Jugend­kon­fe­renz: eine jugend­ge­rechte Blase?

Datum
27. September 2018
Autor*in
Jeannette Benstein
Redaktion
politikorange
Thema
#Jugendstrategie19
jugendkonferenz_jupo_abend

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Die Jugend­kon­fe­renz und die zwei­tä­gige Veran­stal­tung Politik für, mit und von Jugend“ zur Bundes­ju­gend­stra­tegie bilden den Abschluss für drei Jahre inten­sive Arbeit in Ausschüssen und Work­shops. Nun liegt es am Bundes­fa­mi­li­en­mi­nis­te­rium, die Ergeb­nisse in die Bundes­re­gie­rung zu tragen. Nur: Was sind eigent­lich die Ergeb­nisse? Klar, es gibt jetzt einen Jugend-Check, der Gesetze auf Verein­bar­keit mit Jugend­in­ter­essen unter­sucht, 16 jugend­ge­rechte Projekte der Kommunen wurden geehrt und das Fami­li­en­mi­nis­te­rium hat jetzt ein etwas besseres Verständnis davon, was Jugend von heute bewegt. Aber irgendwie reicht das nicht so ganz.

Die Konfe­renz zur Bundes­ju­gend­stra­tegie stand unter dem Titel Politik für, mit und von Jugend­li­chen“. Dafür wurde in den vergan­genen zwei Tagen aller­dings erschre­ckend viel über Jugend­liche geredet, statt mit ihnen, obwohl ja auch junge Leute aus der Jugend­kon­fe­renz geladen waren. Zwei ausge­wählte Jugend­liche bekamen die Chance vor dem Publikum mit der Fami­li­en­mi­nis­terin Fran­ziska Giffey über ihre Vorstel­lungen von Jugend­ge­rech­tig­keit zu spre­chen. Die Fami­li­en­mi­nis­terin hörte zu, fragte nach und versprach, sich für die Belange der jungen Leute einzu­setzen. So weit so gut.

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Franziska Giffey, Lukas Nusser und Celina Ost

Aber: Warum dauerte diese Dialogrunde nur eine Vier­tel­stunde? Und warum hatte außer Frau Giffey sonst keiner Zeit, mit den Jugend­li­chen zu spre­chen? Gene­rell fehlten genau solche Gespräche auf Augen­höhe. Es muss ja nicht nur mit der Bundes­fa­mi­li­en­imi­nis­terin sein, aber auf der Konfe­renz befinden sich doch poli­tisch aktive Erwach­sene und Jugend­liche gemeinsam in einem Raum!

Wohl­ge­merkt: Bei der Orga­ni­sa­tion der Tagung hatte die Koor­di­nie­rungs­stelle Handeln für ein jugend­ge­rechte Gesell­schaft“ beson­deres Augen­merk darauf gelegt, Jugend­liche gleich­wertig in die Konfe­renz mitein­zu­binden. Mode­riert wurde pari­tä­tisch: von Jugend­li­chen und Erwach­senen. Ein Forum zu Frei­räumen“ hatte eine Gruppe junger Menschen selbst konzi­piert und auch in anderen Foren konnten Mitglieder von Jugend­gruppen und ‑parla­menten Impulse geben und an Diskus­sionen teil­nehmen. Aber es stellt sich doch die Frage, warum die jungen Tagungs­teil­neh­menden trotzdem das Gefühl hatten, nur eine unter­ge­ord­nete Rolle zu spielen.

Viel­leicht lag es daran, dass die Foren gleich­zeitig statt­fanden und neben den etwa 80 Teil­neh­menden aus der Fach­welt nur um die 40 Jugend­liche anwe­send waren. In jedem Foren sitzt dann nur eine Hand voll junger Leute und die Anzahl der Erwach­senen über­wiegt deut­lich. Einer der Haupt­pro­gramm­punkte der Konfe­renz war eine Konfe­renz zu Wahr­neh­mung Jugend­li­cher in der Öffent­lich­keit – darunter Sven Hüls­kötter als Jugend­ver­treter. Aber reicht es, nur eine Jugend­ver­tre­terin oder einen ‑vertreter in solche Diskus­si­ons­runden zu setzen?

Warum nicht zwei, drei oder mehr?

Jugend­liche wollen mehr: Sie möchten selbst Entschei­dungen treffen und Maßnahmen in Gang setzen. Und sie wollen facet­ten­reich wahr­ge­nommen werden. Wie wäre es also mit einer Diskus­sion zu Jugend­bil­dern – geführt von jungen Menschen aus Jugend­par­la­menten, Schü­ler­räten und Jugend­ar­beit?

