum 09.03.2025 ist Läuft“ noch geöffnet und defi­nitiv einen Besuch wert.


Dieser Artikel ist im Rahmen der offenen Redak­tion entstanden. Bei Fragen, Anre­gungen, Kritik und wenn ihr selbst mitma­chen mögt, schreibt uns eine Mail an redaktion@​jugendpresse.​de 


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