Jugend­liche: nur Konfe­renz­deko?

Diese Schnitt­stelle hätte besser genutzt werden können und sollen. Darin lag aber wohl nicht das Ziel der Konfe­renz. Es scheint so, als sollte eher die Politik und die Verwal­tung über den Status quo infor­miert werden. Da stellt sich die Frage: Warum waren denn dann junge Leute einge­laden? Frederic Koch, der sich beim Bildungs­werk für Schü­ler­ver­tre­tung und Schü­ler­be­tei­li­gung enga­giert, muss bei dieser Frage nicht lange über­legen:

Wir waren, da um Lobby­ar­beit für Jugend­ar­beit zu machen. Aber irgendwie hatten wir dann doch das Gefühl, dass wir auch ein wenig als Deko dienten“.

Jugend­liche als Deko, die auf Fotos posieren und als lebender Beweis dienen, dass es ja auch noch junge Leute gibt, die sich enga­gieren. Eine Konfe­renz zur Jugend­stra­tegie ohne Jugend – das geht schließ­lich nicht.

Eine jugend­ge­rechte Blase“

Wer die Foren und Vorträge auf der Tagung besucht, bekommt den Anschein, dass hier eine Diskus­sion ohne Kriti­ke­rinnen und Kritiker geführt wird. Alle Teil­neh­menden inter­es­sieren sich bereits für Jugend­themen und alle Jugend­li­chen, die da sind, sind bereits in irgend­einer Form poli­tisch aktiv; wäre es anders, hätten sie die Einla­dung zur Tagung auch gar nicht bekommen. In so einer jugend­ge­rechten Blase ist eine solche Veran­stal­tung einfach. Frederic Koch bringt es auf den Punkt: Wer Politik nicht gut findet, der ist nicht hier.“ Viel­leicht lag es auch daran, dass die wenigen Diskus­sionen, die auf der Konfe­renz geführt wurden, nicht richtig in Fahrt kamen. Wenn alle dieselbe Meinung haben, fällt das Disku­tieren schwer (oder leicht – je nach Perspek­tive).

Aber genug der harschen Worte, es ist ja nicht alles schlecht in der Jugend­po­litik. Es ist gut, dass wir über­haupt darüber spre­chen, wie Jugend­liche in die Politik mitein­ge­bunden werden können und gerade die durch die Koor­di­nie­rungs­stelle Handeln für eine jugend­ge­rechte Gesell­schaft“ ange­regten Projekte der Refe­renz­kom­munen, können anderen Städten und Gemeinden als Anreiz dienen, selber etwas zu verän­dern. Die einge­laden Jugend­li­chen sehen Konfe­renzen wie diese hoffent­lich als Moti­vator, um Verän­de­rungen in ihren Heimt­stätten anzu­stoßen.

Geht das auch anders?

Wie könnte es besser werden? Einige der Jugend­li­chen, mit denen wir gespro­chen haben, meinten, dass sie gerne mehr Abge­ord­nete gesehen hätten. Unser Vorschlag: Abge­ord­nete aus verschie­denen Minis­te­rien einladen. So können auch sie Meinungen der Jugend einholen und erhalten schon jetzt einen Einblick in die Jugend­stra­tegie von morgen. Außerdem sollte das Programm offener gestaltet werden, sodass junge Menschen Themen anspre­chen können, die ihnen wichtig sind. Denn sie können am besten berichten, welche Themen ihnen am Herzen liegen. Und es braucht mehr Zeit.

Zeit zu disku­tieren und Zeit, um Themen von allen Seiten zu beleuchten. Eine Konfe­renz wie diese ist viel­leicht nicht der rich­tige Ort dafür. Dann aber muss ein solcher Ort geschaffen werden.

Viele der Punkte, die in den vergangen zwei Tagen disku­tiert wurden, sind erschre­ckend simpel (Jugend­liche brau­chen Frei­räume? Ach! Sie wollen ernst genommen werden? Wow!). So simpel, dass sie als Grund­be­din­gungen nicht disku­tiert werden müssten. Eine Lösung muss natür­lich trotzdem her, sonst wären Konfe­renzen wie diese ja nicht notwenig. Was passiert jetzt also?

Die Konfe­renz ist vorbei, morgen geht das Leben weiter. Dann werden sich Bundes­aus­schüsse mit der Jugend­stra­tegie befassen. Die Politik geht dann für Jugend­liche weiter. Von und über Jugend­liche soll dabei nicht ganz ausbleiben. In Work­shops und Gremien sollen Jugend­liche weiterhin Impulse geben können. Hoffent­lich nicht nur als Reprä­sen­tan­tinnen und Reprä­sen­tanten.


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